aus bma 02/02

von Dirk Ketelhohn

Alles fing vor ein paar Jahren ganz klein an. Nach dem Studium und der Familienplanung gönnte ich mir meinen langersehnten Traum: ein Bike!
Zunächst „gurkte” ich noch voller Genuss allein durch das ostholsteinische Hügelland und weitere schöne Gebiete Schleswig-Holsteins. Der Virus sprang aber sehr schnell über, so dass inzwischen allein in unserer Familie acht Männer und Frauen ein Bike besitzen. Schnell wurden gemeinsame Saisoneröffnungs- oder -abschlusstouren zur Rou- tine, zu denen sich im Laufe der Zeit auch immer mehr Bekannte und Bekannte der Bekannten gesellten, die inzwischen gute Freunde geworden sind.
Cousin Ingo gründete die Fa. Lifestyle mit MZ-Vertretung in Bad Malente und organisierte federführend das 1. und 2. „Biker-Frühstück” in Eutin, an dem zuletzt über 1.000 Motorradfahrer teilnahmen. Gemeinsame Touren durften daher nicht fehlen. Nach einigen Ausritten zur Insel Poel und an die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern, stand im Mai unsere erste mehrtägige Fahrt auf dem Programm.
Nach einigen Bierchen in geselliger Runde hatte sich das Planungsteam für den Spreewald entschieden. Ziel sollte das kleine Städtchen Lübben, etwa 80 Kilometer südlich von Berlin sein. Campingplätze wurden herausgesucht, die aber leider bis in den März hinein nicht wussten, ob sie überhaupt öffnen würden. Da die Eltern von Annett dort beheimatet sind, setzte sich ihr Vater mit der örtlichen Jugendherberge in Verbindung (nochmals vielen Dank!), die eine direkt an die Spree angrenzende Rasenfläche als Zeltplatz vergab. Es hätte nicht besser kommen können. Für die drei Übernachtungen inklusive Grillen am Ankunftstag, täglich Frühstück und Lunchpakete zahlten wir nur 100 DM pro Person.

 

Pünktlich um 8 Uhr trafen sich also am Morgen des Himmelfahrttages 18 Biker auf 15 Motorrädern (Höchstgrenze, wenn man zusammen fahren möchte!) an einer Tankstelle in Eutin. Das Wetter und die Vorhersage für die nächsten Tage waren wie für uns Väter gemacht. Nach einer Tasse Kaffee und einem Brötchen starteten wir um 8.30 Uhr über Lübeck-Schlutup in Richtung Schwerin. An einem kleinen Kiosk genossen wir das touristische Treiben und den Blick auf das schöne Schweriner Schloss.
Ausgeruht und gestärkt spulten wir anschließend 120 Kilometer Autobahn herunter und fuhren nach einer kulinarischen Pause an der Raststätte „Linumer Bruch” kurz vor Berlin auf der B273 in Richtung Nauen. Eine herrliche, von vielen Alleen gesäumte Strecke führte uns nach Potsdam. Leider fehlten uns Zeit und Muße, Potsdam näher zu erkunden. Schloss Sanssouci, Filmstudios Babelsberg und andere Sehenswürdigkeiten sollen aber auf jeden Fall Ziel einer späteren Tour werden. Über Buchholz, Luckenwalde und Baruth erreichten wir nach knapp 400 Kilometern unser Ziel.
Nachdem die Zelte aufgebaut waren, stärkten wir uns beim schon oben erwähnten Grillen, das von den freundlichen Herbergsbetreibern für alle Hausgäste gut vorbereitet und sehr reichhaltig war.
Bei der nächtlichen Befreiungsaktion des Bieres aus seinen Flaschen wurde uns dann aber doch ein Nachteil des Zeltplatzes bewusst. Das Buch Mose in der Bibel wäre um eine „Mücken-Plage” reicher, wenn die Handlung an der Spree stattgefunden hätte. Nur gut, dass es Not-Apotheken mit Autan-Vorrat gab.
Nach einem guten Frühstück stand Dresden als Ziel auf dem Plan. Auf dem Weg über die A 13 nahmen wir noch die „Lausitz-Rennstrecke” mit, auf der just zu dieser Zeit eine Trainingseinheit von Motorradfahrern stattfand.
In Dresden angekommen, parkten wir die Motorräder vor dem Hauptbahnhof der Altstadt. „Elbflorenz” und „Venedig des Ostens” sind die schmückenden Namen der Stadt. Sie liegt in einem weiten Talkessel der oberen Elbe, der sich zwischen Pirna und Meißen über 40 Kilometer ausdehnt. Die reichen Kunstsammlungen wie auch die eindrucksvollen Baudenkmäler begründen die weltweite Berühmtheit Dresdens.
Innerhalb des Altstadtrings sind alle sehenswerten Plätze bequem zu Fuß zu erreichen. So konnten wir an diesem Nachmittag innerhalb von nur kurzer Zeit in aller Ruhe viele Sehenswürdigkeiten anschauen. Der „Zwinger” ist ein in der Welt einzigartiges Meisterwerk höfischen Barocks, das nie als Residenz gedacht war, sondern nur den repräsentativen Ansprüchen August des Starken diente. Gleich daneben liegen die berühmte Semperoper und das Schloss. Vom Schlossplatz führt die von Skulpturen gezierte Freitreppe auf die Brühlsche Terrasse, die zur beliebten Flaniermeile mit berühmten Cafés avancierte und den Namen „Balkon Europas” erhielt. Ein Publikumsmagnet erster Ordnung ist das Grüne Gewölbe, mit seinen unter anderem 137 goldenen, emaillierten Figuren aus 3.000 Diamanten, Rubinen, Smaragden und Perlen.
Imposant ist auch der Gerüstbau, der die Frauenkirche umgibt. Nach einem Bombenangriff am 15. Februar 1945 fiel die Kirche in sich zusammen. Jahrzehntelang blieb die Ruine als Mahnmal für die Opfer des Bombenkriegs stehen, bis sich 1990 eine Bürgerinitiative für den Wiederaufbau zusammenfand. Dieser begann im Jahr 1993 und soll bis 2006 abgeschlossen sein. Die Unterkirche ist bereits fertiggestellt und wird für Gottesdienste benutzt.
Mit vielen Eindrücken verließen wir Dresden wieder Richtung Lübben, wo wir den Tag in einem nahegelegenen Gasthof mit regionaler Küche (Spargel, Spargel, Spargel) ausklingen ließen.
Höhepunkt unserer Reise sollte aber der dritte Tag sein. Vormittags waren wir zu einer Besichtigung der größten freitragenden Halle der Welt angemeldet. Die Cargo-Lifter-AG hat diese auf einem ehemaligen sowjetischen Militärgelände in Brandt erbaut, um hier in Kürze mit dem Bau von Zeppelinen zu beginnen. Die Luftschiffe sollen in naher Zukunft den Schwertransport vereinfachen. Die Größe der Halle, aber auch die technischen Daten sowie der anschließende Videoclip zum Bau der Halle waren beeindruckend.
Am Nachmittag stand dann natürlich noch die obligatorische Spreefahrt an. Knapp zwei Stunden wurden wir gemütlich, unterbrochen von vielen Sprüchen und Witzen, durch die Spree gestakt. Nach drei Schleusungsvorgängen wurde die Fahrt bei „Gurken-Paule” in Lübben für eine kulinarische Pause unterbrochen.
Im vom Anleger nahegelegenen Garten von Annetts Vater wartete am Ende der Bootstour schon Grillfleisch und Bier auf uns, um den letzten Tag der Reise auf gelungene Weise abzurunden.
Am nächsten Morgen waren wir pünktlich um 9 Uhr startklar. Nur drei von uns, die am Abend zuvor in der örtlichen Disco „versackt” waren, wollten vernünftigerweise erst später losfahren. Doch während einer Rast klingelte eines unserer Handys. Olaf, einer der drei Nachtschwärmer hatte Probleme mit seiner Suzi. Als Kfz-Mechaniker bekam er den Schaden nach viel Überlegung und Schweiß zwar in den Griff, kam mit seinen zwei Kollegen aber erst während der Nacht im strömenden Regen zu Hause an. „Nachtschwärmer” halt! Es war übrigens ein ganz einfacher Defekt. Der Tankrucksack hatte den Schlauch für die Tankbelüftung abgeknickt, so dass die Maschine in regelmäßigen Intervallen ausging.
Das Ziel der nächsten Route wurde bereits auf der Rückfahrt geplant: Rügen und Umgebung!