aus bma 01/08

von Frank Sander

Finnland - 100 Seen und baltische Kultur in 8 TagenDie Tour führte uns und die beiden Harleys mit „Superfast operated by Tallink” nach Südfinnland und Estland. Der Trip startete in Hamburg, wo die Harleys vom SKS Bikeshuttle wie immer pünktlich angeliefert wurden, und wir eine Heritage Softail so wie eine Night Train übernahmen, um sie neun Tage später bei Harley Hamburg Nord mit ca. 2200 Kilometern mehr auf dem Tacho wieder abzugeben.
Bei Regenwetter starteten wir in Richtung Rostock zum Hansa-Hafen. Das Einchecken am Counter von Superfast operated by Tallink verlief vorbildlich, und so konnten wir unsere Kabine an Bord der Fähre schnell beziehen, um dann mit den anderen an Bord gegangenen Bikern in der gemütlichen Bordbar ein Getränk zu nehmen. Die Überfahrt verlief, wie fast immer auf der Ostsee so ruhig, daß weder Wellengang noch Sturm uns Landratten seekrank machte, und somit konnten wir die erstklassige Verpflegung an Bord genießen und auf dem Deck reichlich Sonne tanken.
Nach dem Anlegen in Finnland war nichts von dem zu spüren, was wir befürchtet hatten. Weder lange Schlangen vor dem Zoll noch schikanöse Zollkontrollen störten unsere Neugier nach den Straßen und Menschen. Nach einem kurzen Check der Personalausweise ging es ab auf die weiten Highways von Südfinnland. Als eingefleischter USA-Freak war ich überrascht von dem guten Zustand der Straßen und vorweg sei gesagt, ich habe noch nie so nette und zuvorkommende Autofahrer erlebt wie in Finnland und Estland. Beim Überholen machen sie Platz und lassen einen Biker auch gern mal bei einer Ausfahrt oder Kreuzung vorbei.

 

Vom Anlegehafen in Hanko, einer der Städte mit dem längsten Strand Finnlands, ging es über die „Kings Road” in das Binnenland, wo wir von der Natur und den Bauwerken absolut beeindruckt wurden. Die „Kings Road” führt an vielen Sehenswürdigkeiten vorbei und ist landschaftlich überaus empfehlenswert. Der Weg führte uns über Tamiisari, einer Stadt mit wunderschönen Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert weiter nach Fiskars, einer Stadt in der die Metallverarbeitende Industrie des 19. Jahrhunderts auch heute noch präsent ist. Weiter über Mustio, wo das größte Holzgebäude Finnlands aus dem 18. Jahrhundert steht, welches nun ein Museum ist, nach Tuusula, in dessen Umgebung sich das Ainola Heim und das Atelier von Peka Holonen, einem über die Grenzen Finnlands hinaus bekannten Künstlers, befindet.
An der Stadtgrenze von Tuusula im Hotel Krapihovi war auch unsere erste Übernachtung geplant. Ein nettes Hotel mit unglaublich großen Zimmern und mit einem See, an dem man abends den Sonnenuntergang bewundern kann, war der Lohn für den ersten Tag. Selbst die Angler, die an jedem See zu finden sind, waren nicht sauer als wir direkt neben ihnen mit den donnernden Harleys anhielten, sondern boten uns einen Vodka an und zeigten stolz ihre Fänge der letzten Stunden, was sofort den Appetit auf frisch gegrillten Fisch anregte.
Früh morgens, ohne Vodka im Blut, machten wir uns auf den Weg ins ca. 300 Kilometer entfernte Imatra. Der Weg führte uns nach Porvo, der zweitältesten Stadt Finnlands, die durch kleine Shops, einen kleinen Markt und einen Yachthafen einen unglaublichen Charme verbreitet. Sie verkörpert die Gegensätze zwischen alt und neu. Mit etwas Regenpech schwammen wir in Richtung Küste, vorbei an Fischerdörfern und alten Küstenstädten wie Loviisa, Kotka und Hamina in Richtung russischer Grenze. Auf der Küstenstraße ist etwas Vorsicht angesagt, da dort die Autotransporter und Autos der Luxusklasse mit osteuropäischen Kennzeichen unterwegs sind, die es scheinbar mächtig eilig haben, ihre westlichen Autos über die Grenze zu bringen.
Am Abzweig nach Laapenranta staut der Verkehr sich etwas, denn dort ist die russische Grenze an die man bis auf wenige Meter heranfahren kann. Nach einer weiteren Stunde und herrlich kurvenreicher Straße erreichten wir Imatra, wo wir unseren Augen nicht trauten, als wir das Schloß sahen, in dem wir eingebucht hatten. Gerade noch rechtzeitig checkten wir ein um die Öffnung der Schleusen des Stausees zu sehen. Von einer Brücke und den umliegenden Wegen hat man einen traumhaften Blick auf das Spektakel, wenn sich das Flußbett mit Wasser und Gischt füllt. Nach Sonnenuntergang ging es zum wohlverdienten Abendessen in einem Restaurant gegenüber des Schloßhotels, und wie sollte es anders sein, man kam schnell ins Gespräch mit einheimischen Bikern, die einem gute Tips für Touren und Bars gaben, die wir am Abend ausgiebig besuchten.
Nach einem guten Frühstück enterten wir die Straße Nr. 6 Richtung Helsinki, die bestens ausgebaut ist. Wir machten einen Abstecher nach Laapeenranta, das durch einen Kanal mit der Ostsee verbunden ist und somit zu den wichtigsten Städten der Region gehört. Am Hafen trifft man auch immer wieder auf Biker, die sich an einem der vielen kleinen Imbißbuden treffen. Ein weiterer Abstecher in das Museumsdorf von Verla bei Jaala ist sehr empfehlenswert, da es sich sogar um ein Unesco Weltkulturerbe handelt. Nach dieser gnadenlosen Kulturspritze waren wir hungrig nach Stadt- und Nachtleben, von dem es in der Hauptstadt Helsinki reichlich gibt. Also Gashahn aufdrehen und los. Für Helsinki sollte man sich auf jeden Fall etwas Zeit nehmen und die Bars und Cafés genießen, die dort an jeder Straßenecke zu finden sind.
Finnland - 100 Seen und baltische Kultur in 8 TagenEs herrschte reger Verkehr in den Straßen von Helsinki, die zum Teil mit Straßenbahnschienen und Kopfsteinpflaster ein gemütliches Flair vermitteln, jedoch etwas mehr Konzentration beim Fahren erfordern. Ein guter Tip war es, eine Stadtrundfahrt zu machen, denn dort sieht man alles und kann sich ganz entspannt auf die Bauwerke und die teilweise schrill gekleideten Einwohner konzentrieren. An der Stadtgrenze und den Häfen geht es dann wieder gemächlicher zu und auch hier trifft man bis weit nach Sonnenuntergang jede Menge Biker, die an den kleinen Imbiß- und Kaffeebuden genau so viel über Benzin und Bikes quatschen wie auch an heimischen Treffpunkten. Für das Nachtleben war leider nicht viel Zeit, aber zumindest ein Big Meal bei einer bekannten Fast Food Kette lag noch drin, bevor es am nächsten Morgen mit der Fähre nach Estland ging.
Die knapp zweistündige Überfahrt mit der Autoexpressfähre von Helsinki nach Tallinn gestaltet sich in bequemen Sitzen mit einer ansehnlichen Auswahl an Getränken und Snacks sehr angenehm. Der Zoll ist sehr entspannt, achtet jedoch genau auf Fahrgestellnummern und Kennzeichen (Achtung: Immer die Fahrzeugpapiere bereithalten). Durch eine recht gute Ausschilderung fanden wir den Weg aus der estnischen Hauptstadt sehr schnell, denn unser Tagesziel war das Tehumardi Recreation Center, hinter dem sich ein Campingplatz mit Holzhütten und einem Bungalow verbirgt, welches sich auf der estländischen Ferieninsel Saaremaa befindet. Am Ende der Stadt Tallinn war auch vorläufig Schluß mit guten Straßen.
Ein Wechsel zwischen nagelneuen EU-geförderten Straßen und Straßen der Kategorie geschüttelt und gerührt erfordert beim Fahren einige Aufmerksamkeit, was jedoch durch sehr wenig Verkehr relativiert wird. Ein Besuch des Episcopal Castle und des Bahnhofes mit angeschlossenem Museum sind ebenso fast schon Pflicht, wie auch die Besichtigung Stadtkernes von Haapsalu mit seinen Holzhäusern, die einem das Gefühl geben, daß die Zeit hier stehen geblieben ist. Der weitere Weg zur Fähre nach Haapsalu ist durch ebene und waldige Landschaft geprägt, bei der man extrem entspannt Cruisen kann. Nach kurzer Wartezeit an der Fähre erwarteten uns auf der Insel wesentlich bessere Straßen als auf dem Festland und leider auch Regen.
Hungrig und naß erreichten wir Tehumardi, ein kleines Dorf mit lediglich einem Einkaufsladen und historischer Bedeutung. Genau dort wo der Campingplatz sich befindet, fanden schwere Kämpfe zwischen Deutschland und Rußland statt, wovon heute noch ein Friedhof und viele deutsche Besucher zeugen, die dort nach den Spuren ihrer Vergangenheit suchen. Vergangenheit sind auch die Meteoriteneinschläge in Kaali, von denen viele kleine und ein über 100 Meter großer Krater zeugen, an dem ein Museum errichtet wurde. Weiter auf den Spuren der Vergangenheit besuchten wir die Windmühlen von Angla, die zu einem der Wahrzeichen von Saarema gehören. Da der Wind erneut einige dunkle Regenwolken in unsere Richtung blies, drehten wir wieder einmal am Gasgriff und fuhren unserem nächsten Ziel, der Ammende Villa in Pärnu entgegen. Die Villa hat recht wenig mit Bikerkultur zu tun, doch eine Übernachtung gehört sicherlich zu den Highlights einer Estland-Tour. Mit Originalen und auch Rekonstruktionen aus dem 18. Jahrhundert ist die Villa das, was man einen der stilvollsten Orte nennen kann, die wir je gesehen haben. Egal ob das Billardzimmer, der Speisesaal, das separat zu buchende Dinner for 2 im Turm oder der Garten mit dem obligatorischen weißen Springbrunnen, alles ist perfekt. Zwar nicht wirklich günstig, doch sehenswert.
Finnland - 100 Seen und baltische Kultur in 8 TagenAuch die Stadt Pärnu ist sehenswert. Alte Gassen mit Straßencafés und neue Gebäude bestimmen das Stadtbild des Ostseebades, welches zu den beliebtesten Reisezielen in Estland zählt. Unser nächster Weg führte uns in die ca. 140 Kilometer entfernte Hauptstadt Tallin, die aus absoluten Gegensätzen besteht. Auf der einen Seite die gut erhaltene historische Altstadt mit kleinen Cafés und Restaurants. Auf der anderen Seite brandneue, riesige Einkaufszentren, neue Hotels und Menschen, die sich mit Gucci, Prada und neuen Luxusautos schmücken. In einer der am schnellsten wachsenden Städte der Welt wird viel Geld mit Industrie verdient und dort wo Geld ist, schießen natürlich auch Amüsierlokale wie Pilze aus dem Boden, in denen, so sagt man, viele osteuropäische Gastarbeiterinnen tätig sind. Wir fanden einen Bikers-Pub, an dem leider in der Woche nicht viel los war, doch am Wochenende geht die Post mit Livebands, Table Dance und anderen Shows ab, wie überhaupt die Stadt Tallinn eine absolute Partyhochburg ist.
Leider geht jede Reise einmal zu Ende, und so blieb uns nur noch die Fähre nach Helsinki, um dann die letzten 130 Kilometer nach Hanko unter die Räder zu nehmen, die locker in knapp zwei Stunden zu schaffen sind. Gegen 18 Uhr checkten wir am Superfast operated by Tallink Terminal ein, um unsere Bikes mit den ausreichend vorhandenen Gurten zu verzurren. Zum Abschluß gönnten wir uns an Bord natürlich noch das Abendbuffet, und vor allem ließen wir uns im Wellnessbereich verwöhnen, um nach dem Whirlpool an der Bar mit den anderen Kradlern über die tolle Tour zu reden und ein bis drei Bier zu vernichten. Nach weiteren zwei Mahlzeiten an Bord und 24 Stunden später legten wir in Rostock an und übergaben die Harleys in Hamburg an SKS, die die Öfen wieder nach Mörfelden ins Harley Hauptquartier brachten. Wir beendeten unsere Tour und Minikreuzfahrt mit der Sicherheit, daß Finnland zwei neue Fans gewonnen hat.
Übrigens: SKS transportiert nicht nur für Firmen, sondern auch privat, so daß man sich das lästige Fahren auf deutschen Autobahnen sparen kann und mit einem der vielen Billigflieger nach Rostock fliegen kann, um dort sein Bike entgegen zu nehmen.