aus Kradblatt 02/17
von Frank Siepmann

Gespann-Wintertour im AllgäuWenn die meisten Solomaschinen gut verpackt in der Garage stehen, fängt der richtige Spaß für die Gespannfahrer gerade an. Sie entfliehen dem unwirtlichen Nebelwetter in den Niederungen durch eine Fahrt in sonnigere Gefilde. Schnee auf den Straßen ist dabei kein wirkliches Hindernis, zumindest wenn der „Schneebrecher“ stilgerecht von einer 40 Jahren alten Guzzi vorangetrieben wird. Frank Siepmann verbrachte ein Wochenende mit einer drei Länder Tour durch das verschneite Allgäu, in den Bregenzerwald und weiter in das Schweizer Appenzell.

Bei Lindau verlasse ich endlich das vernebelte Bodenseeufer, um über die B308 möglichst schnell in die Höhe zu kommen. Dort vermute ich die Sonne und siehe da, schon nach ein paar Kilometern in Richtung Scheidegg tauche ich in eine verschneite, sonnige Schneelandschaft ein. Die Wochenendtour beginnt richtig Spaß zu machen, schlängelt sich die kleine Straße doch über etliche Serpentinen schnell ins winterliche Allgäu. An ein paar Skilangläufern vorbei biege ich bei Lindenberg ab und steuere über teilweise Schnee bedeckte Nebenstraßen das 700m hohe Isny an.

Das Fahren im Schnee klappt gut, ist die weiße Himmelspracht doch relativ griffig. Nur das abwärts fahren an Gefällstraßen verursacht bei mir immer kleine Panikattacken. Beim leichtesten Bremsen mit dem Vorderrad stellt sich die alte Guzzi sofort quer und die Bremswirkung der Trommelbremse am Hinterrad ist auch nicht gerade zu meiner Beruhigung geeignet. Also versuche ich es wie beim Dünen fahren in der Sahara, schalte in einen kleine Gang, schlucke kurz und überwinde mich ganz gegen meinen Willen, leicht Gas zu geben und siehe da, was im Sand geht, funktioniert also auch im Schnee und die Guzzi lässt sich so auch bergab ganz gut fahren. Nach einiger Zeit auf Schnee bedeckten Seitenstraßen, biege ich bei Oberstaufen auf die schneefreie Alpenquerstraße in Richtung Oberstdorf. Die Landschaft um den zugefrorenen Alpsee, wirkt wie eine verzauberte Märchenlandschaft. Schneekristalle glitzern in der Sonne und haben eine so magische Wirkung auf mich, dass ich einige Male stehen bleibe und genieße.
Gespann-Wintertour im AllgäuWährend ich mir so die gebrochenen Sonnenstrahlen im Schnee begutachte, werde ich ein ums andere Mal von Spaziergängern angesprochen: „Ist es nicht zu kalt?“ „Nö, traumhaftes Wetter – ideal zum Motorradfahren!“ antworte ich, setze mich auf den betagten Zweizylinder, lasse ihn anlaufen und hinterlasse etwas irritiert wirkende Fußgänger. Über Immenstadt und Blaichach erreiche ich mit etwas kalten Füßen mein Tagesziel Oberstdorf. Schnell nehme ich meinen Ortlieb-Sack vom Motorrad, verstaue alles in der kleinen Ferienwohnung, die ich angemietet habe und tausche meine Motorradkluft gegen ein kleines Handtuch.

Gespann-Wintertour im AllgäuZieht es mich doch nach kalter Motorradtour am Abend in die Oberstdorfer Kristallsauna, eine der schönsten Saunen, die ich kenne. Ich lausche den „bierisch-banalen“ Gesprächen der Saunagästen, lasse mich in einem orientalischen Hamam durchkneten und genieße, wie die Wärme so langsam wieder Eintritt bekommt, in meine kalten Knochen.

Am nächsten Morgen begrüßt mich die, hinter dem Nebelhorn, aufsteigende Sonne mit einigen Strahlen durch mein gefrorenes Wohnungsfenster. Ein wunderbarer Tag beginnt. Schnell nehme ich mein Frühstück ein, packe die Ortlieb-Tasche wieder auf die Guzzi und verlasse Oberstdorf früh, um die leeren Straßen am Sonntagmorgen auszunutzen. Ein paar Kilometer weiter in Fischen entscheide ich mich den Riedbergpass (1402 Meter) zu fahren. Laut Internetinformation soll er schneefrei sein und wie sich bald herausstellt, hat der PC recht. Die weiße Pracht ist an die Seite geräumt und der Pass lässt sich problemlos bewältigen. Es liegen noch ein paar Frühnebelfelder über der Straße, das Thermometer liegt im Minus-Bereich und ich bin froh, unter meinem Helm, eine Gesichtsmaske angezogen zu haben. Nur die Füße bekommen die ganze Kälte zu spüren und ich entschließe mich zu einem zweiten Frühstück auf der anderen Seite des Passes in Balderschwang. Im „Schwabenhof“ finde ich ausgesprochen freundliche Wirtsleute, die mich mit Tee und einer kräftigen heißen Brühe schnell wieder aufwärmen.
Gespann-Wintertour im AllgäuEine volle Stunde bleibe ich, bis der Nebel sich verzogen hat, um dann mit frischer Sonnenenergie den Bregenzerwald zu durchqueren. Auf kleinen, kurvigen Straßen geht es mal in kleine Täler hinab, um dann sofort wieder, auf eben soviel Serpentinen Höhenstraßen zu erreichen, mit weitläufigem Ausblick auf Rheintal und Bodensee. Es geht mir wunderbar und ich entscheide mich, noch nicht nach Hause zu fahren, sondern einen großen Schlenker durch das Schweizerische Appenzell zu machen.
Vom Rheintal über Gams aufsteigend führt eine gut ausgebaute Passstraße ins 1090 Meter hohe Wildhaus. Eingeklemmt zwischen dem Alpstein und den Churfirsten wurde dieser Ort neben seinen Skigebieten besonders bekannt durch seinen viermaligen Skisprung-Olympiasieger Simi (Simon) Amman. Auch Jahre nach seinem Erfolg über „unseren“ Hanni (Sven Hannawald) hängen die Plakate immer noch an jedem zweiten Haus.

Ich genehmige mir auf einer Sonnenterrasse noch schnell einen Kaffee-Crème und lenke meine Guzzi dann an der Thur entlang bergabwärts in Richtung Will. Ein kleines Wasserschloss bei Hagenwil erregt noch mal meine Aufmerksamkeit und lädt zu einem Stopp ein. Die kleine mittelalterliche Handwerkausstellung rundet das gelungene Winterbiker-Wochenende ab. Bald wird es wieder dunkel. Kalter Nebel legt sich auf mich. Es ist Zeit nach Hause zu fahren. Mit geladenen Sonnenkollektoren lässt sich der restliche Winter nun wohl auch gut durchstehen und ich verstaue die alte Guzzi bestens gelaunt wieder für eine Weile in der Garage.

Gespann-Wintertour im AllgäuWinterfahrer-Tipps:

Die 40 Jahre alte Guzzi wurde in einjähriger Arbeit komplett renoviert. Neben dem überholten Motor, habe ich u.a. die Original 18 Zoll Felgen gegen 15 Zoll Felgen ausgetauscht, so dass ich der Deutschen Rechtsprechung endlich nachkomme und im Winter die Guzzi mit Winterreifen bzw. M/S Reifen ausrüsten kann. Dadurch hat sich das Fahrverhalten auf Schnee natürlich auch verbessert!

Achtung wenn die Straßen im Schatten liegen, dann gibt es oft eisige Stellen, die fatale Folgen haben können. An dem Lenker sind Heizgriffe montiert und zusätzlich Lenkerstulpen. Das zusammen ergibt fast immer warme Hände. Wer Angst vor gefrorenen Schlössern an den Gepäcktaschen hat, kann die Seitentaschen von Ortlieb nehmen. Die sind frostfest und brauchen zum Schließen keine Schlösser.

Reiseinfos

Karten: Ideal sind die Generalkarten vom Mairs-Geographischen Verlag. Die Nummer 18 ISBN 3-8297-2017-3,
4,95 Euro und Nummer 19 ISBN 3-8297-2018-1, 4,95 Euro bieten ein klares Kartenbild, zeigen kleine Orte und Straßen und haben ein handliches Format.

Dazu gibt es noch die Schweizkarte von der Hallwag AG, ISBN ­3-8283-0000-6 für 7,95 Euro.
Zusätzlich bietet sich noch der Marco Polo Reiseführer über das Allgäu ISBN 3-8297-0283-3 für 7,95 Euro an.