aus bma 08/06

von Jörg van Senden

Honda CBF 600Ob das Fahren eines Motorrades überhaupt vernünftig sein kann, möchte ich einfach mal unkommentiert im Raum stehen lassen. Wenn es jedoch der Fall sein sollte, dann gehört die Honda CBF 600 sicherlich zu den Motorrädern, die im Preis/Leistungsverhältnis und der Sicherheitsausstattung ganz vorne fahren. Das haben die Verkaufszahlen 2004 auch belegt. Mit über 5200 verkauften CBF 600 war die kleine Honda auf Anhieb das meistgeorderte Bike in Deutschland.
Nachdem meine Frau Sandra trotz langem Hin und Her endlich ihren Führerschein der Klasse 1 in der Tasche hatte, – es gibt so viele vernünftige Argumente gegen das Motorradfahren, aber das Herz sagt etwas anderes – ging sofort die Suche nach einer passenden Maschine los.
Aber welche Maschine paßt? Sandra ist 1,60 m klein, also gedachte ich sie erst mal auf einen niedrigen Chopper zu setzen, was sie sofort mit „Ich will aber ein richtiges Motorrad!”, verwarf und mit dem Fuß aufstampfte.
Da die meisten Motorradhändler freundliche Burschen sind, nutzten wir die Möglichkeit alles zu testen, was sich in der näheren Umgebung anbot. Viele Maschinen fielen schon durch die zu hohe Sitzbank aus dem Feld der Kandidaten, andere wegen lieblosem Design oder mangelnder Technik.
So langsam machte meine Frau mir klar, was für sie ein „richtiges Motorrad” wäre. Das passierte im typisch weiblichen Stil, indem sie mir behutsam beibrachte, was sie eben nicht haben wollte. Dadurch hatte ich die ehrenvolle Aufgabe die verbliebenen Möglichkeiten einzukreisen.

Also, ein Chopper ist kein richtiges Motorrad, Trommelbremsen wie bei der Kawa W650 gehen gar nicht, Eintöpfe wie die schüttelige BMW F650 wollte sie auch nicht, klingt nämlich voll sch…, obwohl die ABS-Bremse gefiel. Verkleidete Maschinen sehen aus wie Joghurtbecher und sind ihr auch viel zu bunt. Maschinen mit 50 PS kommen ja überhaupt nicht in die Hufe. Zu teuer darf es auch nicht sein. Auch nicht zu schwer. Ein Bike soll zum Fahren sein, nicht zum Putzen. Damit fiel dann auch die Harley Sporty weg. Die nächste Service-Werkstatt sollte auch nicht zu weit weg sein. Und so verabschiedete sich auch eine Triumph Bonneville, die schon in der engeren Auswahl war.
Langsam ging es mir schon etwas auf die Nerven Wochenende für Wochenende mit Sandra die Händler zu belästigen.
Da sich die Saison dem Ende zu neigte, konnte ich sie davon überzeugen, doch bis zum Frühjahr zu warten. Ich hatte dabei die Hamburger Motorradtage im Sinn, denn da kann man prima und ohne großen Zeitaufwand und wildes Herumirren in kürzester Zeit auf allem zur Probe sitzen, was dort ausgestellt ist.
Honda CBF 600Meine Liebste akzeptierte. Allerdings fand sich auf den HMT trotzdem nicht das „richtige Motorrad”. Merkwürdigerweise erlaubte sich Honda als einziger größerer Hersteller auf den HMT zu fehlen, was meiner Frau sofort auffiel. Um nun die Eindrücke und die gesammelten Prospekte für einen guten Gesamtüberblick zu komplettieren, führte uns der Weg von der Messe direkt zum Hondahändler.
Da stand sie nun, die CBF 600. Der erste Kommentar war: „Gar nicht übel, aber das Design der Hornet find’ ich besser.” Alle anderen Kriterien schienen für meine Frau jedoch erfüllt zu sein. Die verkleidete Version fand keinen Zuspruch, aber die Nackte sieht wie ein richtiges Motorrad aus. 76 PS sind ok, vier Zylinder auch. Die ABS-Bremse war ein echtes Argument. Der Preis ab 6.190 Euronen auch. Pflegeleichte Oberflächen und Gußfelgen verringern den Reinigungsaufwand. Bueno! Also verabredeten wir gleich einen Termin zur Probefahrt.
Da ich den Wunsch hatte, meine Frau bei der Probefahrt zu begleiten, aber meine alte BMW wegen des Saisonkennzeichens noch im Wohnzimmer überwinterte, bot mir der freundliche Verkäufer eine 125er Shadow an.
Wir starteten zur Probefahrt und ich sah nur noch die Rücklichter. Eigentlich ja ein gutes Zeichen. Um auch mal einen Eindruck zu bekommen, fragte ich Sandra, ob wir nicht einmal tauschen könnten. Da verfinsterte sich die Mine des vorher so fröhlich dreinschauenden Gesichtes. „Ja ja, fahr’ mal ne’ Runde. Ich warte so lange hier. Aber auf das Ding steig’ ich nicht!”, sagte sie mit Blick auf die 125er Shadow.
Ich nutzte die Gelegenheit und war ebenso schnell begeistert wie meine Frau. Als ich anschließend den Rückweg wieder auf der kleinen Shadow antrat, fühlte ich mich irgendwie in die 80 ccm- und Mofa-Zeit zurückversetzt.
Die Entscheidung für den Kauf der CBF war sofort getroffen. Zwischen 6.190 Euro für die Basisversion und 7.800 Euro in Vollausstattung kann jeder seine Wahl finden. Sandra entschied sich für ABS, Hauptständer und ein Koffersystem von Hepko & Becker, weil es noch keine Originalkoffer gab. Inzwischen gibt es schönere Kofferträger, die nicht aussehen, als ob sie eigentlich zum Fernsehempfang gebaut worden wären. Da Frauen im allgemeinen – und meine ganz besonders – gerne frieren, durfte natürlich auch die Griffheizung nicht fehlen. Unsere Wahl fiel auf die alternativ vom Händler angebotene Griffheizung von Daytona, da sie deutlich günstiger war als die original Honda-Griffheizung. Diese Entscheidung entpuppte sich im Nachhinein jedoch als großer Fehler, denn die Paßgenauigkeit der Griffe war unzureichend, und die Zuleitung nicht genug gegen Abknicken geschützt. Durch die aufgrund der eingegossenen Heizfolie nicht zu kürzenden Griffgummis, konnten die Lenkerendgewichte nicht wieder montiert werden. Das sieht nicht nur ziemlich bescheiden aus, wenn man in den offenen Rohrlenker schauen kann, sondern beeinflußt auch erstaunlich stark die Stabilität des Fahrzeugs. Das Bike wurde während des Durchfahrens von Windschleppen beim Überholvorgang von LKW so instabil, daß wir uns nachträglich für die Originalgriffe mit Endgewichten als Schwingungsdämpfer entschieden. Hier gilt es nicht am falschen Ende zu sparen.
Meine Überredungsversuche zur leichten Verkleidung scheiterten. Bekommt man doch für 300 Euro nicht nur besseren Wetterschutz, sondern auch noch besseres Licht und eine vollständigere Instrumententafel aus der Hornet 900. Meine Angetraute war nicht zu überzeugen und vervollständigte das Cockpit lieber nachträglich mit einer Quarzuhr. Über Geschmack kann man bekanntlich nicht streiten. Die Farbe: „Force Silber”.
Die neue Saison war schon mehrere Wochen alt und das Osterwochenende versaut, als endlich der ersehnte Anruf kam: „Deine Maschine ist eingetroffen!”
Seitdem hat Sandra schon mehrere tausend Kilometer auf der Honda zurückgelegt.
Der 4-Zylinder Motor läuft geschmeidig und drehfreudig bis an 11.000 U/min heran. Eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 210 km/h ist durchaus machbar. Wie bei allen Motoren in dieser Hubraumklasse muß für Leistung etwas mehr geschaltet werden. Das macht jedoch mit der CBF viel Spaß, da das Getriebe sauber arbeitet. Die ABS-Bremse setzt in dieser Klasse Maßstäbe. Die Regelvorgänge setzen fein dosierend ein. Dabei handelt es sich um ein relativ einfaches System, das seine Informationen aus einem 16-Bit-Prozessor zieht und dessen Modulator bis zu fünf Regelvorgängen pro Sekunde ermöglicht und auch schon im Silver Wing Roller gut funktionierte. Es ist also kein Wunder, daß sich auch bei den Fahrschulen diese Maschine höchster Beliebtheit erfreut.
Die knapp 220 kg Gewicht sind leicht zu händeln. Die CBF ist die ideale Maschine um auf Landstraßen Kurven zu räubern. Die 160er Hinterradbereifung paßt nicht nur optisch hervorragend zur Maschine. Die Beliebtheit bei Fahrschulen darf nicht darüber hinweg täuschen, daß auch für Fortgeschrittene ein erhebliches Spaß-Potential vorhanden ist. Ganz so flexibel wie die Werbeprospekte es versprechen, ist die CBF allerdings doch nicht. Macht die Werbung uns weis, daß Fahrer zwischen 1,60 m und 1,90 m dank der dreistufig verstellbaren Sitzbank bequem Platz finden, war meiner Frau die Maschine doch noch etwas zu hoch, so daß mit einem Kunstgriff am hinteren Federbein das Fahrwerk noch einmal um 3,5 cm abgesenkt werden mußte. Seitdem paßt es auch beim Rangieren, und es treten keine Unsicherheiten mehr auf. Dafür haben wir nun 350 Euro weniger auf dem Konto und mir ist die CBF mit meinen 1,85 m nun eindeutig zu klein. Aber ich soll sie ja auch nicht fahren und irgendetwas ist bekanntlich immer.
Da wären wir auch schon bei den Kritikpunkten, denn wo viel Licht ist, da gibt es naturgemäß auch etwas Schatten. Viel mehr Licht und weniger Schatten hätten wir uns beim Scheinwerfer gewünscht. Es gibt inzwischen nämlich auch schon klassische Rundscheinwerfer, die ihren Namen mit Recht tragen dürfen. Oder doch besser gleich zur verkleideten Variante greifen.
Auch die sprichwörtliche Honda- Verarbeitungsqualität ist nicht konsequent durchgeführt. Durch mangelnde Paßgenauigkeit kann man in einige Spalten zwischen den Kunststoffteilen Bierdeckel stecken. Praktisch sieht das so aus: Am Heck kann man den ganzen Honda-Werbeprospekt zuzüglich Preisliste und einem Skatspiel in die Spaltmaße schieben. Es beeinflußt zwar nicht die Funktion, aber das Auge von uns Ästheten und Schöngeistern ist doch etwas beleidigt. Ebenso unschön sieht nach einigem Gebrauch die Abgasanlage aus, die sich am Krümmer erst blau, und nach Regen und Spritzwasser braun verfärbte. Obwohl der gesamte Auspuff aus Edelstahl gefertigt wurde und auch Frau’s Liebling im Wohnzimmer überwintern darf, zeigt sich an der Anschlußstelle zum Motorauslaß bereits erste Korrosion. Ansonsten macht der Originalauspuff ordentlich Spaß und gefällt durch den kernig röhrenden Sound der 4in1 Anlage, die sogar mit einem ungeregeltem Kat und Sekundär-Luft-System die Euro 2-Norm erfüllt. Etwas lästig und fummelig ist die Bedienung des Choke. Während der Fahrt läßt er sich nur mühsam wieder reindrücken. Überhaupt ist das Startverhalten des kalten Motors verbesserungswürdig. Meist lassen wir den kalten Motor erst eine halbe Minute warmlaufen, bevor wir losfahren, weil sonst die Gasannahme zu schlecht ist und sogar wieder zum Absterben des Motors führen kann. Wir hoffen auf Besserung nach der nächsten Inspektion.
Fazit:
Die Honda CBF 600 ist ein für den Preis gut gelungenes Motorrad ohne gravierende Schwächen. Sie hat durch ihren Erfolg die anderen Hersteller wachgerüttelt und genötigt, auch einmal über ABS in der 600er Klasse nachzudenken. Das ist gut so. Suzuki versucht bereits mit der 2005er Bandit eine Alternative zu bieten. BMW fängt an zu schwitzen, weil ein großer technischer Vorsprung aufgeholt wird, und die eigenen Bremsanlagen der letzten Generation durch gravierende Ausfälle mehr Ärger als Sicherheit bereiten. Honda hat angekündigt in Zukunft fast alle Modelle mit ABS ausstatten zu wollen. Italien schläft noch….
….und Sandra lauert schon auf die neue ABS-Hornet und beginnt mir schon wieder zu erzählen, was ein „richtiges Motorrad” sei.
Es macht doch Spaß so vernünftig zu sein.
PS: Noch ein Dankeschön an „Lichterwahn” für die Hilfe bei der Erstellung der Bilder.