aus bma 2/13
Text & Fotos von Frank Siepmann

Guzzi-Gespann WinterreiseSteil geht es bergauf! Die alte Guzzi prustet und schnauft aus beiden Zylindern als ich sie auf einer kleinen, steilen Straße, die bis zu 18% Steigung hat, von Rohrschach, am südlichen Bodenseeufer, hinauflenke zum Luftkurort Heiden. Der Nebel hat uns eingehüllt und von der Ferne her tönt die Hupe einer Zahnradbahn, die sich ebenfalls langsam den Weg nach oben bahnt. Man sieht kaum 30 Meter weit in der zähen Brühe. Langsam erhält die Feuchtigkeit Zugang in meine Motorradkluft und ich fange an zu zweifeln, ob es eine gute Idee war heute eine Motorradtour zu unternehmen. Dann passiert es tatsächlich. Wie von Geisterhand weggeschoben, verschwindet der Nebel urplötzlich und die Sonne umschließt mich mit ihren wärmenden Strahlen. Wunderbar, aber beim Fahren ist erhöhte Vorsicht angebracht. Durch die Sonne fällt der Neuschnee der letzten Nacht von den Bäumen an der Straße direkt auf den Asphalt und es bildet sich eine gefährlich rutschige Schicht. Ich muss schon meine ganze Wintererfahrung mit der Guzzi aufbieten, um das Gespann sicher durch die Schneepassagen zu bringen.

Guzzi-Gespann WinterreiseAm Rossbüchel, oberhalb vom Rohrschacherberg gibt es den ersten Stopp. Auf fast 1000 Höhenmetern bietet sich ein wunderbarer Blick zurück auf das im Nebel liegende „Schwäbische Meer“. Aus meinen Ortliebtaschen ziehe ich mir ein Stück Schweizer Bergkäse für eine kleine Zwischenmahlzeit, bevor es mich über Heiden, Oberegg zügig Richtung Ruppen­- pass zieht. Die Straßen schlängen sich über einen Grat, der den Blick auf das schneebedeckte Alpsteingebirge, mit dem alles überragenden Säntis (2501 m) freigibt, ebenso wie das auf der anderen Seite gelegene Rheintal, welches von einem Nebelmantel eingehüllt ist. Meine Begeisterung ist groß und ich halte immer wieder an, um ein Foto zu machen oder einfach nur die grandiose Sicht zu genießen!

Am Ruppenpass stehe ich vor der Wahl: Bergab ins Rheintal Richtung Altstätten, was für mich feuchter Nebel und frostige Temperaturen bedeuten würde oder aber durch die sanfte Bergwelt des Appenzell. Ich entscheide mich für die letztere Variante und somit für die wärmende Sonne. Westlich umrunde ich mit meinem alten Gespann den Gäbris (1252 m), auf kleinen, kaum befahrenden Straßen. Fast unberührte Schneefelder liegen auf beiden Seiten meiner Route, in denen sich die Sonnenstrahlen in den Schneekristallen tausendfach brechen und eine märchenhafte Stimmung entsteht. Das ist es, was das Motorradfahren im Winter abhebt von sonstigen Touren im Sommer. Man erlebt Wärme/Kälte, Sonne/Schatten noch intensiver!

BrotzeitIch führe meine Tour weiter, zwischen Hundwiler Höhe und Krohnberg geht es über den kleine Ort Gonten auf zur Schwäg­alp (1278 m), dem höchsten Punkt meiner Tour. Ist hier am Wochenende der „Bär“ los, bleibt es in der Woche fast leer und ich gönne mir eine kleine Pause. Auf der Sonnenterrasse an der Seilbahnstation nehme ich einen Kaffeecreme und ein Buttergipfel zu mir.

Gestärkt nehme ich dann den Rückweg unter die Reifen, nicht ohne mir aus meinen Ortliebseitentaschen einen warmen Vliespullover herauszuholen. Die Sonne ist inzwischen hinter den Gipfeln des Alpsteingebirges verschwunden und es wird kühler. Der Chräzerenpass führt mich kurz ins Toggenburg bevor ich die Guzzi über Hemberg zurück ins Appenzell lenke.

Einen letzten Stopp vor dem heimatlichen Bodensee lege ich in Gossau ein. Ein kleines aber feines Motorradmuseum im Zentrum der Stadt erregt meine Aufmerksamkeit. Ein älterer Herr öffnet mir die Tür und scheint erfreut zu sein über meinen Besuch. An die hundert Maschinen aus aller Herren Länder gibt es in dieser privaten Sammlung zu sehen und dazu gibt der Museumsbesitzer immer wieder kleine Anekdoten und Geschichten zu den verschiedenen Krädern zum Besten. Ich vergesse vor lauter Interesse die Zeit und merke erst nach Ende meiner Führung, dass es draußen inzwischen dunkel geworden ist. Eine dreiviertel Stunde später komme ich durchgefroren aber sehr zufrieden zu Hause am Bodensee an. Eine intensive Motorradtour geht zu Ende mit Nebel, Sonne, Wärme und Kälte. Nicht jedermanns Sache, aber wer spezielle Erlebnisse mag, sollte Wintertouren mit dem Motorrad einmal versuchen!

Guzzi-Gespann WinterreiseKleine Tourentipps für den Winter:

Achtung, es besteht immer Rutschgefahr, vor allem in schattigen Wegstücken und Waldgebieten. Daher sollte gerade im Winter genug Profil auf den Reifen sein. Ich fahre daher im Winter mit Stollenreifen am Hinterrad und habe so etwas besseren Grip auf dem Asphalt. In der Schweiz gibt es übrigens keine Winterreifenpflicht wie daheim in Deutschland.

Motorrad: Es handelt sich bei der Maschine aus dem Bericht um eine Moto Guzzi 850T mit Squire ST2 Seitenwagen, Bj. 74. Im Winter achte ich natürlich vor allem auf eine exakt eingestellte Zündung und Öl, welches der Minustemperatur angepasst ist. Auf dem Lenker sind Handstulpen moniert, die mir warme Hände garantieren, in Kombination mit elektrischen Heizgriffen. Ist man mit Gepäck unterwegs, sollte man daran denken, dass Kofferschlösser zufrieren können. Daher benutze ich im Winter Seitentaschen mit Rollverschluss, die ebenfalls absolut wasserdicht sind (Fa. Ortlieb) aber nicht einfrieren können. Da am Kopf im Winter unter dem Helm eine Maske getragen werden sollte, darauf achten, dass der Helm so nicht zu eng wird und drückt. Am C3 von Schuberth kann man z.B. etwas Polster entfernen, er bietet sich dadurch für den Winter besonders an.

Literatur für eine Motorradtour durch das Schweizer Appenzell bietet der Baedekerführer Schweiz, Schweiz, ISBN 978-3-82971071-8 und der handliche Marco Polo Führer, Schweiz, ISBN 978-3-8297-0548-6 vom MairDumont Verlag. Der gleiche Verlag bietet in der Marco Polo Reihe auch gute Straßenkarten an; ISBN 978-3-8297-3871-2, Schweiz.