aus bma 11/05

Text: Jens Riedel
Fotos: Riedel, Rudolph
www.pressebuero-riedel.de

Honda CB 1300 SBig Bikes sind seit einigen Jahren wieder schwer in Mode, wobei sich angesichts von Hubräumen jenseits der 1600 Kubikzentimeter diese Bezeichnung für Motorräder mit sagen wir einmal 1200 bis 1400 ccm eigentlich überholt hat. Dennoch: XJR 1300, GSX 1400, CB 1300 und ZRX 1200 R sind attraktive Maschinen, die vor allem Motorradfahrer ansprechen, die ein einigermaßen schnörkelloses Motorrad mit ausreichend Dampf unterm Hintern haben wollen. Und irgendwie wecken diese Modelle bei der Ü-40-Generation wegen ihres klassischen Designs auch automatisch ein wenig nostalgische Gefühle. Daß es sich meistens um Naked Bikes handelt, denen der Fahrtwind weit unterhalb der eigentlichen Leistung die Grenzen setzt, stört so gut wie niemanden. Für alle, die es aber trotzdem schade finden, daß man nicht auch mal über etwas längere Distanz auf der Autobahn ordentlich am Gas ziehen oder im Urlaub ein wenig Wetterschutz genießen kann, hat Honda seit einem halben Jahr ein attraktives Angebot im Programm: Die CB 1300 S.
Auch wenn die Maschine noch in Schwarz angeboten wird, am häufigsten geordert wird sie in der äußerst auffälligen weiß-roten Lackierung, wie sie auch unser Testkandidat von Honda Pagel in Hannover aufwies. Die offizielle prosaische Bezeichnung der Farbgebung lautet Pearl Fadeless White mit Arcadian Red. Dahinter verbirgt sich eine Hommage an die CB 1100 RB aus den frühen achtziger Jahren. Lediglich die anthrazitfarbene Seitenverkleidung will da nicht so ganz ins Bild passen, ist aber immerhin farblich auf die Sitzbank abgestimmt.
Auf den ersten Blick weckt die Honda Ehrfurcht. Sie ist immerhin stolze 2,20 Meter lang. So groß die größte CB im Honda-Programm zunächst scheint, sie gibt sich trotz all ihrer Pfunde erstaunlich handlich. Das liegt nicht zuletzt auch am relativ kurzem Radstand von nur 1,51 Metern. Daß die Wuchtbrumme trotz ihres Fahrgewichts von 264 Kilo keineswegs pummelig wirkt, dazu trägt vor Allem auch die schicke Schale bei. Der relativ klein gehaltene Frontscheinwerfer würde auch an einer 600er keineswegs überdimensioniert wirken. Das entenschwanzförmige Heckteil verschlankt die CB 1300 S optisch ebenfalls. Dies wegen der relativ hohen Zylinder sehr breit gebaute Benzinfaß verjüngt sich stark Richtung Fahrer und stößt auf eine schmal zulaufende Sitzbank. Das sorgt für eine äußerst schmale Taille, die bei einer moderaten Sitzhöhe von 79 Zentimetern auch kleineren Bikern den Schrecken vor dem dicken Brocken nimmt.

 

Honda CB 1300 S Aber wie heißt es doch so schön? Auf die inneren Werte kommt es an! Und da hat Honda ein glückliches Händchen. Der bereits aus der nackten Version bekannte Reihen-Vierzylinder mit exakt 1284 ccm Hubraum ist ein echtes Kraftpaket. 116 PS bei 7500 U/min. sind heute nicht mehr unbedingt ein Wert, der einem auf dem Papier vom Hocker reißt, doch über die Art der Leistungsentfaltung sagt die nackte Zahl ja nun einmal so gut wie nichts aus. Hilfreicher ist da schon ein Blick auf das Drehmoment, dessen Maximum mit 117 Newtonmetern bei 6000 Umdrehungen schon eine etwas deutlichere Sprache spricht.
Ab 2000 Umdrehungen nimmt der, per Choke zu startende Motor brav seine Arbeit auf. Richtig wohl fühlt sich das Aggregat aber erst ein wenig später. Ab 3000 Umdrehungen bekommt der Fahrer eine Ahnung vom enormen Potential des 16-Ventilers. Die Honda hängt leichtfüßig und geschmeidig am Gas. Wer die Fünfeinhalbtausend-Marke überschreitet, der bekommt dann noch einmal einen gehörigen Zusatzschub verpaßt. Forsch katapultiert sich die CB 1300 S nach vorne und begeistert durch ein sportliches Temperament, das man ihr so gar nicht zutraut. Spielend leicht legt sich das Schwergewicht in Schräglage und nimmt mit bewundernswerter Leichtigkeit jede Kurve. Wer es drauf anlegt und die Gänge bis 7500 oder 8000 U/min knapp an den Rotlichtbezirk hochdreht, kann auf wenigen hundert Metern Landstraße blitzschnell Tempo 100 erreichen – gemeint sind in diesem Falle ausnahmsweise nicht Stundenkilometer, sondern Meilen! Zu diesem sportlichen Charakter paßt der Verzicht auf einen 6. Gang. Doch auch wer lieber gemütlich bummelt, wird nicht enttäuscht. Bereits ab Stadttempo läßt es sich im 5. Gang durch die Lande fahren. Die flotte Halbschale macht aus der dicken CB keinen Tourer, aber das Langstreckenleben natürlich weitaus angenehmer als auf der nackten Schwester. Honda CB 1300 SAb etwa 150 km/h schüttelt der Fahrtwind auf der Autobahn dann aber doch die Schultern. Jenseits der 180 km/h wird es zudem recht laut unter dem Helm. Zwar erhöht die Verkleidung zweifelsohne den Komfort, aber – so heißt es werbewirksam in der Offenbacher Deutschlandniederlassung – „ohne den Fahrer und Beifahrer dabei völlig vom Wind und das durch ihn vermittelte besondere Gefühl von Kraft, Geschwindigkeit und Freiheit abzuschirmen”. Besser kann man es wohl wirklich nicht formulieren. Apropos Beifahrer. Der findet ebenfalls ein üppiges Sitzpolster vor, thront hoch und hat deshalb gute Sicht nach vorne. Die Soziusrasten könnten einen Tick niedriger postiert sein.
Die Bremsen gehören wie bei Honda nicht anders gewohnt zur zuverlässigsten Sorte. Die 310-mm-Doppelscheibe mit je vier Kolben vorne sorgt für beste Verzögerungswerte und wird hinten durch eine 256-mm Einzelkobenscheibenbremse ausreichend unterstüzt. In Kombination mit dem aus der CBF 600 bekannten ABS verliert auch stärkeres Verzögern jegliches flaue Gefühl in der Magengegend.
Die Antiblockierhilfe vermittelt absolutes Vertrauen und sorgt dafür, daß man deutlich beherzter zupackt als gewöhnlich und entsprechend bessere Bremswerte erzielt. Am Frontpneu setzt das ABS wegen der ohnehin fein abgestimmten Stopper eher selten ein, während es hinten öfter und eher anspricht. Die 600 Euro für das zusätzliche Quentchen Sicherheit und die sechs Kilo Mehrgewicht sollte der Käufer auf jeden Fall auf sich nehmen. Beim Rückgrat setzt Honda auf einen klassischen Doppelschleifenrahmen. Das Heck stützt sich mit zwei Gasdruck-Federbeinen ebenfalls eher konservativ ab und trifft auf eine üppige Aluminiumschwinge, die ausreichende Stabilität garantiert. Ebenfalls aus Aluminium sind die 5-Speichen-Gußräder gefertigt. Die 17-Zoll-Reifen der Maße 120/70 (vorne) und 180/55 (hinten) gereichen beinahe schon den Supersportlern in dieser Hubraumklasse zur Ehre. Der mächtige Endtopf der Vier-in-Eins-Auspuffanlage ist dagegen ein Ausbund an Zurückhaltung. Wer auf Sound steht, der sitzt auf der Honda falsch.
Honda CB 1300 S Der Arbeitsplatz hinter der Scheibe ist aufgeräumt. Zwei Analoguhren werden durch Digitalanzeigen für Spritmenge, Uhrzeit und zurückgelegte Kilometer ergänzt. Der kleine Bordcomputer mit zweifachen Tripmaster erlaubt auch einige Sperenzien wie das „Rückwärtszählen” einer einmal eingegeben Wegstrecke oder gar den Countdown von Tagen bis zum vereinbarten Inspektionstermin beispielsweise. Ein dezentes Blau illuminiert die Anzeigen bei Dunkelheit. Der nicht zu breite Lenker liegt angenehm leicht in der Hand. Ein fünffach verstellbarer Kupplungs- und ein sechsfach einstellbarer Bremshebel tragen ein Übriges dazu bei, daß die Honda so gut wie jedem Fahrer paßt. Der Kniewinkel ist leicht sportlich, ohne auf Dauer zu ermüden. Der zu allem Überfluß auch noch ziemlich tief unter den Ansaugstutzen platzierte Choke fällt dagegen in die Kategorie antiquiert.
Zwei kleine Staufächer in der Verkleidung, eines davon abschließbar, bieten neben dem Tank Platz für die notwendigen Utensilien einer Zigarettenpause, den Snack für zwischendurch und das Handy. Auch unter der Sitzbank läßt sich dank des klassischen Rahmenkonzeptes noch jede Menge verstauen, wobei eine Bügelschloßhalterung vorhanden ist.
Trotz ihrer Masse und ihrer Power paart die Honda CB 1300 S nicht nur Langstreckenkomfort mit Sportlichkeit, sondern erweist sich wegen ihrer erstaunlichen Handlichkeit und den Ablagemöglichkeiten auch als absolut tauglich für den ganz normalen Alltagsbetrieb. Wen schiere Größe bislang abgeschreckt hat, der darf sich von der Honda CB 1300 S jedenfalls eines Besseren belehren lassen. Mit 10.990 Euro ist man dabei. Wer auf das ABS verzichtet, kann 600 Euro sparen, und wer die Verkleidung in den Wind schreibt kommt mit der nackten CB 1300 noch einmal 300 Euro günstiger davon. Doch wer beide Annehmlichkeiten einmal im wahrsten Sinne des Wortes „erfahren” hat, der möchte ungern darauf verzichten.