aus Kradblatt 7/14
von Jogi / penta-media.de

 

Kawasaki Z 800 – Die neue Mittelklasse

 

Kawasaki-Z800-2014-linksKaum zu glauben, aber es ist bereits 40 Jahre her, dass Kawasaki seine erste Z auf dem Markt präsentierte.

Bis vor wenigen Jahren waren sportliche 600er, verkleidet oder nackt, das Maß der Mittelklasse. Heute definieren sie eher das Einsteiger-Segment. Sportmaschinen wie die R6 von Yamaha oder Kawasakis ZX-6R 636 mal ausgenommen. Mit der Z750 und damit einer Hubraumaufstockung um 150 ccm, legte Kawasaki bereits 2004 einen drauf und schaffte es in Europa auf beachtliche 158.000 verkaufte Maschinen. Mit der Z800 wurde 2013 noch ein weiteres Mal aufgerüstet. Das Ergebnis ist eindeutig Mittelklasse­­Plus, wovon wir uns bei einer ausgedehnten Westerwald-Tour selbst überzeugen konnten. 

Der Motor erstarkte auf 113 PS und das Design zeigt sich nun noch dynamischer und aggressiver. Man könnte das Erscheinungsbild sowohl den nackten Motorrädern als auch den Streetfightern zuordnen. Die seitliche Silhouette erinnert an ein zum Sprung ansetzendes Raubtier. Der buckelartige Tank ist zum Vorderrad ausgerichtet und mündet in den Scheinwerfer, der ebenfalls ziemlich grimmig dreinschaut. Die Heckpartie ist sehr grazil gestaltet und gibt freien Blick auf den fetten 180er Hinterreifen. Markant leuchtet die LED-Heckleuchte im sich spiegelnden Z-Design. Die polierten Krümmer unterstreichen durch ihre abgewinkelte Formgebung und den seitlich angebrachten Verkleidungen, die einen Bugspoiler andeuten, das konsequente „Sugomi“-Design der Kawasaki. Es spiegelt sich auch im End-Topf der vier in eins Anlage wieder, wenn auch nicht ganz so stark ausgeprägt, wie beim Entwurf der größeren Schwester Z1000.

Kawasaki-Z800-2014-Front„Sugomi“ bedeutet im Japanischen „starker Charakter, große Ausstrahlung, furchteinflößend“. Die Umschreibung passt genau. Konsequent umgesetztes Design findet man auch bei den Spiegeln und dem Tachoinstrument. Letzteres sieht zwar vom Gehäuse her gut aus, ist jedoch mit dem vertikal angeordneten LED-Drehzahlmesser etwas unglücklich abzulesen. Leider fehlt auch eine Ganganzeige, die bei der Charakteristik des Motors serienmäßig wünschenswert wäre.

Der flüssigkeitsgekühlte 806 ccm Vierzylinder der Z800 bietet seinem Piloten einen sehr gut gelungenen Kompromiss zwischen „Kraft aus dem Hubraum schöpfen“ und „Freude an der Drehzahl“. Ab knapp 3000 U/min zieht der Motor relativ linear bis über die Höchstdrehzahl von 10.200 U/min hinaus. Eine wilde Drehorgel ist der langhubig ausgelegte Motor jedoch nicht. Die gesamte Kraftentfaltung ist jederzeit sehr gut berechenbar und problemlos zu handeln. Nicht nur für die sportliche Kurvenhatz nach dem Feierabend, sondern auch für den gemütlichen und genussvollen Fahrstil ist der Motor prima geeignet. Er läuft stets weich, vibrationsarm, rund und geschmeidig. Dank der hohen Motor-Elastizität lässt sich die Z800 sehr schaltfaul fahren. Nur wer dem Reihenvierer Höchstleistungen abverlangt, muss fix durch das japanisch-präzise arbeitende 6-Gang-Getriebe steppen. Im normalen Fahrbetrieb sorgt der Motor, egal in welchem Gang, immer für flüssigen Vortrieb, ohne jemals angestrengt zu wirken. Das höchste Drehmoment von 83 Nm wird bei 8.000 U/min erreicht. Die Maschine über 10.000 U/min zu zwiebeln ist sinnlos, auch wenn es theoretisch bis 12.000 U/min möglich wäre. Das Drehmoment sinkt darüber wieder ab.

Kawasaki-Z800-2014-rechtsDer Kupplungshebel lässt sich im Gegensatz zum Bremshebel nicht individuell einstellen. Die Betätigung der Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung funktioniert trotz des einfachen Seilzuges ohne anstrengenden Kraftaufwand, weich und ruckfrei. Der Klang der Auspuffanlage präsentiert sich eher leise und unauffällig. Erst über 6000 U/min entfaltet sich ein giftigerer Sound. Wohl wissend, dass einigen das serienmäßig gebotene Klangbild nicht ausreichen wird, hat Kawasaki eine Akrapovič Slip-on End-Tüte im Zubehörprogramm. Ob sie vom Sound her hält was sie verspricht, haben wir nicht ausprobiert. Leider ist jedoch auf den ersten Blick festzustellen, dass der Akrapovič End-Topf nicht wie der Standard-Topf „Sugomi“ entspricht, sondern im Universal-Allerwelts-Design, auch für andere Modelle passend, entworfen wurde. Schade, dass man für einen verbesserten Sound das stimmige Gesamtbild des Design-Kunstwerkes zunichtemachen müsste. Ästheten und Schöngeister werden hin und her gerissen sein.

Kawasaki-Z800-2014-TachoMit ihren 229 kg im fahrbereiten Zustand ist die Z800 keine Elfe, obwohl sie von oben betrachtet eine elfengleiche Taille aufweist und wunderbar leicht und sicher zu fahren ist. Der Knieschluss stimmt für durchschnittlich gewachsene Piloten perfekt. Sie lässt sich zielgenau lenken und fällt willig ohne körperliche Schwerstarbeit in die Kurven. Am Ende des Kurvenparcours durch den Westerwald stellten wir fest, dass wir die Strecke so flott und spielerisch genommen hatten, dass tatsächlich kein ungenutzter, äußerer Sicherheitsrand am Hinterreifen mehr sichtbar war. Völlig ohne Mühen waren alle Gummi-Nippel der serienmäßigen Dunlop Sportmax Pneus abgewetzt. Dafür fehlten allerdings auch satte 6,5 Liter Super auf 100 km aus dem 17 Liter fassenden Spritfass. Im Normalbetrieb sollte sich die Z800 jedoch mit 5 Litern begnügen, was noch immer leicht über dem Klassenschnitt liegt.

Auch im Geradeauslauf zeigt sich die Kawasaki tadellos. Sie zieht problemlos und zügig über die 200 km/h Marke hinweg. Ab 140 km/h bereits wird es aber recht zugig. Nackte Motorräder sind eben nicht für die Hochgeschwindigkeitsjagd auf der Autobahn oder Rennstrecke gedacht, sondern für die kurvige Landstraße. Federbasis und Zugstufendämpfung lassen sich individuell an der 41er Upside-down-Gabel einstellen, ebenso am hinteren Federbein.

Kawasaki-Z800-2014-DraufsichtIn Deutschland wird die Z800 serienmäßig mit getrennt regelndem ABS aus dem Hause Nissin ausgeliefert. Vorne wirken zwei 310 mm Scheibenbremsen mit Vierkolben-Bremszangen, hinten eine 250 mm Scheibe mit einer Einkolben-Bremszange. Die Scheiben sind vorne wie hinten im Wave-Design gestaltet, also ebenfalls konsequent dem „Sugomi“–Design angepasst. Die Bremswirkung ist im Ansprechverhalten sehr moderat. Die Wirkung lässt sich gut dosieren, hat im Vergleich zu den Bremsen mancher Sportler aber deutlich weniger Biss. Das muss man nicht negativ auslegen, denn ohne übertriebene Handkraft kommt die Bremswirkung letztendlich doch, wenn der Hebel weiter durchgedrückt wird. Die Gefahr der Überbremsung ist dafür recht gering. Das ABS dürfte höchstens bei Reflexbremsungen Arbeit bekommen.

Die Z800 wird in den Kawasaki-typischen Lackierungen Grün (candy flat blazed green metallic), Orange (Candy burnt orange) und Schwarz (metallic spark black) angeboten.

Der Listenpreis beginnt bei 8.995 Euro.Für Inhaber eines Stufenführerscheines, die sich in das Design der Z800 verliebt haben, gibt es eine 96 PS Version, die sich auf 48 PS drosseln lässt. Grund ist die Gesetzesvorgabe, dass das Ausgangsmodell der gedrosselten Variante maximal die doppelte Leistung haben darf. Nachträgliches späteres Aufrüsten über 96 PS ist jedoch nicht sinnvoll, weil nicht nur eine andere Einspritzung verbaut, sondern auch an der Einstellmöglichkeit von Gabel und Federbein gespart wurde. Einige kleinere Details wurden ebenfalls preisgünstiger gelöst. So fehlen der Sitzbank einige Stickereien und auf die Politur der Krümmer wurde verzichtet. Die gedrosselte Variante nennt sich Z800e und ist bereits ab 8.095 Euro Listenpreis zu haben.

Surf-Tipp:
Wer auf YouTube den Suchbegriff Kawasaki Z800 eingibt, wird in zahlreichen Videos zu sehen bekommen, welch unglaubliches Potenzial in der Maschine steckt. Auch Stuntfahrer haben die Z800 inzwischen für sich entdeckt.