Servicewüste Deutschland? Wenn wir uns alle mal an die eigene Nase fassen, erkennen wir auch die Problematik. Geiz ist nicht geil!
Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 3/15
von Marcus Lacroix
Servicewüste und die eigene Nase
Juhuuuuu – endlich geht es wieder los, darauf warten wir seit Monaten. Das Frühjahr steht vor der Tür und es begleitet euch wie immer unser mahnender Biker-Gruß: Lasst es vorsichtig angehen, prüft Ausrüstung, Motorrad und die eigene Konstitution aufmerksam und bucht vor allem fleißig Sicherheits-, Kurven- und Bremstrainings. Die machen nicht nur viel Spaß sondern sensibilisieren euch auch nach der Zweirad-Abstinenz im Winter. Wobei gelegentliche Trainings auch Winterfahrern nicht schaden um ein paar alte und schlechte Angewohnheiten auszubügeln.
Nach diesen einleitenden Worten kommen wir zum eigentlichen Aufreger: Wer sind wir Kunden eigentlich, dass wir alles für lau erwarten? Darauf gebracht hat mich aktuell ein Optiker. Er hatte gerade einen Kunden da, der billig seine Brille übers Internet gekauft hatte, die aber bescheiden saß. Die könne er ihm doch eben mal einstellen. Klar, kein Problem, kostet aber Summe X. Der Kunde war sauer, hatte er doch vor vielen Jahren schon mal was bei dem Optiker gekauft.
Das gleiche Szenario erlebt man auch bei jedem beliebigen Motorrad- und Zubehörhändler. Stellt euch mal an den Tresen und lauscht einer Weile den Gesprächen. Mal eben das online gekaufte Visier montieren, weil man selbst zu blöd ist eine Bedienungsanleitung zu lesen, mal eben die Kette spannen, mal eben einen Knopf annähen, mal eben das Navi oder die Kommunikationseinrichtung erklären, mal eben dies prüfen und mal eben das gucken. Der Fachhändler steht doch sowieso nur in seinem Laden rum und die Mechaniker sind eh da …
Vergisst man als Kunde eigentlich, dass man selbst während seiner Arbeit auch auf der anderen Seite des Tresens steht? Oder kommen nur Leute, die ohne Kundenkontakt arbeiten, auf solche Ideen?
Nun mag mancher argumentieren, dass man als Händler mit solchen Dienstleistungen doch Kunden gewinnen könne und deshalb Wünsche halt gratis erfüllen muss. Quasi als Werbemaßnahme. Ich bin da anderer Ansicht. Wenn ich schon ein Produkt für den bestmöglichen Preis anderswo gekauft habe, weil der Fachhändler vor Ort diesen nicht bieten konnte oder ich aus Bequemlichkeit keinen Bock auf Verhandlungen hatte, dann nehme ich den Nachteil, dass ich mich selbst um alles kümmern muss, bewusst in Kauf. Und benötige ich dann doch eine Dienstleistung, weil ich anders nicht klar komme, dann bezahle ich halt dafür. Das hat meiner Meinung nach etwas mit Anstand und Respekt dem Fachhandel gegenüber zu tun. Respekt fordern zwar immer mehr Menschen für sich selbst ein, sind aber nicht gewillt ihn anderen gegenüber zu zeigen. Da müssen wir uns alle regelmäßig an die eigene Nase fassen und unser Handeln überdenken, oder?! Und für die Fachhändler wünsche ich mir, dass sie auch ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen oder vom Kunden angepupt zu werden, mal „nein“ sagen können. Dienstleistung hat ihren Wert. Auch ohne Mindestlohnzwang und andere Regularien!
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Kommentare
5 Kommentare zu “Editorial 03/15 – Servicewüste Deutschland…”
Respekt, fordern viele, wenn sie in der schwächeren Position sind, sind aber nicht bereit ihn zu erbringen wenn sie der Stärkere sind. Beispiel: Radfahrer, die fordern Respekt von den Autofahrern, Fußgängern gegenüber zollen sie keinen. Nicht alle, aber sehr viele.
Die zweite Sache ist die Geiz-ist -geil-Mentalität, da ist die gratis geforderte Dienstleistung doch noch harmlos. Beispiel: Wer sich ein T-Shirt für 5 Euro kauft, dem muss doch klar sein, dass bei der Produktion kein Lohn gezahlt wurde, der eines Arbeiters würdig ist, dass evtl. die Umwelt unnötig belastet wurde, dass vielleicht sogar Kinder das gute Stück hergestellt haben. Geiz ist geil, Moral ist Schei§e.
Im Prinzip stimme ich dem voll zu, allerdings sind Preisspannen und Zuschläge teilweise auch exorbitant. Bestes Beispiel das Öl bei einem Ölwechsel, wird gerne mal mit 15, 20 oder gar 25 EUR pro Liter auf der Rechnung ausgewiesen, während das 200l Fass in der Werkstatt steht, bei dem der Liter im extremfall mit 3 bis 5 EUR zu Buche schlägt.
Anderer Fall, Reifenwechsel. Mir erzählte letztens ein Händler, dass teilweise die Verkaufspreise bei den Onlinereifenhändlern unter seinem Einkaufspreis liegen und er sie halt nicht so günstig vekaufen kann. Klar, kann ich verstehen, aber warum kauft er dann nicht auch bei dem Onlinehändler, rechnet seine Kosten (Montage, Verbrauchsmaterial usw.) und seinen Gewinn dazu und alle wären glücklich. Ja, ich zahle gerne für einen Guten Service, wenn ich hinterher zufrieden bin, aber ausziehen lass ich mich auch nicht.
Ja, sehe ich genauso.
Wenn ich bei einem lokalen Händler kaufe, erhält dieser bei mir auch einen Bonus, und darf teurer sein.
Online kaufen, und dann kostenlose Hilfe beim lokalen Händler einfordern, ist sehr frech.
Sich beim lokalen Händler beraten lassen, dann online kaufen natürlich ebenfalls.
Aber solche Leute gab es auch schon vor dem Internet-Handel: sich beim Fachhändler beraten lassen, und dann zu Mediablöd um die Ecke und kaufen, ist auch keine schöne Art.
Allerdings kaufe ich fast ausschließlich online, zumindest was EDV betrifft, aber auch teilweise kleinere Bike-Zubehör Dinge.
Eine Auspuffanlage, ein Steuergerät, oder Ähnliches, würde ich nur über meine Werkstatt kaufen, da ich es auch von dieser einbauen lassen würde, und dann auch bei Problemen Hilfe erwarten darf.
Online hat eben den großen Vorteil, dass man sehr gut recherchieren kann. Seit dem ich online kaufe, mache ich fast keinen Fehlkauf mehr, was früher öfter der Fall war, weil ein Händler nur das mir zeigen konnte, was er eben auf Lager hat. Oder man hat später festgestellt, dass es ein besseres Gerät gibt.
Auch Empfehlungen für Geräte, die weg müssen, hat so mancher lokale Händler nur deswegen ausgesprochen.
Weiterhin muss ich nicht in die stressige Stadt fahren und Parkplätze suchen, und zusätzlich Sprit verbrauchen. Das Umtauschen geht auch einfacher, weil ich nur zur örtlichen Post muss, und nicht ggf. beim Händler in der Stadt Schlange stehen muss.
Aufgrund dieser Vorteile verzichte ich gerne auf den Service, und würde nie auf die Idee kommen, diesen kostenlos beim lokalen Händler dann zu verlangen.
Wenn man aber zu oft mit diversen Dingen nicht klar kommt, öfter Hilfe benötigt, sollte man sich dies eingestehen, und nur vor Ort kaufen und nicht online.
Ich stimme euch im großen und ganzen zu, was man am Ort bekommen kann solte man da kaufen aber viele Sachen bekommt man leider nicht am Ort und ist das Internet doch ne hilfe.
Lothar
Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen.
Es ist doch so einfach bei Google schnell mal den Produktnamen einzugeben und zack bekommt man eine Liste. Und seit Geiz ist geil will jeder der sein der weniger bezahlt. Der niedergelassene Händler bleibt dabei auf der Strecke und wie sind alle die gelackmeierten. Wehe wehe wenn ich auf das Ende sehe….