aus bma 03/04

von Klaus Herder

Kawasaki Z 750Lieber Leser, erleichtern Sie bitte sofort Ihr Sparbuch um 7195 Euro, begeben Sie sich danach umgehend zum nächstgelegen Kawasaki-Händler und bestellen Sie dort bitte unbedingt eine Z 750 in Schwarz, Blau oder Rot. Das Teil ist nämlich richtig geil, schweinegünstig und überhaupt ein Mega-Kracher.
Na, ist das ein gelungener Einstieg? Und was noch viel schöner ist: Ich bin beim Schreiben noch nicht mal rot geworden, denn so oder so ähnlich muss eigentlich das Fazit eines jeden Z 750-Fahrberichts lauten. Dass zwischen den Zeilen zur Eile geraten wird, hat ebenfalls seine volle Berechtigung. Von der Z 750 sollen dieses Jahr nämlich nur rund 3500 Exemplare nach Deutschland kommen. Das ist für Kawa-Verhältnisse zwar sehr viel, in Anbetracht dessen, dass sich die große Schwester Z 1000 aber im vergangenen Jahr mit 2825 Exemplaren auf den hervorragenden achten Platz der Zulassungs-Hitparade schieben konnte, ist dieses Z 750-Kontingent aber verdammt klein.
Die Z 750 ist nämlich die bessere Nackt-Kawa. Und das hat auch, aber erst in zweiter Linie mit dem Minderpreis von satten 2800 Euro zu tun. Auf dem Papier spricht dabei zuerst eine Menge gegen die kleine Z. Allzu leicht entsteht der Eindruck, dass die 750 eine Sparversion ist. Beispiele gefällig? Wo bei der Z 1000 eine üppig dimensionierte und natürlich voll einstellbare Upside-down-Gabel ihren Dienst tut, steckt bei der Z 750 eine absolut unverstellbare und überaus konventionelle Telegabel im mageren 41er-Format. Anstelle eines (natürlich voll einstellbaren) Federbeins mit Ausgleichsbehälter verbaute Kawasaki bei der Z 750 ein simples 08/15-Teil, bei dem gerade mal die Vorspannung und im bescheidenen Rahmen (vierfach) die Zugstufendämpfung variiert werden können. Eine Bremse mit Doppel- statt Vierkolbensätteln, eine Vier-in-eins- anstelle der Vier-in-vier-Auspuffanlage, Stahl- statt Alu-schwinge, Stahl- statt Alulenker – die Liste der Minder-Ausstattung ließe sich noch verlängern.

 

Kawasaki Z 750Doch die sagt glücklicherweise nichts über den Fahrspaß aus, den ein Motorrad bieten kann. Der hängt zum großen Teil von einer passenden Motorisierung ab, und bei der haben die Kawasaki-Ingenieure eine Punktlandung hingelegt. Der flüssigkeitsgekühlte Reihenvierzylinder ist – etwas vereinfacht gesagt – der heruntergebüchste Z 1000 Motor. Das Gehäuse ist identisch, der Kolbenhub beträgt unverändert 50,9 mm, die Bohrung schrumpfte allerdings von 77,2 auf 68,4 mm. Das macht dann 748 statt 953 ccm. Etwas Feinarbeit am Zylinderkopf, eine angepasste Einspritzanlagen-Software, ein etwas kürzer übersetztes Sechsganggetriebe – das ist’s auch schon gewesen. Einspritzanlagen-Software? Richtig gelesen. Die moderne Art der Kraftstoffversorgung fiel gottlob nicht dem Rotstift zum Opfer. Das macht die Z 750 in ihrer Klasse einzigartig. Und was noch schöner ist: Es blieb auch bei der aufwändigen Lösung, also bei der mit zwei Drosselklappen pro Ansaugkanal (34er- statt 38er-Saugrohre). Die vordere Klappe hängt direkt am Gaszug, das hintere Exemplar wird von einem Stellmotor betätigt, der seine Befehle von der Blackbox empfängt. Das soll für besonders gutes Ansprechverhalten sorgen. Und das tut es auch, doch dazu später mehr.
Die erste Z 750-Sitzprobe wird zum Déjà-vu-Erlebnis. Richtig: Das Anziehen meiner perfekt eingetragenen Lieblings-Turnschuhe klappt genauso. 815 mm Sitzhöhe sind auf dem Papier zwar nicht unbedingt zwergentauglich, doch die leicht abfallende, schmale Sitzbank und der an genau passender Stelle tief eingebuchtete Tank machen es auch Kurzbeinigen leicht, sicheren Bodenkontakt zu finden. Als 1,86-Meter-Normalwüchsiger fühle ich mich ebenfalls sofort sauwohl. Hände und Füße finden bei der Z 750 genau dort Platz, wo sie der tourensportlich orientierte Sporttourer, also der noch nicht komplett vergreiste Naked Bike-Fahrer im Normalfall haben möchte. Ich sitze bequem, und als ob das nicht schon genug wäre, hält das serienmäßige Ergonomie-Paket der Z 750 auch noch ein nettes Schmankerl parat: Beide Handhebel lassen sich verstellen! Bei der Z 1000 geht das nur beim Bremshebel. Einen lenkerfesten Chokehebel gibt’s trotz Einspritzanlagen-Rundumglücklich-Technik. Der Motorradfahrer an sich möchte halt noch ein Hebelchen zum Spielen haben. Ob mit oder ohne Hebelchen: Der Kaltstart klappt perfekt, der Motor läuft sofort rund und nimmt sauber Gas an. Daran ändert sich auch in der Folge und bei höheren Temperaturen nichts. Kein Ruckeln, kein Verschlucken – wie ein perfekt abgestimmter Vergaser erledigt die Spritzmimik ihren Job.
Cockpit Doch es bleibt eigentlich keine Zeit, sich über die Gemischaufbereitung weitere Gedanken zu machen. Zwei Ereignisse erfordern nun die volle Aufmerksamkeit des Piloten. Erstens: der Sound. Da erinnern wir uns doch sofort daran, dass wir schon vor 20 Jahren Kawa immer etwas geiler fanden. Klang einfach besser als Honda. Und tut es heute wieder. Dermaßen bassig, kernig, böse – und dabei total legal – klingt momentan kein anderer japanischer Vierzylinder, von der ZX-6R vielleicht abgesehen. Zweitens: Die Fuhre geht saumäßig gut ab. Dreieinhalb Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, rund elf Sekunden bis zur 200er-Marke, Spitze bei knapp 240 – das langt, die versprochenen 110 PS sind garantiert vorhanden. Ab 2000 U/min geht es bis zur Nenndrehzahl von 11.000 Touren gnadenlos vorwärts. Und zwar gnadenlos gleichmäßig. Wo der Z 1000-Treiber schon mal den einen oder anderen Blick auf den (digitalen…) Drehzahlmesser riskieren sollte, um optimalen Schub zu finden, kann der Z 750-Fahrer einfach nur genussvoll Gas geben. Der 750er-Motor benimmt sich viel harmonischer als der 1000er. So zwischen 6000 und 8000 U/min schickt der garantiert ausgleichswellenfreie Vierzylinder allerdings satte Vibrationen in Lenker und Fußrasten, was Autobahnrichtgeschwindigkeits-Fahrer womöglich böse nerven wird. Altgediente Kawa-Kunden kennen es nicht anders. Das ist wie beim Sound: Wer es nicht mag, soll gefälligst Honda kaufen.
Das maximale Drehmoment von 75 Nm steht knapp oberhalb der Vibrations-Drehzahl, nämlich genau bei 8200 U/min an. Das ist ein ziemlich praller Wert. Die nackten 600er und 650er des Wettbewerbs – und genau gegen die tritt die Z 750 preislich an – spielen fast ausnahmslos in der 60-Nm-Liga, was sich in Sachen Durchzug gewaltig bemerkbar macht. Die Z 750 zieht einfach viel, viel besser. Und säuft dabei nicht unbedingt mehr. Zwischen fünf und sechs Liter Super genehmigt sich die kleine Z auf 100 Kilometer. Die große Schwester macht rund einen Liter mehr weg.
Etwas schneller an der Tanke ist die Z 750 trotzdem. Zumindest dann, wenn die Spritversorgungsstelle an irgendeiner Landstraße liegt. Der Z 750-Tank ist aber nicht etwa kleiner – er ist mit dem Z 1000-Teil baugleich und fasst 18 Liter. Die Z 750 ist einfach schneller da, weil sie deutlich handlicher als ihre große Schwester ist und sich besonders im engen Winkelwerk viel flotter bewegen lässt. Mit 219 kg wiegt die vollgetankte Z 750 nur fünf Kilo weniger, daran kann es also kaum liegen. Hauptgrund dürfte der schmalere 180er-Hinterradreifen sein. Die Z 1000 rollt auf einem 190er-Puschen, der zwar wichtiger aussehen mag, in der Praxis aber eigentlich nur Nachteile hat, weil er die Fuhre beim Abwinkeln schwerfälliger macht. Die einfacheren Federelemente der Z 750 sind bei artgerechter Haltung – also abseits der Rennstrecke – kaum nachteilig zu spüren.
Kawasaki Z 750 Die komfortabel-straffe Grundabstimmung passt bestens für das Einsatzgebiet Landstraße, besonders die Telegabel arbeitet erstaunlich feinfühlig und hat maßgeblichen Anteil an der tollen Zielgenauigkeit der Z 750. Auf der Bahn gibt sich die Kawa ebenfalls keine Blöße: sturer Geradeauslauf bei jedem Tempo, kein Schlagen, kein Schaukeln – passt schon. Kein Wunder, entspricht der massive Stahlrohrrahmen doch dem Z 1000-Bauteil. Die Wandstärke des 750er-Rückgrats ist zwar etwas geringer, doch das tut der gelungenen Statik keinen Abbruch.
Zur Z 750-Zielgruppe gehören laut Presse-Info besonders „jüngere Mittelklasse-Sportfahrer” und „fortgeschrittene Anfänger/Innen”. Also vermutlich keine ausgebufften Brutal- und Ultraspätbremser. So gesehen ist die Z 750-Bremsanlage gut gelungen. Die Vorderrad-Stopper lassen sich sauber dosieren und bringen im Normalbetrieb eine tadellose Bremsleistung, die Gefahr des Überbremsens besteht praktisch nicht. Erfahrene Lustbremser wünschen sich aber vielleicht etwas mehr Biss. Damit es bei der Z 750 richtig raucht, muss schon mächtig hart reingelangt werden. Der Zubehör- und Nachrüstmarkt bekommt hier jedenfalls eine echte Chance. Beim Auspuff sieht’s fürs Ersatzgeschäft dagegen traurig aus. Nicht genug damit, dass das Teil genial klingt. Es ist auch noch sauber aus Edelstahl gefertigt. Wie überhaupt die ganze Z 750 sehr ordentlich gemacht ist. Alles wirkt wertig und erwachsen. Einzig und allein dieses Kombi-Instrument hinter der vom Z 1000-Teil etwas abweichenden Scheinwerferverkleidung ist nicht jedermanns Sache.
Also, mir gefällt’s jedenfalls nicht. Aber das wird auch nichts daran ändern, dass die Kawasaki Z 750 garantiert und völlig zu Recht zum Bestseller werden wird. 2800 Euro sparen und dafür noch mehr Fahrspaß haben – Geiz kann so geil sein.