aus bma 06/01
von Frank Sachau
Was ein echt norddeutscher Fischkopp ist, der braucht sogar auf einer zünftigen Alpentour Wind und Wellen um sich. Und die perfekte Mischung aus Bergstraßen und Badevergnügen bietet der Gardasee.
„Heute hab’ ich an der Iphigenie gearbeitet, es ist im Angesichte des Sees gut vonstatten gegangen.” Diese Zeilen schrieb Goethe im September 1786 in sein Tagebuch, als er sich in Torbole aufhielt. Dass auch Motorradtouren rund um den Lago di Garda „gut vonstatten gehen”, ist bei dem tollen Angebot von Traumstrecken, mildem Klima und kulinarischen Köstlichkeiten kein Wunder.
An der Ostseite des Sees, hoch über dem Örtchen Pai, liegt das familiär geführte Hotel Lorolli inmitten eines 15000 Quadratmeter großen Olivenhains. Zimmer mit Seeblick gefällig? Anja und ich schlagen hier unser Basislager für die nächsten Tage auf.
Entspannt geht es auf der Uferstraße „Gardesana Orientale” Richtung Torbole. Hier an der Nordspitze des über 50 Kilometer langen, fjordartigen Sees biegen wir rechts ab, denn bei Mori beginnt die „Monte-Baldo-Höhenstraße”. Die Strecke bis Caprino geizt nicht mit anspruchsvollen Kurven und Kehren, aber der Lago ist nur einmal zu sehen. Dann aber richtig – an der Bocca di Navene bietet ein kleines Café mit Balkon den obligatorischen Cappuccino und als kostenlose Draufgabe den Ausblick weit über den Gardasee hinaus, bis in die Berge der Lombardei. Aus gut 1400 Metern Höhe schauen wir auf die glitzernde Wasseroberfläche hinab, die Fähren wirken klein wie Spielzeugboote.
Über San Zeno di Montagna schlängeln wir uns auf einer schmalen Straße bergab und treffen bei Torri del Benaco wieder auf den See. Die Siedlung war vor über 600 Jahren Hauptort für 18 Gemeinden der Gardasee-Ostseite. Der Lacus Benacus, wie ihn die Römer nannten, verlässt hier die Alpen und traut sich ins flache Land hinein, die Berge treten in den Hintergrund.
Vorbei an kleinen Häfen bummeln wir durch malerische Orte unserem nächsten Ziel, der Halbinsel Sirmione entgegen. Als uneinnehmbare Festung erbauten die Skalinger im 13. Jahrhundert die Wasserburg, die noch heute weit in den See hinein ragt. Der Hafen diente der berühmt-berüchtigten Gardaseeflotte als Unterschlupf. Trotz des Touristenrummels sollte man sich Zeit nehmen, den Blick über die Wellen zu genießen, vielleicht mit einem Eis in der Hand, denn Gelaterias gibt es hier mehr als genug.
Wir setzen unsere Rundreise im Uhrzeigersinn fort, bei Padenghe verschwindet der Lago aus unseren Augen, bis hinter Salò lässt er sich nicht blicken. In Gargnano heißt es „ciao” westliche Uferstraße, „Gardesana Occidentale”. Uns steht der Sinn nach Bergluft und nach einer fast endlosen Kehrenorgie erreichen wir Navazzo, unter uns der See, gegenüber der mächtige Rücken des Monte Baldo. Menschenleer präsentiert sich der knapp zweispurige Weg am Stausee Lago di Valvestino entlang, Überholen ist Glücksache.
In Idro umrunden wir den gleichnamigen See, bei Anfo lockt eine Passage ganz nach dem Geschmack unserer BMW GS und ihrer Mannschaft: Steigungen um die 15%, schlechte Wegstrecken, teilweise Schotter, fehlende Randsicherungen, kurzum, alles was Spaß macht. Alleine die Namen der Pässe klingen wie Musik in den Ohren: Passo del Mare, Manivapass, Passo della Spina, Goletto delle Crocette, Giogo della Bala und Passo di Croce Domini, um nur die wichtigsten zu nennen. Bergauf röhren zwei Einzylinderenduros an uns vorbei und verschwinden so plötzlich, wie sie gekommen sind in einer großen Staubwolke in der nächsten Kurve. Der Spuk ist vorüber, wir sind wieder allein. Ein windschiefes, angerostetes Schild protzt am Bala-Joch mit 2162 Höhenmetern. Der Winter hat diesen Teil der Berge lange im Griff, in Schattenlagen tauen Altschneereste bis in den Juli vor sich hin.
In der Hütte am Passo di Croce Domini treffen sich Gott und die Welt: Ein in würdevolles Schwarz gewandeter Geistlicher probiert luftgetrockneten Prosciutto und uralten Formaggio, in der Ecke gegenüber stopfen buntgekleidete Crosser Apfelstrudel mit Schlagsahne in sich hinein.
Gut gestärkt und neu orientiert geht es talwärts – anfangs durch sanfte Kurven, an satten Weiden vorbei, später auf schmaler Trasse in den dunklen Wald des Caffaro-Tals hinein, als plötzlich die roten Ziegeldächer Bagolinos zu uns heraufleuchten. Die Hauswände rücken dicht zusammen, das Dröhnen des Boxers hallt monoton durch die Gassen. Wer hier vor die Tür tritt, steht mitten auf der Straße. Unser 65 Kilometer langer Umweg findet am Nordende des Idrosees sein Ende. Allzu gern unterliegen wir der Verlockung, das nächste Tal, den nächsten See anzusteuern. Nach dem anstrengenden Bergauf und Bergab ist erst einmal entspanntes Dahintuckern zu Füßen des legendären Monte Tremalzo angesagt.
Hinter Storo liegt das alte Fort Ampola im gleichnamigen Tal, ein unscheinbarer Weg führt hinauf zum Schotterpass. Die Stollenreiter haben es in den vergangenen Jahren etwas zu heftig krachen lassen, nach circa 10 Kilometern hindert ein Verbotsschild an der Weiterfahrt. Wir bleiben im Tal und machen Rast am Lago di Ledro, auf einer Schautafel erfahren wir mehr über seine Vergangenheit. Als man vor vielen Jahren den Pegel des Sees absenkte, kamen Hunderte von Holzpfählen zum Vorschein, es waren Überreste vorzeitlicher Besiedelung.
Mit der beschaulichen Ruhe ist es in Riva del Garda, der Hauptstadt des Gardasees, vorbei. Südländischer Fahrstil zwingt uns zur Konzentration auf den Verkehr, wir wollen in den Nachbarort Torbole. Am Hafenbecken klappen wir den Seitenständer raus und genießen den mediterranen Charme der Uferpromenade. Segelyachten und Motorboote aller Preisklassen geben sich ein Stelldichein. Hinter uns rascheln die Palmen im Wind, gegenüber leuchten Hotelfassaden in warmen Farben. Sogar die Poller, an denen die Wasserfahrzeuge festmachen können, sind in blau und gelb gestrichen. Als besonderer Gag warten „Wasser-Taxis” auf Fahrgäste – gegen einen entsprechenden Lire-Betrag kann man sich an jeden beliebigen Punkt des Sees schippern lassen.
Wieder im Sattel des Bayernboxers passieren wir die Hochburgen der Windsurfer, stetige Winde und angenehme Wassertemperaturen machen den Lago di Garda zum Surferparadies. Unser letzter Abstecher auf dem Heimweg gilt Malcésine. Hier kam Goethe für kurze Zeit hinter Gitter. Er wurde der Spionage verdächtigt, als er den Turm der alten Skalingerfestung zeichnete, konnte aber alle Zweifel beseitigen. Eine kleine Panoramastraße führt hoch über den Ort und erlaubt wunderschöne Ausblicke bis hinüber nach Limone und Tremosine. Die beste Sozia von allen und ich schauen nach Süden, dort werden am Horizont Himmel und Wasser eins, der See scheint unendlich. Fast wie bei uns in Norddeutschland …
Reiseinfos:
Übernachtung:
Hotel Lorolli: Familienbetrieb, aufgeschlossene, sehr freundliche Wirtsleute. Alle Zimmer mit Du/WC, Balkon und Seeblick, Bar, große Terrasse, eigener Badesteg. Garage fürs Bike kostenlos, Wirt fährt selbst und gibt gerne Tourentipps. Halbpension ab DM 65, Übernachtung mit Frühstück ab DM 49, I-37010 Pai di Torri del Benaco, Tel.: 0039/(0)45/ 7260010, Fax: 0039/(0)45/ 7260386.
Kfz.-Fähre:
Zwischen Torri del Benaco und Toscolano-Maderno: täglich von 9.00 bis 19.00 Uhr.
Straßenkarte:
Generalkarte Italien, Blatt 2, 1 : 200.000
Reiseführer: „Lust auf … Gardasee”, Highlights-Verlag, Ringstr. 11, 53881 Euskirchen. 10 ausgesuchte Motorradtouren rund um den Gardasee, ISBN 3-933385-01-6, DM 14,80.
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