aus bma 4/10

von Wilfried Baum

Costa Rica mit Yamaha XT 600In einem der bunten Blätter für Kradler stand, dass Costa Rica ein tolles Land sei und es dort einen zuverlässigen, deutschen Motorradvermieter gibt. Einige Mails später ist alles klar.

An einem Sonntag im November besteige ich den Zug Richtung Frankfurt Airport. Gegen Mitternacht startet der Condor-Flieger und nach einem kurzen Zwischenstop in Santo Domingo landet die Düse morgens um 6 Uhr Ortszeit in San Jose. Es sind 23°C. Der Flug war kurzweilig – mein Sitznachbar ist gesellig, reist viel, auch allein. Er ist geschieden (meine beste Entscheidung) und mietet am Urlaubsort schon mal ein Mädel als Reiseführer und so. Meyers Weltreisen ist auch mit einer Abordnung vertreten – überwiegend straffe Mädels gesetzten Alters mit einem straffen Rundreiseprogramm.

Der Fahrpreis in die Stadt, 22$, ist festgelegt und wird an einem Schalter entrichtet, ich bekomme eine Quittung und damit geht’s zum Taxi. Das Auto ist aus Südkorea, die Windschutzscheibe hat einen Riss, der Anlasser ist ohne Funktion und der Fahrer bester Laune. Ein Kollege hilft und schon geht’s zügig auf den dreispurigen Zubringer. Wir wechseln die Spuren ohne blinken, überholen links, rechts, mittig – werden ebenso überholt und sobald sich eine Lücke auftut, wuseln Motorräder und Roller durch. Das kann ja munter werden.

Thorsten von „Wild Rider“ wartet schon auf mich. Ich nehme eine XT 600. Er macht den Vertrag klar, ich zahle $ cash, was einen kleinen Rabatt bringt. Wir sprechen eine Reiseroute durch, tragen empfehlenswerte Ziele in die Karte ein, ich bekomme Verhaltensregeln, Werkzeug und Ersatzschläuche mit auf den Weg – dann bringt er mich erst mal ins Hotel. Die Jungs sind gut – das Hotel „Cacts“ auch.

Den Rest des Tages benutze ich zu einem Stadtbummel und besorge Kleinkram, Strom-Adapter, Telefonkarte, Wasser, usw. Es wuselt wie wild – Fußgänger werden von Rollern, diese von Motorrädern, jene von Autos und alle von Bussen gejagt. Die Farbe der Ampel wird als Empfehlung verstanden. Gegen 18 Uhr ist es stockfinster.

Begegnung auf Costa Rica

Abends bei „Maria Bonita“, einer Empfehlung von Thorsten, nehme ich Chicken mexikanisch und mein erstes „Imperial“. Das ist hier der örtliche Stoff. Um 5 Uhr morgens ruft T-mobile an und bietet einen neuen Handy-Tarif an – ich werde ziemlich grob. Die Stadt lebt auch schon unüberhörbar. Die XT lächelt, als sie mich sieht– sie ist betagt, der Lack ist in jeder Beziehung ab und passt damit gut zu mir. Ich sichere ihr pflegliche Behandlung und Super zu, wenn sie nicht herumzickt – wir halten uns dran. Die Reiseroute ist sofort Makulatur – Thorsten hat die Wetterkarte im Internet befragt. Da, wo ich hinwollte, schüttet es. Also der Sonne entgegen und so halte ich es die ganze Zeit – für 1$ ins Internet und dann planen.

Wir tuckern locker los und stehen sofort wieder – Kreuzung freihalten ist hier ein Fremdwort und nach den Erfahrungen von gestern halten wir uns erst einmal zurück. Irgendwann erreichen wir die Carrera Panamerikana, die Traumstraße der Straßenbauer, (Schlagloch an Schlagloch) und 100 Kilometer weiter dann Puntarenas. Hier geht die Fähre zur Halbinsel Nicoya ab und für 2160 Colones, der Landeswährung, entsprechend ca. 4,20 $, entsprechend ca. 3,40 Euro bekommen wir 1,5 Stunden Traumreise mit blauem Himmel, blauem Wasser und das alles bei 27°C im Schatten.

In Paquera hoppeln wir über eine wackelige Brücke an Land – ein anderes Land. Bald wird der Asphalt von Schotter abgelöst, die Schlaglöcher werden tiefer, eine Gruppe Weißkopfaffen lacht mich an und dann aus, da die Kamera nicht aus der Tasche will. Alles üppig grün, kaum noch Verkehr. Mein heutiges Ziel ist die Playa Tambor, laut Reiseführer eine Traumbucht, in der wenig los ist – stimmt. Bei „Cabinas Christina“ gibt’s ein Zimmer mit Dusche, Ventilator und Frühstück für 30$ – nachträglich betrachtet habe ich wohl nicht hart genug gefeilscht. Die XT wird an eine Palme gepflockt – raus aus den Klamotten und nach 200 Schritten flutsche ich in den Pazifik – kein Zögern, kein Schaudern – nur angenehm. Erst die beginnende Dunkelheit treibt mich aus dem Wasser. Christina kann auch kochen – es gibt „Casado Spezial“, Reis Bohnen, Schnitzel, Spiegelei, Käse, Salat und gebratene Banane, dazu „Imperial“, alles zusammen für ca. 4000 Colones.

Am Morgen ist wie immer gegen 5 Uhr die Nacht zu Ende – diesmal wecken Hähne und Hunde. Das landesübliche Frühstück, „Gallo Pinto“, ist erst mal gewöhnungsbedürftig. Reis mit schwarzen Bohnen vermengt, etwas Zwiebeln, ein Spiegelei. Ist aber lecker und hält gut vor.

Wir fahren mit Tagesgepäck nach Cobano, einer ländlichen Kleinstadt, Colones bunkern. Die Bank ist bewacht wie Fort Knox – Schrotflinte, Revolver, Schließfach für Taschen, Passkontrolle, Personenschleuse und zum Schluss ein Schummelversuch des Kassierers. Ich merke es, er zuckt mit den Schultern, lächelt und gibt mir das Restgeld. Das war aber auch der einzige Betrugsversuch des ganzen Urlaubs.

Strand auf Costa Rica

Dann kommt richtiger Urwald im Nationalpark „Cabo Blanco“ mit viel fliegendem Getier. Ich fahre mit Wanderschuhen und wirklich luftigen Sachen – so kann man auch mal ein Stück laufen und besichtigen.

Auf dem Rückweg nehme ich in Montezuma ein Sandwich – der Ort hat mehr Infrastruktur als Playa Tambor und wäre für einen Alleinreisenden möglicherweise die bessere Wahl gewesen. Abends am Strand treffe ich ein deutsches Rentnerehepaar, unterwegs mit Geländewagen. Sie haben früher in Mittelamerika gelebt – es ist wenig geblieben, wie es war. Wir verbringen den Abend zusammen und lassen uns von Christina durchfüttern. Es wird lustig und spät – wir sind die einzigen Gäste und bald sitzt die ganze Familie mit am Tisch.

Wir ziehen weiter. An der Tanke in Paquera steht ein Tico (Einheimischer) neben uns, die komplette Familie und reichlich Gepäck hinten auf der 125er. Er will Motorräder tauschen – ich stimme zu, falls seine Frau drauf bleibt. Sie gackert los – er klopft mir die Schulter. Die Leute hier sind gut drauf. Für die nächsten 25 km brauchen wir eine Stunde – bis Playa Naranjo ist die Piste wirklich übel. Mitten drin ein Viehtrieb mit zwei Cowboys auf echten 1 PS. Playa Samara liegt an einer Traumbucht – das Hotel Belvedere hat ein Häuschen ganz für mich allein – Luxus pur, 35$ incl. Superfrühstück, Swimmingpool und Air Condition. Wir ordern drei Nächte. Um ca. 17 Uhr wimmelt alles zum Strand, Imperial dabei und hockt sich hin – Sonnenuntergang mit vollem Farbspektrum. Danach in ein „Soda“, so heißen hier die einfachen Restaurants, Cazado con irgendwas und mehr Imperial.

In meiner Datsche entdecke ich eine Mitbewohnerin – größer als ein Fünfmarkstück und extrem schnell – mein Friedensangebot – 3 m Abstand vom Bett – lehnt sie schnöde ab. Als die Spinne flach ist, steht kein Möbelstück mehr, wo es war. Um 5 Uhr ist mal wieder die Nacht zu Ende – den Weck-Job haben hier die Brüllaffen. Die Jungs haben ein beachtliches Stimmvolumen. Die XT empfängt mich mit einem Plattfuß hinten – Thorsten hatte mir das schon in Aussicht gestellt und meinte, damit könne man aber weiterfahren. Wir eiern stehend 5 Kilometer bis zur nächsten Tanke – 5000 Colones incl. neuem Schlauch.

Die nächsten zwei Tage erkunde ich die Strände der Umgebung, nur Schotterpisten, gern auch Flussdurchfahrten. Es empfiehlt sich, auf ein Auto zu warten – dann weiß man eher, auf was man sich einlässt. Mit dem Schweizer Messer knacke ich die erste Kokosnuss – das spart 2000 Colones für die Mittagsfütterung. Zurück mit der Fähre nach Puntarenas und dann in den Süden. Am „Rio Grande de Tarcoles“ kommen mir ein paar Krokodile unter die Stollenreifen – glücklicherweise ist eine Brücke dazwischen. Quepos ist nur ein paar Kilometer vom Nationalpark Manuel Antonio entfernt und eine richtig lebendige Kleinstadt – „Pura Vida“ (pures Leben) ist das Motto für hier und das ganze Land. Ich miete mich für zwei Tage ein und nehme am nächsten Tag den Bus. Richtiger Tarzan-Urwald mit jeder Menge Getier. Der Führer hat ein 80-fach Teleskop auf Stativ und weiß, wer wo hockt. Unsere Gruppe ist bunt gemischt – Amerikaner, Schweden, Spanier – im Anschluss an die Führung lümmeln wir uns an einen Strand und baden. Ein örtlicher Mafioso mit Zorro-Maske und Ringelschwanz erpresst Schutzgeld. Wenn nicht gespendet wird, greift er selbst in die Rucksäcke. Seine Eckzähne sind so ca. 3 cm lang – da gibt man gern. Noch weiter südlich liegt der Meeresnationalpark Ballena – da wollen wir hin. Kaum im dritten Gang ist auch schon wieder Pause – ein fetter Mack-Truck hat eine Brücke geknackt. Es fehlen ca. 1,5 Meter – zur Reparatur werden an anderer Stelle Teile entnommen und neu verschweißt. Dieses Verfahren wurde hier wohl schon öfter angewendet – die Lücken sind jedenfalls beachtlich. Das und die Abschätzung der Reparaturzeit bringen einen Ingenieur zum Grübeln. Ich komme mit Frank, einem jüngeren Tico ins Gespräch – er kommt gerade aus der Ambulanz – Platzwunde an der Stirn genäht. War das seine Frau? Er lacht und schüttelt den Kopf. Dann beschreibt er mir einen Umweg durchs Hinterland. Also ab ins Grüne – wir sind ja geländegängig. Aus dem kleinen Schlenker werden 30 km miese Piste mit Flussdurchfahrt, dazu wird es auch von oben feucht.

Dschungel auf Costa RicaMitten in einer sumpfigen Palmölplantage steht eine nagelneue F 650 GS – Alukoffer, Topcase, Tankrucksack und kein Mensch zu sehen. Ein Stück weiter dann noch eine GS, ein amerikanisches Ehepaar und ein Pick Up – sie kommen aus Florida und sind auf Achse 7000 km bis hierher gefahren. Jetzt ist die Frau körperlich am Ende, – sie denken über einen Rücktransport nach. In Uvita suche ich mir eine Cabina mit Air Condition – bei 30°C und 100% Feuchte empfehlenswert. Nach dem Nachmittags-Wolkenbruch gehe ich zum Park. Zwei deutsche Abiturientinnen, Maria und Violeta machen hier „work and travel“, Urwald fegen und so. Violeta hat es erwischt – Juckpickel an allen möglichen Körperstellen. Zum Arzt will sie nicht, sie hat sich mit einer orangefarbenen Tinktur bepinselt, die helfen soll. Sieht zumindest professionell aus.

Unterkunft auf Costa RicaAm nächsten Morgen gehe ich schnorcheln – vor der Bucht liegt ein Korallenriff, dass bei Ebbe teilweise trocken fällt. Viel sehe ich nicht – das Wasser ist trübe. Am Strand suchen rote Krabben nach Futter. Wenn man näher kommt, wetzen sie in ihre Cabinas, Löcher von ca. 4 cm Durchmesser, 20 cm tief. Manche Leute schneiden ihnen den Weg ab – dann werden sie ziemlich nervös und hektisch. Würde ich natürlich nie tun. Im Wald kreuzt eine Ameisenstraße. Die Mädels schneiden Blattstücke ab und schleppen sie ins Nest – fleißige Leute. Das Urlaubsende kommt in Sicht – wir beschließen, etwas für die Kondition zu tun und wählen zurück wieder die Traumstraße der Straßenbauer – über den „Cerro de la Muerte“, 3300 Meter Passhöhe, ab ca. 2500 m in Nebel und Regen. Mir wird schlotterkalt und die XT hustet. Sie gibt alles – es reicht. In Turrialba muss ich dem Vermieter auf einem 10 cm – Globus Hamburg zeigen – er ist beeindruckt. Hierhin verirren sich nicht so viele Touristen. Es ist Markttag und gibt viel zu sehen und alles zu kaufen. Ich liebäugele mit dem Erwerb einer Machete, hier das Universalwerkzeug zum Rasen mähen, Kokosnüsse knacken, möglicherweise auch als Argument und zur Familienplanung.

Fließendes Hindernis auf Costa RicaDer letzte Fahrtag. Wir greifen uns noch zwei Vulkane – Turrialba, Schotter bis auf 3100 Meter und Irazu, Asphalt bis auf 3200 Meter. Die Sonne meint es gut. Die Erde um die Vulkane ist rot- braun und wohl fruchtbar, jedenfalls wird jedes Stück intensiv beackert. Am Ende kommt es dick: einmal quer durch Großraum und Stadt San Jose. Das ist Adrenalin pur, obwohl ich mittlerweile fast wie ein Tico fahre. Noch mal volltanken – Morten von „Wild Rider“ nimmt mir die XT ab – war ein stimmiges Eisen. Ich nehme wieder das nette Hotel – die Tresenmaus strahlt mich an: Hello Wilfred, how are you? Do you had a nice trip? Bleibt ein Regentag, den ich mit dem Goldmuseum beginne. Nachher wird es doch noch schön, ich gehe in die Markthalle, flirte mit einer Straßenverkäuferin – statt Raubdruck-DVD einigen wir uns auf ein Foto. Schwierig wird’s, als ich ein „Camina“ (T-Shirt), Größe S, für meine Frau suche. Die Mädels hier sind rundum, insbesondere jedoch bei der Oberweite, deutlich pfundiger. Dabei fällt mir auf, dass sogar die Schaufensterpuppen hier andere Proportionen haben. Abends wieder „Maria Bonita“, zur Abwechslung mal Carne mexikanisch, etwas Imperial. Einen Wecker brauche ich nicht – um 5 Uhr lebt die Stadt unüberhörbar. Ein Taxi bringt mich zum Flughafen. Diesmal funktioniert am Auto alles, aber der Fahrer bedient beim Spurwechsel, natürlich ohne Blinker, Handy und Funkgerät gleichzeitig.

Die Abordnung von Meyers Weltreisen ist auch wieder mit im Flieger – sie haben Kiemen und Schwimmhäute angesetzt – bei festem Programm und vorgebuchten Unterkünften kann man dem Regen nun mal nicht ausweichen. Ich bringe mein Mitgefühl zum Ausdruck und verspreche, Sonnenschein-Fotos zu mailen. 22 Stunden später kommt die Skyline von Tornesch in Sicht – das wilde Rentnerleben hat mich wieder. Wer auch will, braucht: ca. 2000 Euro für zwei Wochen. Es geht aber auch günstiger: Reiseführer „Reise Know How“ oder „Lonely Planet“, luftige Motorradklamotten, luftige Regensachen, ganz, ganz wenig schnelltrocknende Kleidung, eine Tube Rei, ein wirklich dickes Buch, mindestens Räuberenglisch, ca. 20 Vokabeln Spanisch wie „Una Cervesa Imperial, por favor“. Klickt rein: www.wild-rider.com.