aus bma 3/11 – Lesererfahrung

von Matthias Witten

Kawasaki Z550 vorherEs war August und die Motorrad-Saison noch in vollem Gange, aber manchmal überkommt einen schon der schreck­liche Gedanke an den langen, langweiligen Winter. Was also tun? Mitten in diesen düsteren Gedankengängen kam dann die Erlösung. Währ­end einer Familienfeier kam mein Bruder auf mich zu und fragte mich, ob ich sein altes Motorrad haben wolle, geschenkt natürlich. Es handelte sich um eine Kawasaki Z 550 B Baujahr 1982, 50 PS mit 36000 km auf der Uhr. Ich überlegte kurz – eigentlich ist Kawasaki nicht gerade meine persönliche Premium-Marke, aber in Hinblick auf den Winter nahm ich das Geschenk dankend an.

Da die Kawa abgemeldet war und angeblich nicht mehr ansprang, wurde ein Transport organisiert und zwei Wochen später stand sie bei mir im Garten. Ein trauriger Anblick. Überall hatte schon der Zahn der Zeit in Form von Rost und ­Aufblüh­ung­en an fast allen Teilen genagt. Die Grundsubstanz schien aber noch gut zu sein. Aber zuerst musste der Motor wieder zum Laufen gebracht werden. Ich füllte frisches Benzin ein, kontrollierte die Zündkerzen, Choke ge­schlossen, betätigte den Anlasser und nach kurzem Orgeln erwachte der Motor zu neuem Leben. Super! Nun wurde die Kawa auf die gut geschützte Terrasse gebracht und einer genaueren Inspektion unterzogen. Das Ergebnis zeigte, dass nur eine komplette Demontage und Aufarbeitung aller Teile Erfolg bringen würde.

Kawasaki Z550 zerlegtDann also los! Nach und nach wurden sämtliche Teile demontiert und in Kartons verpackt. Die dazugehörigen Schrauben kamen in kleine Ersatzteiltüten, die sorgfältig beschriftet wurden, damit ich sie problemlos wieder finden konnte. Die zur Demontagehalle zweckentfremdete Terrasse sah langsam wie ein Ersatzteillager aus, aber was soll’s.

Der Rahmen und alle dazugehörigen Teile wurden dann mit Kaltreiniger und Hochdruckreiniger bearbeitet, bis der Schmutz und das Fett der letzten 20 Jahre verschwunden waren. Auch der Motor wurde mit Bremsenreiniger und viel Geduld gesäubert. Der schwarze Motorlack hatte schon sehr gelitten und musste erneuert werden. Aber wie zwischen die Kühlrippen kommen? Da half mir ein Zufall. Als ich den Ventildeckel abnahm, um die Ventileinstellung zu prüfen und die Dichtung zu erneuern, ließen sich die Reste der alten Dichtung nicht entfernen, waren also festgebrannt. Ich versuchte es mit Dichtungsentferner von AS, was aber nicht viel brachte.

Kawasaki Z550 DetailAber die Farbe! Sie blühte sofort hoch und ließ sich mit Druckluft, Drahtbürste und Nylonbürste auf der Bohrmaschine leicht entfernen. Jetzt brauchte ich nur noch die Ventildeckeldichtung zu erneuern, die nicht zu lackierenden Teile abzukleben und den Motor mit schwarzem hitzefesten Lack aus der Spraydose zu versehen.

Die blanken Metallteile wurden danach abgeschraubt und mit dem Polierset von Louis mit viel Liebe und Geduld auf Hochglanz gebracht. Wieder an den Motor geschraubt, ergab das ein super Ergebnis, das den Motor wie neu aussehen ließ und außerdem äußerst preisgünstig war!

Von diesem Erfolg angespornt, widmete ich mich nun dem Rahmen und allen anderen Teilen, die auch wieder in schwarz lackiert werden sollten. In einem Buch über Motorradrestaurierung hatte ich gelesen, dass man für kleinere Lackierungen auch ruhig die Lackierung per Spraydose anwenden könne, (Low-Budget!) darum entschied ich mich dafür.

Als erstes wurden die großen Teile wie Rahmen, Gabel, Schwinge und Hauptständer mit Schmirgelpapier, Bohrmaschine, viel Muskelschmalz und die schwer zugänglichen Ecken wieder mit dem schon bekannten Dichtungsentferner bearbeitet, danach gereinigt und mit Grundierung aus der Spraydose lackiert. Nach eingehender Trocknung nahm ich dann die schwarze Lackierung in Angriff. Zuerst Telegabel, Hauptständer und Schwinge. Auch hier wurde wieder ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Dann der Rahmen. Auch dieser ließ sich mit Spraydosen sehr gut lackieren, aber von wegen „Low-Budget“. Dose um Dose wurde verbraucht, um ein gutes Ergebnis zu erzielen, aber dann stand der Rahmen in seinem neuen Farbkleid in der Garage. Auch sämtliche Kleinteile wie Batteriekasten, Lampenhalter usw. wurden so behandelt.

Kawasaki Z550 SitzbankDa der Lack einige Zeit aushärten musste, widmete ich mich nun der Lackierung der wichtigsten Teile: Tank, Seitenteile, Heckbürzel, und Schutzblech vorne. Die Lackierung sollte wieder original Silber werden, aber leider hatte ich keinen Farbnamen und auch keine RAL Nummer.

Also auf ins Internet. Bei eBay konnte mir ein Farbhändler auf Anfrage per E-Mail melden, dass es eine Farbe bei Kawasaki gäbe, die Silver Metallic hieße und verfügbar wäre. Also sofort geordert und ein paar Tage später hatte ich sie, spritzfertig und mit allem Drum und Dran. Nun war wieder Schleifen angesagt.

Auch diese Lackierung war recht befriedigend, obwohl sie in einer normalen Garage ohne Absaugung und nur mit einer einfachen Spritzpistole und einem kleinen Kompressor vorgenommen wurde, sozusagen nur mit „Bordmitteln“. Leider fehlten jetzt noch die roten und schwarzen Zierstreifen, aber auch hier wurde ich bei eBay fündig. Dort konnte man so genannte Viper Streifen, die eigentlich dazu benutzt werden, Autos ein sportlicheres Aussehen zu geben, erwerben. Die Streifen waren etwa 4 Meter lang, und das war auch gut so, da beim Zuschneiden und Aufkleben doch einige Pannen passierten. Aber es war ja genug Ersatz da. Nachdem nun die wichtigsten Teile vorbereitet waren, konnte endlich der Zusammenbau beginnen.

Kawasaki Z550 KabelsalatRahmen, Hauptständer, Gabel und Schwinge wurden wieder vereinigt, wobei die Lenkkopflager nicht erneuert zu werden brauchten. Den Rädern wurden jedoch neue Lager spendiert, und schon bald stand die Kawa wieder auf ihren eigenen „Beinen“. Ein schöner Moment! Aber es sollte noch schöner werden, denn nun stand der Einbau des Motors an. Der Rahmen wurde soweit wie nötig mit Lappen und Resten einer alten Gummimatte umwickelt und der Motor mit tatkräftiger Hilfe des Nachbarn in den Rahmen gesetzt. Die Hauptkomponenten waren wieder vereinigt.

Nun ging der weitere Zusammenbau schnell voran, obwohl sämt­liche Anbauteile noch gründlich gereinigt wurden und sämtliche Schrauben auf der Polierscheibe noch den letzten Glanz bekamen. Die Bremssättel wurden zerlegt und gereinigt, Stahlflex Bremsleitungen (eBay) verlegt und auch ein neuer Kettensatz (auch eBay) eingebaut. Auch bekam die Kawa neue Metzeler Lasertech Reifen, (nein, nicht über eBay) spendiert. Die Sitzbank wurde abgepolstert, da meine bessere Hälfte die Kawa auch fahren sollte. Nachdem jetzt wieder alles an seinem Platz war, konnte endlich die lang ersehnte Probefahrt stattfinden.

Kawasaki Z550 nachherIch besorgte mir ein Tageskennzeichen, und mit einem etwas mulmigen Gefühl ging es los. Dieses war aber völlig unbegründet, denn die Kawa lief wie ein Uhrwerk. Am nächsten Morgen dann ab zum TÜV, was aber auch kein Problem war. Seitdem habe ich schon einige Touren gemacht und bin mit ihrer Fahrleis­tung recht zufrieden. Sie hat ein gutmütiges Fahrverhalten und der Verbrauch ist mit ca. 4,5 Litern auf 100 km sehr moderat. Das Fahrwerk ist auch eher auf Komfort ausgelegt, also nichts für die schnelle Fraktion. Trotzdem ist es doch sehr verwunderlich, dass bei den Z-Kawa-Freunden das Motorrad anscheinend erst ab Z 750 anfängt. Auf Youngtimertreffen usw. sieht man immer nur Z 750, 900er oder 1000er. Die Z 550 scheint da nur ein Mauerblümchendasein zu führen. Das hat sie mit ihren guten Eigenschaften, z. B. günstige Unterhaltskosten, geringer Spritverbrauch, gute Fahrleistung und gutmütiges Fahrverhalten eigentlich nicht verdient. Und bei kaltem Motor mit der Steuerkette rasseln wie die Großen kann sie schon lange.

Fazit: Das Restaurieren eines derartigen Youngtimers macht unheimlichen Spaß, da man Dank überschaubarer Technik fast alles zerlegen, reparieren und wieder zusammenbauen kann.

Allerdings beliefen sich die Kosten für Ersatzteile, Farbe und Kleinteile auf über 1000 Euro, so dass der eigentliche Verkaufswert schon bei weitem überschritten wurde. Solch eine Restaurierung ist also nur etwas für Enthusiasten oder unverbesserliche Schrauber, die ihre Freizeit lieber in der Garage, als vor der Glotze verbringen.

Für mich war das jedenfalls der inte­res­santeste Winter seit vielen Jahren und wenn ich Gelegenheit dazu bekommen würde, würde ich es immer wieder tun. Aber man kann ja nie wissen!