aus bma 11/11 – Erlebnis der besonderen Art

von Uwe Wilkens

Erwischt von der DVWAm 3. September hatten wir eine Begegnung der besonderen Art: Auf einer größtenteils STVO-konformen Tour wurden wir angehalten. Was war passiert?

Nach der Ortsdurchfahrt Osterholz-Scharmbeck sind wir der K9 folgend mit vorsichtigen 45-50 km/h anderen Fahrzeugen hinterher gefahren. Die Strecke war frisch gesplittet. Anschließend sind wir auf die K11 Richtung Worpswede abgebogen, und ab da folgten wir mit entspannten 55 km/h einem Bus und PKW. Hinter uns zwei weitere PKW. Anschließend gemütliche 70er Zone.

Nach Ende der 70er Zone überhole ich auf der langen geraden Strecke PKW und Bus mit ca. 115 km/h und fahre mit diesem Tempo weiter. Mein Kumpel bleibt zurück. Ein silberner PKW versucht zu überholen, und fährt meinem Kollegen bis auf ca. 2,5 Meter auf. Dieser Typ war ihm schon vorher aufgefallen. Er fü̈hlte sich regelrecht bedroht und genötigt und versucht mit einem leichten Dreh am Gashahn der Situation zu entkommen.

Bis dahin hatte ich bereits ca. 500 Meter Vorsprung. Auf einmal zieht dieses Auto mit ca. 130-140 auch an mir vorbei und der Fahrer winkt mit der Kelle. Boxenstopp an der nächsten Bushaltestelle. Ort des Geschehens: http://g.co/maps/ruaxd

Wer war der Typ? Weißer PKW, OHZ-Kennzeichen, Aufkleber „Deutsche Verkehrswacht”; älterer Herr weißes Hemd mit Aufnäher „Deutsche Verkehrswacht”. Dann hielt der gute Mann uns erstmal einen Vortrag, besonders mein zweiter Mann musste leiden, weil er den Bus wohl mit 140 km/h überholt hat. Er hätte alles auf Video aufgezeichnet, und wenn wir nicht einsichtig wären, müsste er das Band der Polizei übergeben. Natürlich waren wir einsichtig. Geld dü̈rfe er nicht kassieren, daher würde er es bei einer scharfen Ermahnung belassen.

Wieso darf der Typ mit seinem Auto ohne jegliche Sonderrechte harmlose Moppedfahrer kamikazemäßig überholen? Was er anschließend anderen vorwirft!

An sich bin ich nicht lange nachtragend. Aber dieses Erlebnis ließ mir keine Ruhe. Schließlich wollte ich wissen, welche Kompetenzen dieser Strolch hatte. Also schrieb ich folgende Mail an den Bundesgeschäftsführer der Deutschen Verkehrswacht in Berlin:

„Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, wie weit reichen eigentlich die Kompetenzen einiger ihrer Mitglieder?

Scheinbar ist mindestens einer als „Hilfssheriff” unterwegs. Letztes Wochenende waren wir auf einer 2-Personen-Motorradtour durch Norddeutschland unterwegs. Leider trafen wir auf ihren „Motorradjäger”.

1. Darf dieser Herr meinen Kollegen bei ca. 55 km/h in der Ortschaft bis auf ca. 2,5 m auffahren?

2. Darf dieser Herr im Zuge dieser Nötigung seinem Überholwunsch auf diese Art Nachdruck verleihen?

3. Darf dieser Herr anschließend außerhalb der Ortschaft, nachdem er seinen Überholwunsch durchsetzt hat, alle Fahrzeuge mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit ohne Sonderrechte überholen? (Wer Motorräder auf gerader Landstraße überholt, muss deutlich zu schnell sein)

4. Darf dieser Herr, nachdem er sich vor mein Motorrad gesetzt hat, anschließend mit einer „Kelle” in den fließenden Verkehr eingreifen?

5. Darf dieser Herr Verkehrsteilnehmer stoppen?

6. Darf dieser Herr behaupten, er hätte die Verkehrssituation über längere Zeit aufgenommen.

7. Darf dieser Herr, nach einem ausführlichen „Vortrag”, und nach seiner Meinung fehlender Einsicht, dieses Video an Behörden weiterleiten. Dieser Vorfall fand am Samstag, dem 3. September statt. Dieser Herr fuhr mit einem PKW mit „Verkehrswacht”-Aufkleber sowie entsprechend gekennzeichneter Kleidung. Das heißt für mich, dieser Herr führt solche Aktionen mit Wissen/Auftrag/Duldung ihrer Institution aus/durch. Das heißt für mich, Nötigung, deutlich überhöhte Geschwindigkeiten, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Amtsanmaßung bei der „Deutschen Verkehrswacht”.

Das einzig Positive was ich aus dieser Aktion mitnehmen konnte, war nur der Hinweis auf vernünftige rücksichtsvolle Fahrweise. Aber da Ihr Verein schneller und rücksichtsloser ist, mache ich mir meine Gedanken. Zum Abschluss folgende Frage:

Fährt die „Deutsche Verkehrswacht” mit Videomessfahrzeugen? Wenn ja, werden diese Aufnahmen weiter gegeben? Ich hätte gerne eine kurzfristige Reaktion auf dieses Schreiben. Wie steht die „Deutsche Verkehrswacht” zu diesem Vorfall. Meine Wenigkeit und besonders mein Mitfahrer haben uns über diesen Vorfall sehr geärgert, und haben bereits in Motorradforen darüber diskutiert. Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung auf eine Stellungnahme. Falls weitere Infos gewünscht werden, stehe ich ihnen gerne zur Verfügung.”

Innerhalb kürzester Zeit bekam ich folgende Antwort aus Berlin:

„Sehr geehrter Herr Wilkens, vielen Dank für Ihren Bericht. Ihre Fragen kann ich nahezu sämtlich mit „Nein” beantworten – die Verkehrswacht betreibt Verkehrsaufklärung, nicht -überwachung. Die von Ihnen beschriebene Person handelte nicht in unserem Auftrag, vielmehr distanzieren wir uns von solch einem Verhalten entschieden.

Falls Sie nähere Informationen zur Identifikation der Person haben – Nummernschild oder gar Name – wäre ich Ihnen dankbar für Mitteilung. Wir werden den Fall dann entsprechend verfolgen und künftig unterbinden.

Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Schüle, Geschäftsführer, Deutsche Verkehrswacht e.V., Budapester Str. 31, 10787 Berlin (www.deutsche-verkehrswacht.de).

 

Ich habe Herrn Schüle meine Informationen sowie einen Link mit dem Foto von unserem „Freund” zugeschickt und hoffe das der Mitarbeiter links (http://www.publica-ohz.de/img/publica2009/images/Verkehrswacht%20OHZ.html) aus dem Verkehr gezogen wird.

Da nun ja schon einige Tage vergangen sind, werde ich mal eine Testfahrt durch die Gegend machen. In der Hoffnung, dass die Angelegenheit inzwischen geregelt ist. Rückmeldung werde ich be­stimmt nicht bekommen, da so was ja sicher intern geregelt wird.

 

Anmerk. d. Red.: Auf Anfrage per e-mail bekamen wir am 12. Oktober von der Landesverkehrswacht Niedersachsen die Bestätigung, dass der anmaßende „Verkehrswächter” aus dem Verkehr gezogen wurde:

Sehr geehrter Herr Lacroix. Die Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V. bedauert den beschriebenen Vorfall, der sich nach Rücksprache mit der betroffenen Person größtenteils so ereignet hat.

Keinem ehrenamtlichen und auch keinem hauptamtlichen Mitarbeiter ist es erlaubt, Verkehrsüberwachung zu betreiben und wenn es auch nur aus erzieherischem Grund geschehen soll. Die Verkehrswachten üben vielmehr eine wichtige präventive Verkehrsaufklärung aus. Es handelt sich hierbei um einen bedauerlichen Einzelfall, der so in den 60 Jahren des Bestehens der Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V. bei keinem weiteren der über 12.000 ehrenamtlichen Mitgliedern je vorgekommen ist. Die betroffene Person wird nicht mehr als Vertreter der Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V. in offizieller Verbandsfunktion am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Zieseniß, Geschäftsführerin, Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V., Arndtstr.19, 30167 Hannover (www.landesverkehrswacht.de).