aus bma 03/02
von Dietmar Eggert
„Willst Du mit uns im Sommer nach Korsika fahren?” fragte mich eines Tages mein Freund Jürgen. Uns, das waren Jürgen und drei weitere Mitfahrer im reiferen Alter (so um die 40 Jahre), mit denen ich schon öfters unterwegs gewesen war. Lust hatte ich, und als der Familienrat grünes Licht gab, konnte es los gehen.
Da wir auf Korsika nicht campen wollten, erschien uns die Anmietung einer Ferienwohnung als Ausgangspunkt und Basislager für unsere Unternehmungen am geeignetsten. Wir nahmen ein Angebot an der Ostküste in der Nähe von Morini Plage an. Die Fähre buchten wir nicht im voraus, da uns erfahrene Weltenbummler sagten, dass es kein Problem sei, mit dem Motorrad einen Platz zu bekommen.
Bei strahlendem Sonneschein fuhr ich mit meiner Honda NT 650 V Deauville von Süderbrarup (bei Schleswig) in Richtung Harz. Um Zeit zu sparen nahm ich die A7 und war in knapp dreieinhalb Stunden bei Jürgen. Die weiteren Mitfahrer waren Reiner mit seiner elf Jahre alten Honda Transalp (Laufleistung 117.000 km) Burkhard mit einer neuen BMW 650 Dakar und Dietmar mit der Yamaha 900 Diversion. Auf der Autobahn konnten wir am nächsten Tag nur mäßiges Tempo vorlegen, denn Jürgen fährt eine 650er-Kawa-Einzylinder (Laufleistung 50.000 km) und da ist bei 120 km/h Feierabend, wenn der Motor länger halten soll. Unsere erste Station war der Ort Reschen am See in Italien.
Morgens um 8 Uhr ging es am zweiten Reisetag weiter. Die Fahrstrecke verlief über den Ofenpass (2145 m), Oberengadin am Wintersportort St. Moritz vorbei über den wunderschönen Malojapass (1815 m) nach Chiavenna, zwischendurch natürlich immer wieder kurze Stopps, zum Tanken, Rauchen oder einfach, um die überwältigende Gegend zu genießen.
Am Lago di Como durch die vielen Tunnel ging es weiter über Lecco und die kostenpflichtige Autobahn nach Milano.
Unseren Zielhafen Genua erreichten wir um 18.30 Uhr und erlebten eine böse Überraschung. Für diesen Abend und den nächsten Tag waren keine Fährplätze mehr zu bekommen! Ein kleines Problem, denn für den nächsten Tag hatten wir unsere Unterkunft auf Korsika bereits angemietet.
Nach kurzer Schockminute und Beratung tat sich dann die Alternative auf. Ab Livorno, etwa 150 Kilometer von Genua entfernt, waren am nächsten Tag noch fünf Plätze zu haben.
Auf der Fähre genossen wir bei etwas diesigem Wetter das Touristendeck unter freiem Himmel. Das Verzurren auf dem Seitenständer war einfach, aber effektiv. Im Vorfeld waren mir die tollsten Geschichten von öligen Tauen beim Verzurren der Maschinen erzählt worden, aber alles Quatsch.
Das Entladen in Bastia nach fünfeinhalb Stunden Fahrt war unproblematisch und ging rasch, aber eine gewisse Hektik war überall an Bord zu verspüren, denn es war sehr heiß und alle Urlauber wollten schnell von der Fähre und an den Urlaubsort. So auch wir. Um die Umgebung konnten wir uns noch nicht viel kümmern, denn wir mussten uns auf die französische Fahrweise einstellen und das bei Temperaturen von ca. 35 Grad Ende August.
Nachdem wir uns am Strand abgekühlt und in der Ferienwohnung eingerichtet hatten, ging es am nächsten Morgen zur ersten Tagestour durch die Berge in Richtung Ponte Leccia und Sant Antonio über Sant Florent nach Bastia und zurück. Wir bewegten uns fast nur auf ganz schmalen Bergstraßen, es war von der Landschaft und den herrlichen Gerüchen einmalig schön. Die Straßen waren allerdings so schmal und zum Teil in schlechtem Zustand, so dass unsere Geschwindigkeit zwischen 35 und 60 km/h pendelte.
Überhaupt war das Fahren durch Korsika in einer Gruppe nicht ganz ohne. Hinter jeder Kurve lauerte eine andere Gefahr, mal eine Kuhherde, mal Ziegen, Hunde, Fußgänger, Busse, Kinder usw. und vor allem Wohnmobile und französische Wahnsinns- fahrer in ihrem R5 oder ähnlichem. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor war der Straßenbelag: Zum Teil sehr verschlissen, manchmal auch ganz weg und überall kleine Steine und Sand.
Auf unseren Touren versuchten wir stets, gegen Mittag im Meer oder in einem Fluss zu baden und etwa zwei Stunden in der Sonne zu dösen. Auf der Rückfahrt besorgten wir uns dann immer die Lebensmittel und Getränke für den Abend.
Ein Höhepunkt war die Rundfahrt durch das Bavella Gebirgsmassiv: beginnend bei Solenzara, der kleinen Straße in westlicher Richtung folgend bis zum Endpunkt in Porto Vecchio. Die Route ist im Marco-Polo-Reiseführer genauer beschrieben und ist ein Muss. Auf der Fahrt trifft man viele Mountainbiker, Wanderer, Kletterer und natürlich auch Motorradfahrer.
Eine Zwei-Tages-Tour unternahmen wir nach Bonifacio, dem südlichsten Punkt der Insel mit Sicht auf Sardinien. Es ist eine alte Festungsstadt mit einem Naturhafen von schroffer Schönheit, besonders die Altstadt ist super und man sollte etwas Zeit mitbringen. Zurück fuhren wir die 196 über Sartene, Olmeto, Cauro, Bastelica, Vizzavona, Aleria und die 198 zum Ausgangspunkt.
Am letzten Tag vor unserer Abreise umfuhren wir von Bastia aus das Kap Corse. Die tolle Rundfahrt bot sich als Anschluss an, denn hier wurde die Insel noch einmal im Schnellkurs durchlebt, von Küsten und Bergen über Wäldern bis hin zu Steinwüsten gab es alles zu sehen. Aber auch hier war große Vorsicht geboten, denn es herrschte ziemlicher Verkehr und die Straßen waren zum Teil wieder schlecht.
Ein Problem bei der Abreise war erneut die Fährverbindung, denn es war noch Saison und viele Urlauber wollten von der Insel. Auf der normalen Fähre von Bastia nach La Spezia war alles ausgebucht, und so blieb uns nur noch die teurere Schnellfähre.
Von La Spezia ging es die E 31 Richtung Parma, dann über Cremona und Brescia zum Gardasee bis nach Riva.
Der zweite Rückreisetag führte Richtung Bozen und Sterzing dann nach Östereich. Da wir das Geld für die Vignette sparen wollten wählten wir die alte Brennerstraße. Der Geiz war ein Fehler, denn es fing zu regnen an, und es war sehr viel Verkehr. Dazu kam, dass der Straßenbelag nicht gerade den besten Eindruck machte und die Straßenhaftung schwer einschätzbar war.
Wir konnten nur langsam fahren und die Zeit rann nur so davon. Dann verlor ich auf der Passstraße plötzlich auch noch die anderen. In Füssen hatte ich eigentlich genug vom Fahren, denn hier regnete es noch stärker. Mit 100 bis 120 km/h ging es dann aber doch auf der A7 weiter gen Norden. Ich machte mir schon einige Gedanken, denn bis nach Süderbrarup waren es noch 950 km, für meine Verfassung und das Wetter aber eindeutig zuviel.
Nach einigen Stunden stumpfsinniger, nasser Fahrt sah ich dann plötzlich Jürgen vor mir auf der Autobahn! Er war mit seiner Einzylinder-Enduro mit ca. 100 km/h unterwegs. Die anderen drei Fahrer hatten sich ausgeklinkt und waren schon vorgefahren. Also schloss ich mich der moderaten Fahrweise an, und wir litten zusammen auf der Fahrt Richtung Heimat. Bei einem Tank- und Verpflegungsstopp trafen wir noch einmal die anderen Mitfahrer und verabschiedeten uns voneinander.
5000 Kilometer in zwölf Tagen waren geschafft, ohne Unfall, Krankheit, Streit und technische Defekte. Mit diesem Reiseerlebnis in der Erinnerung konnte mir der Winter nichts anhaben und außerdem musste ja auch die nächste Reise geplant werden.
Infos:
Quartier auf Korsika:
frühzeitig besorgen, Fähre schon in Deutschland für Hin – und Rückreise buchen (gibt Rabatt), Kartenmaterial in Deutschland besorgen (am besten Fahrrad- oder Wanderkarten für die Berge); Fahrstrecken auf der Insel nicht zu lang planen, da es teilweise sehr langsam voran geht; Reiseführer von Marco Polo als Schnellübersicht und für Tourenvorschläge gut.
Kosten:
pro Kopf und Maschine ca. 1500 DM.
Ernährung:
Korsika ist eine teure Insel. Nur in Gaststätten zu essen kostet zuviel, Selbstversorgung in einer kleinen Küche hingegen ist kein Problem.
Durst:
Auf den Fahrten immer genügend Trinkwasser mitführen.
Unterbringung:
Für uns fünf Männer war die Ferienwohnung genau richtig. Der Gesamtpreis für eine Woche lag bei 1100 DM.
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