aus bma 08/05
von Philipp Laszkiewitz
Vielleicht erinnert ihr Euch an meinen Buell-Bericht aus bma 6/01, als ich gerade ein halbes Jahr im Besitz der Buell war. Und jetzt, rund vier Jahre später? Ich bin mehr als je zuvor der Auffassung, daß die Buell ein klasse Motorrad ist. Jedenfalls habe ich seit über 30.000 km einen Höllenspaß mit dem Bock. Und was währenddessen sonst noch so war, das kommt jetzt;
Die erste große Inspektion fand im April 2001 nach 8.325 Kilometern statt. Neben den normalen Servicearbeiten wurde im Rahmen eines Recalls ein Temperaturfühler für den hinteren Zylinder eingebaut. Kleine Inspektionen sind zusätzlich alle 4.000 km vorgeschrieben.
Die Buell Company zeigt sich auch recht kulant, wenn das Moped meint, Anbauteile zerstören zu müssen. So bemerkte ich im August 2001, daß das GfK-Heckteil im Bereich der hinteren Rahmen-Befestigungspunkte eingerissen war. Die Vibrationen sind für die Maschine offensichtlich gefährlicher als für den Fahrer. Ich stellte also beim Harley-Container in Bremen einen Kulanzantrag. Auch dort war man der Ansicht, daß ein Fehler wie dieser nicht normal sei. Ich hatte wohl ein Montagsheckteil erwischt. Es dauerte dann zwar ewig, bis ich Ersatz erhielt, aber immerhin hätte das Ding 389 Euro gekostet.
Ja, die Vibrationen. Im Stand bei laufendem Motor könnte man teilweise Angst kriegen. Die Schwingungen nehmen von der Gabelbrücke bis zur Achse in einem Umfang zu, daß die Gabel auf Achshöhe horizontal eine Amplitude von plusminus ein bis zwei Zentimetern erreicht. Sobald man anrollt beruhigt sich das wieder.
Das verbleibende Geschaukel ist für die Soziustauglichkeit allerdings nicht gerade förderlich, Uniplanar-Motoraufhängung hin oder her. Als meine Freundin das erste Mal auf der Tortenmulde Platz nahm, war sie erstmal überrascht: „Hui, wie bequem, was für ein komfortabler Kniewinkel”. Leider hielt die Freude nur bis ich die beiden Kolben per Knopfdruck anwies, ihr 96,8 mm langes Rauf-Runter in den Zylindern aufzunehmen: „Muß die so vibrieren?” 30 km weiter war dann endgültig Sense.
Aber solo macht es eh mehr Spaß, ohne daß mich die Vibrationen stören würden. 500 km und mehr ohne Taubheitsgefühle sind locker drin. Die hervorragende Sitzbank steuert ebenfalls ihren Teil zum ganzheitlichen Wohlbefinden bei. Die großzügige Sitzmulde ermöglicht das befreite Herumrutschen und verhindert wirkungsvoll den Wolf im Schritt. Viel herumrutschen kann, muß man während der Fahrt allerdings nicht. Das Fahrverhalten empfinde ich als stabil und neutral, geradeaus läuft die Maschine wie ein Supertanker auf Autopilot, selbst in höheren Geschwindigkeitsbereichen schwingt und flattert nichts. Selbst mutwillig eingebrachte Unruhe prallt an der Buell ab wie Kritik an einem Politiker. Sobald eine Kurve ansteht, reicht ein kleiner Impuls und es wird schräg, und zwar fast unlimited.
Der erste Hinterreifen war bei ca. 9.700 km fällig. Von wegen, die Welt ist eine Kurve. Zumindest ist sie es nicht unbedingt in Norddeutschland. In der Mitte fährt man fast auf dem Gewebe, während man aus den Flanken noch einen prima Vorderreifen stricken könnte.
Im Mai 2002 bei 16.900 km war der Vorderreifen dann fällig. Weniger wegen nachlassendem Profil als vielmehr deshalb, weil Flanken und Lauffläche des Dunlop D 205 kleine Risse aufwiesen. Da der TÜV bevorstand, wollte ich hier lieber nichts riskieren. Zu bemängeln gab es nichts. Dem Inschinör war dieses grazile Exemplar amerikanischer Maschinenbaukunst anscheinend noch nicht untergekommen: „Gibt es die hier zu kaufen?” Der hätte die Plakette auch vergeben, wäre ich mit Springergabel und Apehanger vorgefahren.
Die Radausbauten sind jedes Mal eine gute Gelegenheit, die Bremsen zu reinigen und die Bremsbeläge genauer in Augenschein zu nehmen. Kein Handlungsbedarf bei letzteren, im Gegenteil. Als hätte ich 17.000 km mit den Stiefeln gebremst. Die Bremsklötze der vorderen 340er Sechskolben-Einzelscheiben Anlage scheinen nicht stärker beansprucht zu werden als die von kleineren Doppelscheibenbremsen.
Nach 17.200 km gab es die zweite große Inspektion. Auch diesmal keine Unregelmäßigkeiten. Bei 23.510 km kam der dritte Gummi hinten drauf. Immerhin hat der zweite Reifen länger gehalten als die Erstausrüstung, wobei ich mit dem Wechsel spät dran war. In der Mitte war stellenweise schon die Gummischicht zu sehen, die sich unter der eigentlichen Lauffläche befindet.
Der Ausbau des Hinterrades ist problemlos zu bewältigen. Aufbocken, Bremse abbauen, Riemenspanner lockern, einen 36er-Ringschlüssel ansetzen, Steckachse raus, fertig. Dank Zahnriemen kein Geschmiere mit Kettenfett. Auch die Aluschwinge bleibt kratzerfrei. Nur für den Zusammenbau könnte man fünf Hände gebrauchen: Zwei zum Radhalten, eine für die Steckachse, eine für die Bremsankerplatte und eine für die Distanzhülse.
Die dritte große Inspektion fand bei 26.400 km statt. Es wurde festgestellt, daß das Lenkkopflager eine leichte Rastung aufweist und ein Austausch stattfinden sollte. Außerdem möchte ich bitte die vorderen Bremsklötze im Auge behalten, die wären doch bald fällig. Im Juni 2004 dann mal wieder „Tüff”. Und wieder das Gleiche wie beim ersten Mal: „Was ist das denn für ein Motorrad? Hab ich ja noch nie gesehen.” Die mattschwarzen Kellermann-Micros anscheinend auch nicht. Erst wurde penibelst die ABE studiert, dann wurde vorsichtshalber noch mit der Taschenlampe die E-Kennzeichnung am Blinkerglas überprüft. Wenn man sonst nichts zu tun hat. Hauptsache, die Plakette klebt!
Der Serienzustand blieb der Buell nicht lange erhalten. Von Anfang an montiert war ein längerer Ölfilter. Macht mehr Öl und mehr Oberfläche für eine verbesserte Kühlung. Die originalen Fliegenklatschen mußten Echtcarbonspiegeln und die serienmäßigen Dünngummis Ledergriffen weichen. Die Plaste-und-Elaste-Sprocket-Abdeckung wanderte auf den Dachboden, stattdessen gewährt ein Aluminiumfrästeil freie Sicht auf das vordere Ritzel. Die untere Beltabdeckung an der Schwinge wurde gegen ein gebürstetes Edelstahlteil getauscht. Der Einbau eines K&N-Luftfilters sorgte dafür, daß das Drehmomentloch zwischen 3000 und 4000 Touren nicht mehr so markant er-schien. Besagtes Loch weisen nur die Europa-Modelle auf. Bei den kürzer übersetzten US-Modellen verschiebt sich der Nm-Einbruch in Drehzahlregionen, in denen er nicht negativ auffällt. Ein größeres, steiler angestelltes Windschild vom Schwestermodell X1 Lightning bringt leicht verbesserten Windschutz. Den Lenker konnte ich aufgrund des Raumzuwachses im Cockpit weiter nach vorne drehen, was eine stärker vorderradorientierte Sitzposition und damit mehr Kontrolle bringt. Außerdem hat die Fliegenleichendichte auf der Jacke seither stark abgenommen.
Als eine der krönenden Maßnahmen stand bei ca. 29.500 km der Anbau eines neuen Schalldämpfers an. Eigentlich wollte ich warten, bis der Originaltopf wegoxidiert ist, aber die Blechröhre ist resistenter als man annehmen könnte. Die neue Tüte sieht nicht nur um Längen besser aus (statt Dnjepr-Rostbraun Edelstahl komplett), sondern bringt auch eine Mehrleistung bei PS und Drehmoment. Auch das Nm-Loch wird komplett aufgehoben. Belegt per Prüfstandmessung und – nicht unwichtig bei etwaigen Meetings mit uniformierten Bewegungsmeldern – mit EG-ABE, versteht sich.
Parallel mit dem Anbau des Schalldämpfers kam ich in den Genuß eines weiteren Recalls. Bei den ursprünglich verwendeten Stoßdämpfern sollte es vorkommen können, daß das hintere Befestigungsauge ausreißt. Fahrer der betroffenen Modelljahre hatten daher Anspruch auf einen verstärkten Showadämpfer mit Ausgleichsbehälter. Ich hatte zwar bis zum Umbau nie Probleme gehabt, aber sicher ist sicher.
Da sich die Floater der vorderen Bremsscheibe mit der Zeit heftig in die Scheibe und den Stern eingegraben hatten, bremst hier seit Kilometer 31.500 eine Wave-Scheibe zusammen mit Lucas-Sinterbelägen. Aber wie! Einmal den Bremshebel angeguckt, schon steht die Kiste. Die als unterstützend zu bezeichnende Wirkung der hinteren Bremse läßt sich seither noch besser verkraften als mit dem zum Schluß klapprigen vorderen Serienteil.
Nach ca. 32.500 km waren beide Reifen mal wieder auf. Ich nutzte die Gelegenheit, um eine Paarung mit modernerer Gummimischung aufziehen zu lassen. Für effektiveren Grip sind jetzt Michelin Pilot Road zuständig.
Bei Kilometerstand 33.900 war es dann soweit: Die Helmholtz-Warze hatte ausgedient. Nachdem ich die rechte Seite des Motorrades von etwa einer halben Tonne Röhren und Behältern aus Plastik sowie elf Schrauben und diversen Distanzscheiben befreit hatte, war Platz für den um 90 Grad nach vorn gerichteten Carbon-Ansaugstutzen mit K&N-Filter und Drycharger-Sock von RRC. Effekt: Fast schon Ram Air-Optik, nochmals spürbar mehr Drehmoment sowie freier Blick auf Vergaser und Zylinderköpfe. Der Umbau erforderte außerdem die Verlegung der Zylinderkopfentlüftung. Statt wieder angesaugt und verbrannt zu werden, wird das austretende Luft-Öl-Gemisch jetzt über einen Sportster-Entlüfterbügel entsorgt.
Dieser und der Auspuff-Umbau verhelfen neben der geschilderten Performance-Verbesserung auch zu einem einmaligen Hörerlebnis. Selbst mit Gehirneimer werden die Ohren von einem Sound verwöhnt, der süchtig macht. Und das alles läßt sich schon im Drehzahlbereich Leerlauf bis 2500 U/min genießen. So hoch – oder besser niedrig – dreht die Maschine nämlich dank EU-Übersetzung bei Landstraßentempo. Und dort gehört die Buell hin. Autobahnbrennen ist nicht ihr Ding. Schließlich handelt es sich trotz üppiger Leistungsausbeute aus dem ehemaligen 1200er Harley-Davidson Sportster-Aggregat um einen luftgekühlten Stoßstangenmotor, und dieses Konzept ist nicht unbedingt für hohe Drehzahlen gemacht. Der Reiz liegt darin, auf einer Mörder-Drehmomentwelle kurz über Leerlaufdrehzahl dahinzubollern. Diese Fahrweise belohnt der 45-Grad-Geselle unter dem 19 l-Tank mit Durchschnittsverbräuchen zwischen 4,0 und 4,6 Litern Super Plus auf 100 km. Super ginge zwar auch, allerdings klingelt es dann beim untertourigen Beschleunigen und der Motorlauf wird unruhiger.
Selbst wenn er nicht dementsprechend bewegt wird, ist der Motor hart im Nehmen. 30ºC im Schatten und Stadtverkehr? Unbeeindruckt ballert der luftgekühlte Langhuber vor sich hin und wartet geduldig, bis wieder Fahrtwind für den Abtransport der Stauwärme sorgt. Trotzdem ist eine Buell für die Stadt genauso wenig geeignet wie für die Autobahn. Das Getriebe schaltet sich zäh wie Sirup. Harley baut eher Mofas als daß der Buellfahrer den Leerlauf trifft und ohne Popeye-Unterarme gestaltet sich das andauernde Aus- und Einkuppeln stressig.
Kälte beeindruckt die Kiste ebensowenig. Auch nach längeren Standzeiten in den Wintermonaten reicht zwei bis drei mal nüdeln, dann ist sie voll da, ohne daß es bislang erforderlich war, die Batterie zu laden oder auszubauen. Ein wenig Hightech (Gelakku) hat selbst so ein Simpeleisen wie eine Buell zu bieten. Und da ich keine Kurzstrecken fahre, hat außer mir auch die Batterie ihren Spaß.
So sind bis dato 34.200 km zusammen gekommen. Und ein Ende ist – hurra! – nicht in Sicht.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Buell M2 Cyclone (Teil 2)”
Toller Artikel, witzig und informativ geschrieben. Vielen Dank