Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 2/20 von Marcus Lacroix

Die Crux mit der Corporate Identity…

Frost an Fahrer und Bike im Winter 1.1.2020Entscheidungen von Marktentwicklungsabteilungen versteht man als Kunde oft nicht. Motorradmarken, die als Beiwerk in Autohäusern oder bei Fahrradhändlern auftauchen oder langjährige Vertragshändler, denen die Verträge gekündigt werden, sorgen für irritierte Gesichter. Ist Kontinuität und Qualität langfristig betrachtet nicht wichtiger und erfolgreicher?

Wie der eine oder andere Leser sicher schon bemerkt hat, ist z. B. die Yamaha- Gemeinschaftsanzeige im Kradblatt geschrumpft, Husqvarna-Händler muss man mittlerweile suchen, der Weg zum KTM- oder Triumph-Dealer ist auch für einige angewachsen. Die Szene ist in Bewegung, alles wird schicker, eleganter, moderner aber auch besser? 

Was mir persönlich dabei nicht gefällt ist, dass Vieles immer austauschbarer wird. Das mag aus Sicht der Marken-Strategen durchaus so gewollt sein. Ein Big Mac-Fan soll sich ja auch in jeder McD-Filiale gleich zurechtfinden. Und bei Marken-Autohäusern ist der uniforme Look ebenfalls schon länger im Trend. 

Aber Motorräder, die sind etwas Persönliches, die konsumiert man nicht einfach so wie einen Burger. „Seinen“ Händler besucht man nicht nur aufgrund der Serviceintervalle öfter als ein Autohaus. Ein Motorradladen lebt von der Persönlichkeit der Betreiber, der Individualität, das wirft man doch als Hersteller/Importeur nicht einfach so weg, nur weil jemand die neue Schickimicki-CI (Corporate Identity = Erscheinungsbild des Unternehmens) nicht umsetzen kann oder will, oder?! Klar, ein (Marken-) Motorradladen muss ordentlich aussehen, Hinterhofvertretungen sind nicht mehr zeitgemäß. Aber müssen sie deshalb alle gleich aussehen? Wie Burgerbräterfilialen? Einheitsbrei?

Hört man Händlern zu, was für Vorgaben und Vorstellungen manche Marken haben, dann wundert man sich nicht mehr über fehlendes Engagement und fehlende Betriebsnachfolger. Ich ziehe meinen Helm vor jedem Vertragshändler, der den Mut hat, hier zu investieren. Wer weiß denn schon, ob nicht evtl. in ein paar Jahren ein paar neue Markenstrategen eine neue CI entwickeln, die man umsetzen soll? Dass die fetten Jahre der Motorradszene nicht  durch schicke Regalsysteme und einheitliche Fliesenböden wiederkommen, muss doch auch den Planern klar sein. Aber die Szene braucht diese mutigen Händler, denn was kommt denn, wenn immer mehr aufgeben? Immer größer werdende Vertragsgebiete erfordern  immer weitere Wege zum Marken-Service. Damit die Kunden das mitmachen, müssten die Hersteller aber schon herausragende Produkte anbieten. Die normale Mittelklasse ist jedoch ziemlich austauschbar, da braucht es keine Markenbrille, die funktionieren alle gut.

Oder läuft es darauf hinaus, dass wir unsere Motorräder nur noch im Internet zusammenklicken und in einem x-hundert Kilometer entfernten Showroom abholen? 

Es ist ein Dilemma – weniger, aber dafür starke Händler, sollen genug Fahrzeuge verkaufen können, damit auch was in der Kasse bleibt, Kunden wollen hingegen möglichst heimatnahen Service. 

Servicestützpunkte ohne Fahrzeugverkauf wären evtl. eine Lösung. Dann gäbe es große exklusive Werks-Verkaufsstätten mit vielen Vorführern und Beratung und reine zertifizierte Werkstattbetriebe. Und diese Werkstätten könnten dann die Service-Vertretung für mehrere Marken übernehmen und sich voll darauf konzentrieren. Das würde aber ein Weiterdenken und die Zusammenarbeit verschiedener Marken erfordern und bleibt wohl (m)ein Traum. Wenn von Händlern jetzt schon getrennte Räumlichkeiten bei Übernahme zweier Marken gefordert werden, stelle man sich mal eine Multibrand-Werkstatt vor. 

Es bleibt auf jeden Fall spannend, schließlich steht oder fällt auch das Kradblatt mit den Händlern …