aus bma 11/03

Text & Fotos: www.Winni-Scheibe.de

Honda CB 450 Black BomberMitte der vierziger Jahre beschloss Soichiro Honda, mit der Herstellung von Mopeds seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Was daraus geworden ist, wissen wir heute – die weltgrößte Motorradfabrik. Im Jahr 1965 setzte der agile Firmenboss mit der Großserienmaschine CB 450 den ersten Meilenstein in der Firmengeschichte. Doch bevor es soweit war, machte Honda San zunächst das dicke Geschäft mit kleinen Zweitakt-Maschinen.

1996 war für das Honda-Werk ein Festjahr. Der japanische Motorradgigant konnte den 50. Geburtstag feiern. Das erste Motorradwerk – wenn man überhaupt von einem sprechen darf – war 1946 eine kleine Holzhütte. Nichtsdestotrotz hatte Soichiro Honda an der Tür ein Schild mit der Aufschrift „Honda Technical Research Institute” angebracht. Dahinter werkelte der Chef höchstpersönlich. Jeder Quadratzentimeter war vollgestellt, Kisten und Kartons aufeinandergestapelt, das Werkzeug lag verstreut im Raum. Es war das reinste Chaos. Kurz nach Kriegsende hatte der pfiffige Techniker nämlich von der Armee 500 Kleinmotoren erstanden, die er, so gut es eben ging, an Fahrräder bastelte. Halterungen, Bowdenzüge, Griffe, Hebel und was sonst noch gebraucht wurde, baute der junge Motorradhersteller selbst. Doch damit hatte er keine Probleme. Hondas Talent zum Improvisieren war in diesem Moment sein größtes Kapital, und das zahlte sich schnell aus. Sein Betrieb wuchs in Windeseile. Bereits zwei Jahre später war der Ein-Mann-Betrieb zu einer kleinen Fabrik mit 34 Mitarbeitern gewachsen, und im September 1948 konnte Honda mit dem Startkapital von rund einer Millionen Yen die „Honda Motor Company Ltd.” gründen.

Genau fünf Jahre lang produzierte das inzwischen größte japanische Motorradwerk ausschließlich Zweitaktmaschinen. Es waren kleine 50 ccm Mopeds, 90 ccm Lasten-Dreiräder und 98 ccm Leichtmotorräder. Im Oktober 1951 brachte man ein für damalige Verhältnisse sensationelles Motorrad auf den Markt. Als Triebwerk diente ein neu entwickelter 146 ccm OHV-Einzylinder-Viertakt-Motor mit zwei Ein- und einem Auslassventil! Die Honda Dream E-Typ leistete 5,5 PS, erinnerte allerdings sehr stark an eine Vorkriegsmaschine aus Deutschland. Maßgeblich verantwortlich für die Konstruktion dieses Motorrades war Hondas Geschäftspartner und Finanzmanager Takeo Fujisawa. In weiser Voraussicht hatte der clevere Kaufmann mit den Argumenten „Viertakter sind leiser, stinken nicht, sind umweltfreundlicher, ihnen gehört die Zukunft” auf der Modellerweiterung bestanden. Der Stein war ins Rollen gebracht, die nächsten Viertakter ließen nicht lange auf sich warten. 1955 präsentierte Honda die beiden OHC-Einzylinder-Modelle Dream SA 250 und Dream SB 350.

Honda CB 450 Black BomberDoch bevor das Werk zum festen Begriff auf dem Motorradmarkt wurde, verdiente man sich die weiteren Millionen Yen zunächst mit 50-Kubik-Mopeds. Genauer gesagt, mit der „Super Cub”. Das seit 1958 gebaute Viertakt-Moped sollte zum Honda-Bestseller werden. Bis Mitte 1983, also genau 25 Jahre nach Produktionsbeginn, wurden weltweit exakt 15 Millionen Mopeds verkauft. 1988 stieg die Zahl auf 18 Millionen, und bis Ende 1995 haben über 25 Millionen (!) Cubs das Werk verlassen.

Doch zurück ins Jahr 1958. Mit diesem „Moped” beschloss der agile Firmenboss den Weltmarkt zu erobern! Für diesen Schachzug gründete er im Juni 1959 eine Werksniederlassung in Los Angeles/USA. Mit aufwändigen Reklamefeldzügen eroberte Honda das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Werbeslogan „You meet the nicest people on a Honda” ging in die Geschichte ein. Aber auch die Musikszene machte sich der fernöstliche Motorradhersteller als Imageträger zunutze. Der Song „Little Honda” von der bekannten kalifornischen Beatgruppe „The Beach Boys” wurde ein Welthit. Insider behaupteten, Honda San habe die populäre Gruppe „gesponsert”.

Auf dem amerikanischen oder europäischen Motorradmarkt hatte Honda allerdings noch nichts zu melden. In den meisten Fällen kannten die Leute den Namen nur vom Hörensagen. Die echten „Männer-Maschinen” kamen von BSA, Norton, Triumph, AJS, Royal Enfield, Velocette, BMW und natürlich Harley-Davidson. Auch mit der 125er OHC-Twin Benly CB 92 von 1959 konnte Soichiro Honda den Donnerbolzen nicht das Wasser reichen. Genausowenig mit der 250er Dream CB 72 von 1961. In den Chefetagen westlicher Motorradhersteller hielt man sich beim Anblick der Honda-Motorräder die Bäuche vor Lachen. Man verspottete sie, und keiner glaubte auch nur eine Sekunde daran, dass aus diesen kleinen Hüpfern mal erwachsene Motorräder werden könnten. Ein gewaltiger Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte.

Von „Abkupfern” oder „Nachbauen” war bei Honda längst keine Rede mehr. Erfahrungen mit hochtourigen und leistungsstarken 125er, 250er und 300er Viertaktmotoren hatten die Renningenieure mittlerweile genügend gesammelt. Mehrzylinder-Technik mit aufwändiger, obenliegender Nockenwellensteuerung via Königswelle oder Stirnrädern, Vier-Ventiltechnik und Kurbelwellendrehzahlen bis 20.000 U/min gehörten bereits zum Standard (siehe bma 6/03: Honda RC 164).

CockpitVon diesen Erfahrungen profitierte natürlich auch die Entwicklung und Produktion der Serienmaschinen. Längst wollte sich Soichiro Honda nicht mehr auf die kleinen Klassen beschränken. Ein richtiges Motorrad musste her. Galten 500 Kubik Hubraum als magische Zahl, begnügten sich die Honda-Techniker jedoch mit 450, oder genauer gesagt mit 444,9 ccm. Doch der luftgekühlte Zweizylinder-Motor der „Dream” CB 450 oder auch CB 450 Super Sport hatte es faustdick hinter den Ohren. Abgesehen von den ersten 46 Maschinen, bei denen die Kolben parallel liefen, flitzten danach die Kolben versetzt, also im 180-Grad- Rhythmus, im Alu-Zylinderblock auf und ab. Das Motorgehäuse war horizontal geteilt, die Kurbelwelle und Pleuel liefen in Rollenlagern. Eine Sensation im Großserienbau waren zweifellos die technischen Innereien des Zylinderkopfes. Den Antrieb der beiden obenliegenden Nockenwellen erledigte eine Steuerkette, und anstelle üblicher Schraubenfedern waren Drehstäbe fürs Schließen der jeweils zwei Ventile pro Brennraum zuständig. Gefüttert wurde der Motor von zwei neuen Keihin-Gleichdruckvergasern mit 36 mm Durchlass. Der konstruktive Aufwand sollte sich lohnen. 43 PS bei 8500/min schickte der Motor über eine Mehrscheibenkupplung im Ölbad, das Vierganggetriebe und die Antriebskette ans Hinterrad.

Das war genug Power, um die knapp 200 kg schwere Maschine auf über 170 Sachen zu beschleunigen. Diese Fahrleistungen brachten 1965 nur Motorräder in der Königsklasse über 500 Kubik Hubraum zustande. Europäische, vor allem die englischen Motorradfirmen waren geschockt. Und weil das schwarze Bike so ein Hammer war, hatte es auch sofort seinen Spitznamen „Black Bomber” weg. Zwar versuchte sich die Konkurrenz mit fadenscheinigen Aus- reden, wie „so ein hochtouriger Motor hält nie, wer will die komplizierte Technik warten und Ersatzteile gibt es sowieso nicht”, herauszureden. Honda CB 450 Black BomberIm Prinzip war das Ende der englischen Motorradindustrie spätestens jetzt beschlossene Sache, auch wenn es noch ein paar Jahre dauern sollte. Die großen Marken, von BSA bis Velocette, hatten die Weiterentwicklung voll verschlafen. Und das sollte sich nun rächen. Bei uns hatte man, abgesehen von BMW, das Geschäft mit Motorrädern auch schon aufgegeben. Aber nicht nur Honda zeigte, wo es bald langgehen sollte, auch Suzuki, Kawasaki und Yamaha brachten in den nächsten Jahren einen Knaller nach dem anderen auf den Markt.

Doch zurück zum „Black Bomber”. Der Motor war zweifellos ein Gedicht, beim Fahrwerk gingen die Meinungen dagegen weit auseinander. Wer die Qualität des Norton-Chassis gewohnt war, durfte sich zu Recht beschweren. Die Federung war knüppelhart, die Dämpfung lasch und die Serienbereifung mies. Junge Motorradfahrer, die dagegen zum ersten Mal auf dem Geschoss saßen, flippten schier aus. Sie kannten nichts anderes, hatten kaum Vergleichsmöglichkeiten, sie waren genau die richtige Kundschaft für die CB 450.

Der „Black Bomber” hatte jedoch sehr ausgewogene Fahreigenschaften. Je nach Lust und Laune ließ sich mit der CB 450 im großen Gang gemütlich über die Chaussee bummeln oder „langliegend”, mit Vollgas versteht sich, über die Autobahn brettern. Das Handling war gut, und für tadellose Bremswirkung sorgte im Vorderrad eine Duplex-Trommelbremse, hinten kam eine einfache Trommelbremse ihrer Aufgabe nach. Wer das Triebwerk immer sorgfältig warmfuhr, brauchte keinen Motorschaden fürchten. Aber was noch viel wichtiger war, der Motor lief relativ vibrationsarm und war vollkommen öldicht. Auch an den Komfort konnte man sich schnell gewöhnen, ein kurzer Druck auf den Schalter des E-Starters und schon surrte der Motor.

Mit der Honda CB 450 begann ein neues Motorradzeitalter. Und so wundert es nicht, dass sich die Fans in zwei Gruppen spalteten. Die einen wollten mit dem modernen Kram nichts zu tun haben, verteufelten den japanischen Schnickschnack, sie schworen weiterhin auf ihre „good old British Bikes” oder auf die so sagenhaft zuverlässige BMW. Die andere Fraktion fuhr dagegen auf die japanischen Maschinen voll ab. Was zählte, waren Power und Speed. Haltbarkeit und Zuverlässigkeit waren kein Thema mehr, die Dinger hielten ja. Und das sprach sich schnell herum. Motorradfahrer, die eben noch die „Reiskocher” verteufelt hatten, kamen Mitte der sechziger Jahre plötzlich mit der Honda CB 450 angebraust…

Technische Daten Honda CB 450 K0 Super Sport, Baujahr 1965

  • Motor: Fahrtwindgekühlter Zweizylinder-Viertakt-DOHC-Motor, zwei Keihin-Gleichdruckvergaser mit 36 mm Durchlass Hubraum 444,9 ccm, Bohrung x Hub 70 x 57,8 mm Leistung 43 PS bei 8500 U/min
  • Kraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, klauengeschaltetes Vierganggetriebe, Sekundärantrieb über Kette
  • Fahrwerk: Einrohrrahmen, hydraulisch gedämpfte Telegabel, Schwinge mit zwei hydraulisch gedämpften Federbeinen
  • Bereifung: Vorne 3.25 x 18, hinten 3.50 x 18
  • Bremsen: Vorne Duplex-Trommelbremsen, hinten Simplex-Trommelbremse
  • Gewicht: 198 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h