aus bma 11/03
von Kadderine Pahnke
Und wieder ist es soweit: ein Urlaub in fernen Landen soll bestanden werden. Die Wahl fällt auf Frankreich mit Start in den Pyrenäen. Und da die Bahn eben immer kann, gibt’s diesmal eine Passage für 206 Euro bis Narbonne. Das Verladen in HH-Altona geht recht zügig vonstatten, nur das Verzurren der Motorräder dauert am 8. Mai etwas länger, da die junge Frau sehr zögerlich zur Tat schreitet. Meine Oma wird durch das Personal neben einer zahnbürstengepflegten Harley platziert. Herrje – die Besitzerin blickt ängstlich/angewidert auf das japanische Fahrzeug, fürchtet sie wohl Rost- und Peekbefall bei ihrem Putz-Zeug. Die Fahrt verläuft super (herzliche Grüße an Sonja und Heiko aus SL und den Geistlichen aus HB), pünktlich erreichen wir den Zielbahnhof Narbonne.
Von dort habe ich eine Strecke durch die Corbières geplant. Auf der D 10 und D 14 fahre ich über Lézignan, Fabrezan, Talairan Tuchan zum Gorges de Galamus. Eine sehr schöne Strecke aus guten, kurvenreichen Straßen. Die Warnungen für Steinschlag sollte man ernst nehmen. Das letzte Stück Straße durch den Gorges de Galamus ist sehr eng, teilweise mit Felsüberhängen, kaum einzusehen, aber atemberaubend schön. Glücklicherweise habe ich zwei Autos vor mir, so dass ich die Aufmerksamkeit auf die Landschaft richten kann. Weiter über St. Paul de Fenouillet, Sournia nach Prades. Der Pic du Canigou hat noch eine Schneekappe! Auf der N 116 geht es weiter gen Mont-Louis. Eigentlich will ich den Four solaire – einen riesigen Sonnenspiegel – in Augenschein nehmen. Da es aber mittlerweile schon recht spät und kalt ist (+ 8° C), biege ich auf die D 118 über den Col de la Quillane (1713 m üb. NN) in Richtung Formiguères ab. Die Strecke führt durch den Gorges de l’Aude und den Gorges de St. Goerges, wo das blanke Wasser über die Straße läuft. Dieses Phänomen soll mich noch durch die Pyrenäen begleiten, denn es ist Schneeschmelze und die Rinnsteine bzw. Gräben sind offensichtlich zu klein dimensioniert. In Rodome gibt es ein Zimmer in der Jugendherberge.
Es ist recht frisch, da die Heizung ihren Dienst quittiert hat und auch noch Regen einsetzt. Dieser hält bis zum nächsten Nachmittag an. Aber auch Regenrennen müssen gefahren werden, und so setze ich die Fahrt über Quillan, Limoux, Castelnaudary, Villefranche d.L., Nailloux gen St. Gaudens fort. Auch dort gibt es eine aufnahmewillige Jugendherberge.
Der nächste Morgen lockt mit einem wolkenverhangenen Himmel. Ich will einen Abstecher nach Spanien machen und lasse mich von derartigen Kleinigkeiten nicht abschrecken. Über Barbazan auf die D 331 in Richtung St. Béat und auf der N 125 zur „Grenze” ins Vall d’Aran bis Vielha.
Da die spanischen Berge leider im Nebel verschwinden, trete ich die Rückfahrt an. Von St. Béat geht es auf der D 44 über den Col de Mente (1349 m üb. NN). Und wieder Wasser auf der Straße, oben Nebel und Schneereste. Bei der Abfahrt in Richtung Aspet bin ich mir zeitweise nicht sicher, ob es sich bei dem Wasser vielleicht auch um Glatteis handelt… In Salies du Salat scheint aber wieder die Sonne. Dieser Himmelskörper bleibt mir für den Rest der Fahrt – bis auf zwei einstündige Unterbrechungen – hold.
Am nächsten Morgen geht es weiter gen Lourdes. Das Panorama, welches mich ab Lannemezan begleitet, entschädigt für alles. Bei einer Pause auf einem Picknickplatz am Fluss werde ich von Madame Inconny mit leckerstem Reissalat sowie Baguette mit Ziegenkäse verköstigt. Wahrscheinlich, weil ich aus Allemagne bin und so verhungert aussehe… Die amerikanische Verwandtschaft der Dame hält noch einen Plausch mit mir und meint, ich wäre very tough so ganz alleine.
Über Oloron, Barcus und St. Jean geht es weiter zum Valée des Aldudes. Herrliche Straßen, viele Kurven, doch leider eine verschlossene Herberge. Da ich auch nicht unbedingt nach Spanien weiterfahren will – bis Pamplona sind es noch ca. 40 km – mache ich kehrt und steuere Anglet bei Biarritz an. Eine kleine Hürde ist allerdings noch zu nehmen: eine kleine, aber führungslose Ziegenherde beansprucht die Fahrbahn für sich. Rechte Hand die Bergwand, links der Abgrund und keine Koppel in Sicht. Ein nachfolgender Franzose zeigt mir dann wie man(n) es macht: einfach durch und weg, die Tiere sortieren sich schon irgendwie oder auch nicht. In Anglet gibt’s ein Zimmer mit vier anderen Frauen und zahllosen Ameisen.
Am nächsten Tag fahre ich weiter in Richtung Bordeaux. Mittlerweile zeigen die Außenthermometer +33° C, und vor mir liegt eine end- und baumlose Weite. Man gönnt sich ja sonst nichts. Doch irgendwann steht auch der Hinweis „Dune de Pyla” am Straßenrand. Bei Pyla-Camping – einem der insgesamt vier Campingplätzen an der größten Wanderdüne Europas – miete ich ein Mobilhome für zwei Nächte (Minimum). Dank der Vorsaison ist der Platz nur geringfügig belegt, der angrenzende Supermarkt allerdings auch. In Biscarrose erhält man bei E.Leclerc alles -inklusive einem Rotwein- für 0,71 Euro! Der Gourmet wird sich natürlich schütteln, aber das „Zeug” lässt sich recht gut verkosten und blind macht es auch nicht.
Vor dem Abendessen zieht es mich auf die Düne. Über eine fast im Sand ertrunkene Leiter bzw. Treppe gelangt man auf das ca. 118 m hohe Plateau. Die schweißtreibende Kraxelei durch den Sandsturm wird mit einer grandiosen Aussicht auf den Atlantik belohnt.
Der nächste Tag bietet sich für eine Fahrt durch Medoc an. An der N 215 stehen schwarze Pappkameraden. Einige Kilometer weiter klärt ein Schild die Sache auf: 48 Tote in sieben Jahren! Die Zahlen sind schon übergeklebt – es nützt also nichts. Des Weiteren steht an jeder dritten Abfahrt das Hinweisschild „Déchetterie”, was banal mit „Deponie” übersetzt werden kann. Ist das die Ursache für Kopfschmerzen nach Rotweingenuss? Ich fahre über die kleinen Nebenstraßen durch die Weinfelder zurück. Einige Chateaux sind wahrlich sehr fotogen…
Am Abend gehe ich die Düne von einer flacheren Seite an. Unterwegs treffe ich noch einen älteren Herrn mit Hund. Monsieur spricht mich an und erklärt mir, dass die vorgelagerte Insel ein Vogelreservat ist. Er fragt, woher ich komme. Oh, Allemagne – welch schöne Musik! Er intoniert eine Arie und der Hund heult auf. Er setzt erneut an – mit gleichem Erfolg. So kann man auch mit kleinen Sachen den Lieben eine Freude machen! Die Thermik an der Düne wird gerne von Paraglidern genutzt. Am Wasser sitzend beobachte ich einen Mann, der zeitweise sogar einen kleinen Hund auf dem Schoß hat. Er macht sich einen Jux daraus, die Leute beim Herab- und Hinaufklettern durch dichtes Vorbeisegeln fast umzuwerfen.
Nach einer Nacht mit Käutzchengeschrei geht es weiter auf der D 43 über Sore nach Langon. Kaffeepause im Schatten bei Mc Do. Der Kaffee ist widerlich – beurk! Also weiter über Marmande nach Cadouin. Die dortige Herberge befindet sich in einer Zisterzienser-Abtei aus dem 12. Jahrhundert. Das Gebäude gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Von Cadouin aus besuche ich noch die Grotte von Lascaux. Sie wurde in den 40er Jahren von Kindern entdeckt, deren Hund beim Spielen in den unterirdischen Zugang fiel. Sie erzählten ihrem Lehrer von den Tierbildern, die sie dort an den Wänden gesehen hatten. Heute kann man die originalgetreu nachgebaute Höhle in der Nähe von Montignac besichtigen. Die ca. 200 m entfernte, „echte” Grotte wurde für den Publikumsverkehr geschlossen, da die Malereien zu verfallen drohten. Im „Espace Cro-Magnon Le Thot” bei Thonac sind nicht nur prähistorische Tiere zu beäugen, sondern dort wird auch ein Informationsfilm über die Arbeiten der Grotten-Nachbildung gezeigt. Im Périgord gibt es noch wesentlich mehr Höhlen und Grotten zu bestaunen, z.B. La Grotte du Grand Roc nordwestlich von Sarlat.
In Bugue entdecke ich Frankreichs Antwort auf Feinkost-Albrecht: Leader-Price! Sehr günstig, frisches Obst und Gemüse und lecker Bier (die „Vollendung der Deutschen Braukunst” – Kronenbräu aus Koblenz).
Weiter geht die Reise über Cahors und Figeac, ab St. Gery durch das Valée du Lot. Eine schöne Strecke direkt am Fluss. Von Aurillac nach Mauriac, wo ich mich verfahre, weil ich zu faul bin, die Karte zu konsultieren. Die ersten 15 Kilometer der Straße nach Ussel sind in sehr desolatem Zustand. Besonders in den nicht einzusehenden Kurven ist die Fahrbahn teilweise erheblich abgesackt; die Landschaft ist wie immer sehenswert. Auf der N 89 von Ussel nach Clermont-Ferrand zeigt sich erhöhte Blau-Präsenz. Die Herren lassen mich aber des Weges ziehen und bemühen sich mehr um die Einheimischen. Über den Vulkanen der Auvergne drohen seit geraumer Zeit dicke Regenwolken. Zum Glück erreiche ich die Herberge vor deren Platzen. Auf dem Zimmer ist neben zwei Frauen aus Belgien auch eine Australierin mit Rucksack, die mindestens 70 Lenze zählt. Sie ist alleine in England und Frankreich unterwegs – das nenn‘ ich tough! Wir essen alle zusammen im Aufenthaltsraum, während der Herbergsvater vorm Fernseher liegt.
Am nächsten Morgen gibt es ein trés Petit déjeuner. Der Regen begleitet mich dann noch für eine Stunde in Richtung Norden über Bourges nach Blois. Dort überquere ich die Loire, um nach Beaugency zu gelangen. Die Herberge ist fast ausgebucht, aber der nette junge Mann bemüht sich so sehr um seine Gäste, dass ich noch einen „eigenen” Schlafraum bekomme. Als ich von dem Abendspaziergang an der Loire zurückkehre, liegen noch drei Rucksäcke im Zimmer. Drei junge Australier – ein Mann und zwei Frauen – haben sich hinzugesellt. Sie kochen gerade ihr Abendessen, und ich werde herzlich eingeladen, dieses mit ihnen zu teilen. Im Gesprächsverlauf versuche ich den Dreien zu erklären, was „Rocker” in unseren Sprachgebrauch bedeutet. Kein leichtes Unterfangen, aber wir haben viel Spaß.
Am Sonntag gibt es an der Loire nur eine wichtige Sache: Schlösser bewundern. Ich fahre zuerst nach Cheverny – anfangs im Nieselregen. Von dort weiter nach Chaumbond, über Thoury. Man fährt so durch den weitläufigen Schlosspark, sieht auch schon das eine oder andere große Wildtier und entgeht dem Touristenansturm, der sich von der anderen Seite heranwälzt. Die Schlösser kann man getrost auch nur von außen bestaunen. Im Inneren sehen sie sich meistens sehr ähnlich. Bei der Kaffeepause in einer bekannten Schnellrestaurant-Kette treffe ich auf einen Herrn aus dem Pütt, der mit seiner R 1150 GS auf dem Weg nach Südfrankreich und Spanien ist. Im Benzingespräch erwähne ich, dass meine Oma nun doch schon 270.000 km auf der Uhr hat. Er zeigt sich auf’s Schwerste beeindruckt. Am Montag geht es weiter über Orleans, Joigny nach Chaumont. Unterwegs erwische ich Teile der Touristenroute durch die Champagne – landschaftlich auch sehr reizvoll.
Da die Herberge in Chaumont geschlossen ist, fahre ich weiter nach Gray. Doch auch dort bekomme ich keine Unterkunft. Ausgebucht, ebenso wie in Vesoul, wo der Herbergsvater noch anruft. Tja, Pech Mariechen. Aber irgendwo wird es ja ein kleines Hotel oder ähnliches geben. Denke ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn und fahre weiter. Kein Hotel, keine Tankstelle und dann auf Reserve schalten. Aber zum Glück gibt es Gy, ein verschlafenes Nest zwischen Gray und Vesoul, mit einer leider geschlossenen Tankstelle, die sich mitten im Dorf befindet und zwei Säulen hat, sowie dem Drei-Sterne-Hotel „Pinocchio”. Für 50 Euro werde ich dort Gast in einem Einzelzimmer mit Frühstück. Und am Dienstag hat dann auch wieder der am Ortsrand gelegene Supermarkt seine Pforten und die dortige Tankstelle geöffnet, so dass ich die Fahrt in Richtung Heimat um einiges erleichtert fortsetzen kann…
Fazit: HIN!! Nach 5.000 km in zwei Wochen ist mein Sitzfleisch zwar arg strapaziert, dafür habe ich aber auch fast alles gesehen. Die Franzosen sind nett und hilfsbereit, man muss sich halt ein wenig um die Landessprache bemühen. Deutsch und Englisch sind nicht unbedingt die beliebtesten Sprachen…
—
Kommentare