aus bma 10/06

von Fritz Hasselbrink

Klosterkirche in Jerichow Am Montag um 8 Uhr sollte es losgehen. Als ich an dem betreffenden Morgen aufstand und aus dem Fenster sah, war der Himmel grau in grau, aber es waren wenigstens zwei Tage trockenes Wetter vorhergesagt. Ich hatte die Wahl, im Regen natürlich, auf der vorgesehenen Strecke, der B 65 über Peine und Braunschweig und dann auf der B 1 über Königslutter nach Magdeburg zu fahren oder auf der BAB 2 bis kurz vor Magdeburg. Um im Regen Ortsdurchfahrten zu vermeiden, entschied ich mich für die Autobahn. Zwischen Braunschweig und Helmstedt war es zwar immer noch bewölkt, aber hin und wieder lugte die Sonne hinter den Wolken hervor. Ich verließ die Autobahn an der Abfahrt Irxleben um über kleine Nebenstrecken nach Jerichow zu gelangen. Jerichow hat ein berühmtes Kloster, und dieses ist der älteste Backsteinbau Norddeutschlands. Es war schon ein beeindruckendes Erlebnis, wie sich aus der Elbniederung die mächtigen romanischen Türme der Stiftskirche zu Jerichow zeigten. 1140 war die Gründung des Klosters durch Prämonstrater Mönche aus Magdeburg. Sie wollten die Slawen östlich der Elbe bekehren.
In der Nähe von Jerichow, in Schönhausen, wurde Otto von Bis-marck, der erste deutsche Reichskanzler, 1815 getauft.
Auf der B 107 ging es nun weiter auf der Reise durch Genthin und auf der B 1 durch die Stadt Brandenburg. Nach Nauen folgte ich der deutschen Alleenstraße. Die Fahrt führte weiter durch kleine romantische Dörfer mit verfallenden Häusern und Ortsdurchfahrten mit Kopfsteinpflaster, auf denen sicherlich schon Napoleon gezogen sein muß. Von Nauen ging es weiter auf der B 273 bis Oranienburg. Hier besuchte ich das ehemalige KZ Sachsenhausen. Es war wohl das erste KZ und wurde schon 1933 in Betrieb genommen. 200.000 Häftlinge waren hier seinerzeit in Baracken zusammengepfercht. Die Sowjets betrieben es weiterhin, und es sollen 65.000 politische Gegner hier umgekommen sein.

 

Auf der B 273 fuhr ich weiter durch Kremmen und über die Dörfer. In Linum hat fast jedes dritte Haus ein von Störchen besetztes Nest auf dem Dach. So viele Störche auf einen Blick habe ich in Deutschland noch nie gesehen.
In Hackenberg steht das Denkmal für die Schlacht bei Fehrbellin vom 18. Juni 1675. Hier kämpften die Brandenburger mit 5.600 Mann gegen eine schwedische Übermacht mit mehr als 11.000 Mann. Bis dahin galt die schwedische Armee als die beste Armee Europas. Unter der Führung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm wurden die Schweden besiegt.
Weiter nach Neurupin, der wohl preußischsten Stadt. Neurupin wurde im 13. Jahrhundert im frühklassizistischen Stil erbaut. Hier wurden unter anderem Theodor Fontane und Karl-Friedrich Schinkel geboren. Nach der Besichtigung der Stadt ging es weiter nach Rheinsberg. Dieser idyllische Ort ist im 13. Jahrhundert am Grienericksee erbaut worden. Hier steht das Schloß, in dem der schon erwähnte Kronprinz Friedrich von 1736 bis 1740 wohnte. Später soll er einmal gesagt haben: „Nur in Rheinsberg war ich wirklich glücklich.” Das bezieht sich sicherlich auf die Romanze mit der Förstertochter Sabine, denn seine spätere Ehe mit Elisabeth Christine von Braunschweig war nicht glücklich. Spiegel-, Ritter-, Mamor- und Muschelsaal sind eine Besichtigung wert. Das Turmkabinett war das Studierzimmer Friedrichs. Später, im Oktober 1740, weilte Friedrich noch einmal in Rheinsberg um einen lang ersehnten Gast, den Schriftsteller Voltaire, zu empfangen. Im Schloßpark an der Hauptallee steht eine Pyramide, in der Prinz Heinrich 1802 beerdigt wurde. Das Schloß wurde diesem 1744 von Friedrich geschenkt. Im Schloß befindet sich auch die Gedenkstätte für Kurt Tucholsky, der hier mit seinem Roman „Ein Bilderbuch für Verliebte“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat.
Allee in Brandenburg Am nächsten Tag war Ravensbrück das erste Ziel. In Ravensbrück gibt es abermals eine Gedenkstätte eines ehemaligen KZs, in welchem von 1939 bis 1945 ausschließlich Frauen eingesessen haben. Ab November 1938 erbauten 500 Männer aus dem KZ Sachsenhausen dieses Konzentrationslager. Nach diesem dunklen Punkt der Geschichte hatte ich auf der Karte eine wunderbar erscheinende Strecke durch die Schorfheide eingeplant. Die Schorfheide war ein Jagdgebiet der „Herrscher des Deutschen Reiches” sowie der „DDR”. Auch König Friedrich Wilhelm IV. hat hier mit seiner Jagdgesellschaft gejagt. Jedoch war dieser vorgesehene Weg gesperrt. Stattdessen gelangte ich an ein wunderbares Hotel am Döllnsee mitten im Wald. Es wurde 1934 im Auftrag von Hermann Göring erbaut. Dieses Hotel war bis Ende 1954 die Heimat des FDJ-Zentralrates, und danach stand es zu Repräsentationszwecken der Regierung der DDR zur Verfügung. Präsident Wilhelm Pieck, Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht und auch Erich Honecker machten hier Urlaub.
Über Golzow und Britz kam ich auf der B 2 nach Chorin. In Chorin befindet sich eine in norddeutscher Backsteingotik erbaute Zisterzienser Klosterruine. Im 30-jährigen Krieg wurde dieses 1258 erbaute Kloster zerstört. Berühmt sind die Konzerte, die im hergerichteten Kirchenmittelschiff stattfinden.
Auf der B 2 in Eberswalde führte meine Strecke links ab nach Liepe. Hier kommt man in Niederfinnow an ein großes Schiffshebewerk. Es wurde in den Jahren 1927 bis 1934 für 27,5 Millionen Reichsmark erbaut. Die Hubhöhe für Schiffe, die den Finnokanal befahren, beträgt 36 Meter. Die Höhe des gesamten Bauwerks beläuft sich dagegen auf 60 Meter. Ein Schleusungsvorgang dauert 20 Minuten. Der Finnowkanal wurde 1605 mit 20 Schleusen, von denen 12 Stück noch intakt sind, erbaut. Auch der Kanal wurde im 30-jährigen Krieg zerstört, jedoch unter Friedrich dem Großen wieder aufgebaut.
Am nächsten Tag fuhr ich, nach Besichtigung des Museums der Seelower Höhen, weiter auf der B 1 über Müncheberg und Bad Sarow nach Wünsdorf.
Wünsdorf ist seit 1870 als Militärstandort geprägt, hat sich aber in den letzten Jahren zu einer Bücherstadt entwickelt.
Auf der B 96 Richtung Berlin ging es nun durch Zossen, Dahlewitz und Blankenfelde nach Großbeeren. Hier war die entscheidende Schlacht im Napoleonischen Befreiungskrieg am 23.8.1813 gegen das napoleonische Herr mit 77.000 Soldaten. Die Preußen, verstärkt durch die Schweden und Russen, verfügten über eine Übermacht von 100.150 Soldaten. Unter der Führung des Feldmarschalls von Boyen siegten die Preußen, und Napoleon erlag einer schmerzlichen Niederlage. Inmitten Großenbeerens steht ein Gedenkturm an diese Schlacht, auf dem „Windmühlenhügel“ steht die Bülow-Pyramide und auf dem Kirchhof ist ein Siegesmahl zu finden.
Ab Großenbeeren ging es wieder in Richtung Hannover. Ich hatte nun die Wahl über die BAB 10, den Berliner Ring, und dann auf der BAB 2 zu fahren, oder über Potsdam, Werder, Brandenburg und so weiter auf der B 1 durch Dörfer und Städte zu fahren. Ich entschied mich für die Autobahn, denn durch Dörfer war ich in den letzten drei Tagen genug gefahren. Dadurch kam ich noch am späten Abend in Hannover an. Insgesamt haben mich die drei Tage 1.122 Kilometer auf Preußens Spuren durch Brandenburg geführt.