Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 9/18
von Marcus Lacroix

 

Verrohung fängt bei einem selbst an …

Marcus in NordpolIch gehöre zu den Menschen, die sich nicht nur berufsbedingt viel Online bewegen. Aber gerade fürs Kradblatt bin ich natürlich ständig auf der Suche nach interessanten Themen, nach Produkten und auch nach Meinungen. 

Was „früher“ vielfach über News­groups lief (erinnert sich noch jemand an die 1990er Jahre, Modems, das Usenet, de.rec.motorrad und die RRR?), wurde durch Foren abgelöst, die immer marken- und modellspezifischer wurden. Aktuell läuft vieles über Facebook und dortige Gruppen. Mit WhatsApp-Gruppen habe ich gar nicht erst angefangen.

Was mich in dieser ganzen Online-Welt zunehmend – ich sage jetzt extra nicht ankotzt – traurig macht, ist die Art der Menschen, dort miteinander zu kommunizieren. Und die färbt leider ab!

Kradblatt-Facebookseitenuser Oliver  machte mich neulich dankenswerterweise darauf aufmerksam, dass ich in Postings (für Nicht-Internetnutzer: Beiträge) in der letzten Zeit zunehmend Kraftausdrücke wie Scheiße, Idioten, Arschlöcher oder ankotzen benutzte, wenn ich mich ereiferte. Das fand er nicht gut und er hat Recht. 

Natürlich kann man auf diese Art persönlichen Druck ablassen, aber macht man damit irgend etwas besser? Ich denke nicht! Man sorgt nur für eine weitere Verrohung aller! 

Warum ich das Thema hier aufgreife? Wir haben ab Seite 14 in Ausgabe 9/18 einen Fahrbericht der Yamaha Niken. Ein sehr mutiges Konzept, das es vermutlich gerade in Deutschland schwer haben wird, obwohl es rein vom Fahrspaß her quasi jeden überzeugt, der es ausprobiert hat. Aber es passt halt nicht in die üblichen Schubladen.

Es bleibt selbstverständlich jedem selbst überlassen, was er gut findet und was nicht. Und kaufen muss man ja ohnehin nicht alles. Was mich aber – gerade online – echt runterzieht, ist die Art und Weise, wie mit andersartigen Produkten umgegangen wird. Der Tonfall, mit dem der eigene Standpunkt klar gemacht wird, der mangelnde Respekt anderen gegenüber. Das fällt aktuell nicht nur beim polarisierenden Niken überdeutlich auf, auch anderes wird verbal brutal abgewatscht. Elektromotorräder? Der letzte Scheiß! Handy am Lenker (nutze ich z.B. als Navi)? Braucht keine Sau! DCT-Getriebe (Hondas geniale Quasi-Automatik)? Ist nur was für Behinderte! Zu laute Auspuffanlagen? Die Anwohner sind doch selbst Schuld, wenn sie nicht wegziehen! Massive Tempoüberschreitungen? Na und, ist doch meine Sache! Im Unglücksfall gibt es dann von den Biker-Kollegen ein kollektives R.I.P. und es wird weitergeklickt.

Ich könnte noch weitere Beispiele aufzählen, aber ich denke es ist klar, was ich meine. Verirre ich mich Online mal in politische Diskussionen, ist der Ofen schnell ganz aus. Asozial hoch 10!

Deutschland hat wirklich ein Problem: Jeder fordert für sich selbst Respekt ein, ist aber nicht Willens, diesen auch zu geben. Und Motorradfahrer/Biker sind da nicht besser, obwohl sie sich gerade online oft für etwas Besseres halten. 

Natürlich kann man seine Meinung sagen, ich vergleiche im Ducati Scrambler 1100 Sport Artikel Auspuffklappensteuerungen ja auch mit Silikonbrüsten. Ich wollte da aber erst von Titten + Schwänzen schreiben. Der Ton macht die Musik …

Der beste Spruch, den ich in der letzten Zeit auf Facebook gelesen habe ging in etwas so: „Seit es Facebook gibt, lese ich wieder mehr Zeitschriften – da erspart man sich die Kommentarspalten!“.