aus Kradblatt 3/20 von Jörg „Jogi“ van Senden, penta-media.de

Enduro-Spaß ganz in der Nähe …

Endurotour am Nord-Ostsee-Kanal

Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) ist eine der meist befahrenen Wasserstraßen Europas. Jedes Jahr passieren in etwa 30.000 Schiffe den knapp 100 km langen Kanal zwischen Brunsbüttel und Kiel-Holtenau. Sie ersparen sich damit im Schnitt 460 km Seeweg über Skagen und die damit verbundenen Zeiten und Brennstoffkosten. Die Befahrung des Kanales kostet jedoch Gebühren, die nach der Größe der Schiffe gestaffelt sind. 

Bereits der zwischen 1777 bis 1784 gegrabene Vorläufer des NOK, der Eiderkanal, verband die Nordsee mit der Ostsee. Er verlief von Kiel bis Rendsburg, von dort aus in die Eider, die kurz hinter Tönning in die Nordsee mündet. Die Durchfahrt dauerte allerdings drei bis vier Tage. Der Kanal markierte die damalige Grenze zwischen Süd-Schleswig und Holstein. Sein Bau wurde durch den Dänischen König Christian VII veranlasst.

Klappbrücke am Gieselau-Kanal Große Projekte haben oft einen militärisch-strategischen Hintergrund. Der Deutsch-Dänische Krieg gab 1864 den Anstoß dazu, dass sich Otto von Bis­marck für den Bau des NOK einsetzte, um so eine Möglichkeit zur Verlegung der Flotte zwischen Ostsee und Nordsee zu finden, ohne an den Kanonen der Dänen vorbeizumüssen. Seine Idee wurde jedoch zunächst wegen des hohen Aufwandes abgelehnt. 

Erst auf Anordnung Kaiser Wilhelm II wurde 1883 an der Planung des Projektes weitergearbeitet, jedoch begrenzt auf das Notwendigste, um die Kaiserliche Deutsche Flotte bewegen zu können. 

Der Bau begann schließlich im Jahre 1887. 8.900 Arbeiter bewegten in den folgenden Jahren über 80 Millionen Kubikmeter Erdreich, bis der Kanal 1895 unter dem Namen „Kaiser-Wilhelm-Kanal“ eingeweiht und in den regelmäßigen Betrieb genommen wurde. Die Kosten des Kanalbaues beliefen sich auf 156 Millionen Mark, ohne dabei das vorher veranschlagte Budget zu überschreiten. Die damaligen Politiker und Architekten konnten noch rechnen und kalkulieren. 

Während des Krieges wurde der Kanal wegen seiner strategischen Wichtigkeit extrem mit Flakgeschützen gegen feindliche Flugzeuge gesichert, so dass er über die ganze Kriegszeit hinweg befahrbar blieb und praktisch nicht beschädigt wurde.

Mit Teamwork aus dem Schickloch - Endurotour Nord-Ostsee-Kanal Im Laufe der Jahre wurde er für die wirtschaftliche Nutzung ausgebaut, so dass auch größere Frachter ihn befahren können. Zurzeit ist er für Schiffe bis 235 Meter Länge und 32,5 Meter Breite befahrbar. Der Tiefgang der Schiffe darf 9,50 Meter nicht überschreiten. 

Der Kärcher wird es richten... Um den Kanal befahrbar zu halten, werden jährlich 6,5 Millionen Kubikmeter Nassschlick im Bereich Brunsbüttel mit Saugbaggern und Baggerschiffen aus der Fahrrinne geholt. Weitere 100.000 Kubikmeter Erosionsmaterial werden zusätzlich aus den restlichen Kanalabschnitten geholt und zum Teil auf die angrenzenden Spülfelder befördert. So wird der Kanal auf einer durchgängigen Tiefe von 11 Metern gehalten. 

Auch die Böschungen müssen ständig gewartet werden, obwohl die Schiffe zur Vermeidung von größerem Schwall nicht schneller als 15 km/h fahren dürfen. Dazu verlaufen links und rechts vom Kanal Plattenwege für die Wirtschaftsfahrzeuge. Radfahrer und Fußgänger dürfen sie ebenfalls benutzen. Wir Motorradfahrer dürfen es leider nicht. Wir haben uns jedoch trotzdem einmal kurz für ein Foto mit Dampfer dorthin gewagt.

Kleine Panne - Motorschutz befestigen...Die Landschaft rund um den Kanal ist durch Felder, Wiesen, Moorlandschaften und Wälder geprägt. Durch sie verlaufen viele kleine Wege und Straßen, die zwar topografisch noch weitgehend erfasst sind, aber seit einigen Jahren keine bis nur mangelhafte Pflege erfahren. Viele sind so zugewachsen, dass man sie tatsächlich nur noch mit einer Enduro befahren kann, wenn man nicht in die Wanderstiefel steigen möchte. Manchmal fragt man sich verwundert, wie die noch herumstehenden vergammelten Verkehrsschilder wohl in die Wildnis gekommen sein mögen. Das Befahren dieser Straßen und Wege ist tatsächlich legal. Manchmal trifft man sogar auf Schilder die darauf hinweisen, dass man sich auf schlechte Wegstrecke einrichten sollte. Nicht ohne Komik, wenn man dabei gerade über quer liegendes Geäst fährt oder in einer Matschkuhle feststeckt.

Wir haben über zwei Tage hinweg die Gegend von Schafstedt aus befahren und tolle Strecken für Enduro-Fahrer dabei entdeckt. Jochen Ehlers, unser Tour-Guide und führender Kopf von Endurofuntours, ist in der Gegend rund um Rendsburg zu Hause und hatte eine abwechslungsreiche Tour über 300 Kilometer an zwei Tagen für uns vorbereitet. 

Auch wenn man es auf den Fotos nicht so sehr erkennen kann, bekamen wir über beide Tage hinweg eine überaus kräftige De­mons­tration des Norddeutschen Schietwetters geboten. 

Positiv denkende Menschen freuen sich darüber, denn es ist bei Starkregen nicht so staubig wie sonst. Die Feldwege verwandelten sich jedoch in Matschpisten und manche Wiese wurde durch die Feuchtigkeit so glatt, dass höchste Konzentration beim Fahren geboten war. Trotzdem haben es alle geschafft ohne nennenswerte Ausrutscher die Strecken zu meistern. Teilnehmer, die doch kurze Ausflüge ins Abseits erleben mussten, wurden in Teamwork schnell wieder auf die Spur gebracht. Auch eine abgerissene Motorschutzplatte, die offensichtlich einem quer liegenden Baumstamm nicht standhalten konnte, wurde mit Hilfe der kollektiven Werkzeugsammlung und Kabelbindern, die in jede Werkzeugtasche gehören, schnell wieder befestigt.

Ausreichende Pausen sind gerade zwischen Fahrabschnitten mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad sehr wichtig, um sich mental neu sammeln und den Zucker- und Flüssigkeitshaushalt des Körpers regulieren zu können.

Eisenbahnhochbrücke von Hochdonn: 14.745 Tonnen Stahl Eine Pause mit großartiger Aussicht legten wir an der Schienenstrecke der Eisenbahnhochbrücke von Hochdonn ein. Sie wurde von 1913 bis 1920 aus 14.745 Tonnen Stahl gefertigt. Damals wurde noch alles genietet. Ihr Schwebeträger ist 121 Meter lang und überspannt den Kanal in 42 Meter Höhe, der konstruktiven Mindesthöhe aller Kanalbrücken. Deshalb dürfen die Schiffe, die den Kanal passieren wollen, nicht höher als 40 Meter sein. Die Brücke ist mit 2.218 Metern die viertlängste Eisenbahnbrücke Deutschlands. 

Heitere Berühmtheit erlangte die Brücke 1992 im sogenannten „Fäkalienprozess“. Dabei ging es darum, dass ein Hausbesitzer, der sein Grundstück unterhalb der Eisenbahnbrücke sein Eigen nannte, sich ständig dem Regen der Hinterlassenschaften aus den Toiletten der Züge ausgesetzt sah und daran wenig Gefallen fand. Der Prozess endete damit, dass die Bahn die Auflage erhielt, innerhalb von fünf Jahren die Züge mit geschlossenen Toilettensystemen ausrüsten zu müssen. Weil die Bahn mit allen Dingen recht langsam ist, gibt es heute noch Züge, deren Toiletten vorübergehend auf Brücken gesperrt werden müssen. Seit dem Gerichtsurteil muss der Grundstücksbesitzer seinen Garten nun wieder selber düngen, braucht aber keinen Helm mehr zu tragen, wenn ein Zug über ihm vorbeirattert. Wir haben unter der Brücke trotzdem unsere Helme getragen. Sicher ist sicher.

Endurotour am Nord-Ostsee-Kanal Wenn man eine NOK Tour fährt, gehören natürlich auch Kanalüberquerungen mit einigen der 14 Kanalfähren dazu. Sie verrichten ihren Dienst für Mensch, Tier und Fahrzeug kostenlos. Wer Spaß daran findet, könnte sich tatsächlich den ganzen Tag über den Kanal schippern lassen, ohne dafür nur einen Cent bezahlen zu müssen.

Wir haben den Kanal mehrfach überquert, denn tolle Feldwege gibt es auf beiden Seiten des NOK.

Unsere Gruppe harmonierte hervorragend, obwohl sie bezüglich Alter, Erfahrungen, Motorradmarken und Hubräumen kaum unterschiedlicher hätte sein können. Das war zum Feierabend-Bier die beste Voraussetzung für interessante Benzin-Gespräche. Erste Fotos und Videos aus der am Helm befestigten Kamera, mit einem Beamer an die Wand geworfen, sorgten für eine unterhaltsame Aufarbeitung der Erlebnisse des ersten Fahrtages. 

Endurotour am Nord-Ostsee-Kanal Leider konnte am zweiten Fahrtag nicht in voller Team-Stärke weitergefahren werden. Ein Nagel im Hinterreifen bewog einen Teilnehmer zum Abbruch. Weitere fielen wegen einer Familienfeier aus oder schlicht deshalb, weil die Klamotten über Nacht nicht trocken wurden. 

Nichts ist blöder als nass und fröstelnd auf einem Motorrad zu sitzen. Wie schon erwähnt zeigte sich das Wetter an diesem Wochenende von seiner feuchtesten Seite. Sauer war deshalb jedoch keiner. Das Team zeigte Norddeutsche Gelassenheit. 

Die Wege und Pisten wurden durch den Dauerregen am zweiten Tag noch matschiger und zu einer echten He­raus­forderung. Bei solchem Wetter wird eine weitere Funktion des NOK sehr anschaulich deutlich. Er dient nicht nur der Schifffahrt, sondern auch der Entwässerung von über 1580 km² seines Umlandes. Davon werden 250 km² durch Pumpwerke künstlich entwässert. Je nach Witterungslage gelangen so zwischen vier bis einhundertneunzig Kubikmeter Wasser in der Sekunde in den Kanal. Im Schnitt sind es 20 m³/s. Das meiste davon läuft bei Brunsbüttel in die Elbe und verschwindet in der Nordsee. 

Zum Schluss der Tour führte Jochen die Gruppe noch zu einem alten U-Boot und Schnellboot Bunker, in dem im zweiten Weltkrieg Brennstoff für die Marine gelagert wurde. Danach waren auch die letzten Teilnehmer völlig durchnässt und erschöpft genug, um zufrieden mit dem NOK-Wochenende, die Heimreise anzutreten. Jeder konnte unseren Maschinen ansehen, dass wir sehr viel Spaß am Kanal hatten.

Infos zu dieser und weiteren Touren, auch der Kradblatt-Endurotour Mecklenburg-Vorpommern, gibt es unter www.endurofuntours.com.