Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 11/19 von Marcus Lacroix

Warum spaltet die E-Technik die Gemeinde?

Marcus mit Energica EsseEsse9 Special

Wohl kaum ein Thema wird (nicht nur) in der Motorrad-Szene so heiß diskutiert, wie Elektrische Vehikel (EV). Nachdem ABS, Warnwesten & Klapphelme keinen mehr wirklich interessieren, gibt’s endlich wieder ein Thema, über das (echte) Biker sich auskotzen können. 

In dieser Ausgabe haben wir einen Fahrbericht der neuen elektrischen Zero SR/F. Und da ich seit Anfang der Saison und mittlerweile 6000 erfreulichen Kilometern Besitzer eines ebenfalls elektrischen Motorrades bin, will ich hier ein paar Worte dazu verlieren.

Was mich ehrlich überrascht hat ist, mit welcher Engstirnigkeit viele ältere Motorradfahrer auf das Thema E-Mobilität reagieren. Während sich Gespräche „im richtigen Leben“ hauptsächlich um Fahrleistungen, Reichweite, technische Entwicklung und Preise drehen, wird man Online mit Spott und Häme übergossen, wie ich es als Motorradfahrer in über 30 Jahren noch nicht erlebt habe. Das Ganze gepaart mit einem profunden (maximal) Halbwissen und einer pauschalen Ablehnung der (für alte Hasen) unbekannten Technik hat mich anfangs daran zweifeln lassen, ob ich hier überhaupt noch den richtigen Job mache. Letztendlich sind es die vielen Gespräche mit ernsthaft interessierten, vielfach dabei JUNGEN Menschen, die Freude bereiten. 

Zu Beginn meiner „Elektromotorrad-Karriere“ habe ich noch versucht mich zu rechtfertigen. „Ja, ich habe auch noch 2 Verbrenner in der Garage“, „Nein, ich glaube nicht, dass ich so das Klima retten werde“, „Nein, ich bin kein Öko (wobei ich das nicht als Schimpfwort sehe)“, „Ja, auch die Akku-Produktion verursacht Umweltprobleme“ usw., usw. …

Die dummen, sich ständig wiederholenden Witze à la „Lädst du noch oder fährst du schon“ ringen mir kaum noch ein müdes Schmunzeln ab. Die Memes über den angeblich doch so bösen Wasserverbrauch (Sole) bei der Lithium-Produktion habe ich Anfangs noch mit Gegenüberstellungen von Zahlen des täglichen Trinkwasser(!)verbrauchs in deutschen Klospülungen oder dem Verbrauch bei der Rohölförderung gekontert, nur um dem Gesprächspartner mal ein Gefühl für Relationen zu geben. Aber ganz ehrlich: scheiß drauf! Will eh kein E-Gegner hören.

Wer, wie wir Motorradfahrer, nur für den eigenen Genuss und den eigenen Kick mit einem Motorrad durch die Gegend fährt, der macht sich währenddessen keinerlei ernsthafte Gedanken um die Umwelt. Wer das von sich behauptet, lügt sich in die eigene Tasche! Wir wollen Fahrspaß! Und genau aus diesem Grund liebe ich mein Elektromotorrad – trotz aller (noch) technischen Nachteile beim „Tanken“ und bei der Reichweite. Wer eine Probefahrt wagt, dem erschließt sich evtl. eine neue Welt, in der man auch zu Abstrichen bereit ist. Und wer nicht interessiert ist, der hält am besten einfach die Klappe und gönnt dem anderen die Freude. 

Mir persönlich ist es völlig egal, womit ihr durch die Gegend fahrt. Voll aufgebrezelte Reiseenduro mit allen Extras? Warum nicht, ist aber nichts meins. 200 PS Supersportler auf der Landstraße? Auch gut, ist aber auch nicht meins. Immerhin habe ich aber beides ausprobiert, um mir eine Meinung bilden zu können. Habt Spaß mit dem was ihr fahrt, schaut aber auch mal über den Tellerrand.

Offenheit für technische Veränderungen wünsche ich mir auch von Motorradhändlern. Klar, die müssen in erster Linie Geld verdienen und nur mit EV geht das derzeit kaum. Aber kürzlich erzählte mir einer, er wird E-Motorräder aus Prinzip ablehnen, so lange es geht. Wirklich gefahren hatte er aber noch keins. „Warum?“, habe ich ihn gefragt. „Verkaufe dem Kunden doch einfach, was dem Kunden gefällt“. Wenn ein Händler bei uns eine Seite Werbung in türkis mit rosa Punkten haben möchte, kriegt er die auch von mir – Hauptsache ist doch, er hat Spaß daran!