aus bma 10/02
von Jens Seehase
Schon seit einiger Zeit besaß unser Freund „Scheele” eine zum Chopper umgebaute BMW R25/3, die er irgendwann mal ganz witzig fand und spontan gekauft hatte (dazu kamen noch eine knappe Hand voll weiterer Motorräder, alles Einzylinder). Mit dem winzigen und ultraharten Sitzkissen, vorverlegte Fußrastenanlage sowie einer kurzen Dragbar sah die kleine BMW zwar ganz gut aus, war aber absolut unbequem und dazu leider noch in Rotmetallic lackiert. Zumal ließ der winzige 4-Liter-Tank nur kurze Runden „um den Block” zu.
So beschlossen Scheele, Peter und ich im Winter daraus ein auf das Nötigste beschränktes und (ganz wichtig) bequemes Bike zu stricken, mit dem man auch mal eine etwas längere Tour unternehmen kann.
Als erstes wurde das Krad komplett zerlegt, der Rahmen und einige andere Teile gestrahlt. Der Zahn der Zeit hatte doch schon heftig daran genagt. Zwischenzeitlich sichtete Scheele seinen Bestand an auf Teilemärkten zusammengetragenen Anbauteilen. Scheele vertrat bei der Suche nach Teilen immer einen etwas eigensinnigen Standpunkt: „Ich habe da einen schönen Sattel gefunden. Da kann ich bestimmt ein geiles Moped drunterbasteln…”. So kam er immer mit auf den ersten Blick völlig unwichtigen Schnäppchen nach Hause. Und sei es nur ein Rückspiegel von fünf Zentimetern Durchmesser, den der TÜV akzeptiert, durch den man aber absolut nichts sieht. Dieses Teil bekam dann auch die R 25 spendiert (wir wurden gefragt, aus welchem Wellensittich-Käfig dieser Spiegel entwendet wurde.
Nach Instandsetzung des Rahmens wurden ein kleiner Schwingsattel und ein 8 Liter fassender HD-SportsterTank angepasst, schließlich wurde eine gewisse Langstreckentauglichkeit angestrebt. Der Sattel bereitete dabei die größten Schwierigkeiten, sollte er doch möglichst flach auf dem Rahmen liegen und trotzdem genügend Federweg für ausreichend Fahrkomfort vorhanden sein. Nach langwieriger Anpasserei wurde die Fußrastenanlage etwas verkürzt. Eine SR-500-Segelstange auf acht Zentimeter hohen Risern ergaben dann die gewünschte entspannte und ergonomische Sitzposition. Es stellte sich bei Sitzproben verschiedener Freunde heraus, dass die Anpassung aller Teile so genial gewählt war, dass wirklich alle – ob groß, ob klein – superbequem auf der kleinen Lady Platz nehmen konnten. Schon jetzt stellte sich bei allen das berüchtigte „fest eingebaute Grinsen” ein, welches sich später, als die Maschine dann das Pleuel bewegte, noch verstärken sollte.
Damit die ganze Optik stimmiger geriet, wurden die Schutzbleche noch auf das Allernötigste verkürzt und das Rück-/Bremslicht eines Traktors montiert.
Die Wahl der Lackierung bereitete fast keine Schwierigkeiten, Schwarz, die Farbe für klassische Motorräder, musste es sein. Aber welches Schwarz? Glänzend? Seidenmatt? Matt? Die Wahl fiel am Ende auf Porscheschwarz glänzend, das schwärzeste Schwarz das ich finden konnte. So hatte die BMW insgesamt drei Farben: Schwarz, Chrom und sauberes Aluminium.
Bei der technischen und optischen Optimierung von Motor und Getriebe kamen einige nichtalltägliche Leckerbissen und Kuriositäten. zum Vorschein. So stammte der Zylinderkopf von einer BMW-Isetta. Die ursprüngliche rechteckige Verrippung wurde verrundet und auf Doppelzündung umgebaut. Der etwas seitlich versetzte Ansaugflansch des Isetta-Kopfes erlaubte den Anbau eines im Verhältnis zum Original monströsen Keihin-Vergasers einer Honda CX 500 mit K&N-Luftfilter. Das Getriebe stammte von einer R 25/2, Baujahr 1949, mit Hand- und Fußschaltung. Die Kupplung bekam noch eine stärkere Druckfeder, damit sie bei der Leistunngssteigerung von nominellen 13 auf ca. 15 PS nicht ins Rutschen kam.
Peter (der jetzige stolze Besitzer) strickte eine komplett neue Elektrik, welche auf das nötigste beschränkt wurde: Zündung, Scheinwerfer, Rück- und Bremslicht, Ladestromkreis, eine Sicherung und das unter dem Sitz versteckte Zündschloss einer Honda Monkey. Drei feine Stücke High-Tech wurden noch spendiert: Ein elektronischer Laderegler, eine winzige Hochleistungs-Sechsvolt-Doppelzündspule sowie eine kontaktlose, digitale Zündung mit 15 Kennlinien, die eine stets exakte Anpassung auf Fahrten in der Ebene oder im Gebirge, im Solo- oder Gepannbetrieb ermöglichte. Auf Instrumente verzichteten wir bis auf eine (wichtige) Ladekontrolle gänzlich. Als Hupe kam eine Gummiballtröte zum Einsatz, die sogar lauter ist als das elektrische Original. Da die magere Sechsvolt-Anlage nicht in der Lage war, ein normal großes Nummernschild auszuleuchten (so steht’s amtlich im Brief) durften wir auf ein kleineres Leichtkraftrad-Blech zurückgreifen.
Montiert wurde alles übrigens in einer Drei-Zimmer Wohnung in der ersten Etage. Mit drei Mann wurde die eigentlich leichte Maschine dann für die erste Probefahrt durch das Treppenhaus gewuchtet. Unten angekommen gestaltete sich das Ankicken mühelos und die kleine BMW bewegte nach anfänglichem Gezicke das Pleuel. Originaler Auspuffton und kaum gedämpftes Ansauggeräusch ließen die umstehenden Kumpel schon mal aufhorchen: Ja, so muss sich ein Krad anhören. Nachdem die Maschine sich dann etwa zwei Minuten warmvibriert und sich ein schön ruhiger Leerlauf eingestellt hatte, nahm Scheele mit den Worten „Ein Moped kann gar nicht einzylindrig und viertaktig genug sein” vorsichtig Platz.
Kupplung gezogen, vorsichtig den ersten Gang eingelegt und… AUS! Der riesige Unterdruck-Membranvergaser hielt es nicht für nötig, auf den Ansaugunterdruck der leicht erhöhten Leerlaufdrehzahl zu reagieren. Neuer Versuch, diesmal mit etwas mehr Gas. Alles klar: Scheele und das Gerät schraddelten die Straße auf und ab. Alles bestens! Auch die Balltröte wurde ausprobiert.
Wir waren uns alle einig: Ein feines kleines Bike hatten wir da auf die Räder gestellt und waren mächtig stolz. Nur Scheele kam plötzlich in schwere Gewissensnot. Er wusste nicht mehr, womit er am besten fahren sollte. Seine XT 500 machte ja nun leider auch schon einmal tierisch Spaß, die kleine BMW erst recht und eine ältere SR 500 wollte auch noch bewegt werden. Nun hat Mensch aber nur ein Sitzfleisch, unter das er ein Moped klemmen kann. Hinzu kam, dass Scheele zu allem Überfluss den Gedanken an einen alten Engländer nicht aus dem Kopf bekam… Noch ein Moped? Das wäre wirklich zu viel. So ergab es sich, dass Peter das ihm bereits zweimal angebotene Vorkaufsrecht auf die BMW kurzentschlossen wahrnahm.
Beim ersten Schalten krachte das Getriebe als ob es sich gleich zerlegen wollte. Nix da mit Synchronisation. Jeder Schaltvorgang dauerte zwei, drei Sekunden. Zwischengas und Zeit waren angesagt, um die Masseträgheiten zu überwinden und die Zahnräder sachte zueinander zu führen. Nach einer Woche intensiven Trainings hatte Peter es dann drauf, die Gangwechsel wie unsere Väter ohne Krachen und Knirschen glatt zu bewerkstelligen. Das Fahren mit der R 25 wurde von da an immer mehr zum reinen Vergnügen und das breite Grinsen zum festen Physiognomiebestandteil des Bikers.
Mit dem Beschleunigungsvermögen einer Wanderdüne und einer nur mit reichlich Anlauf erreichbaren Vmax von 110 km/h müssen natürlich etwas andere Maßstäbe angelegt werden. Es ist einfach nur schön, zu spüren, wie sich jedes Teil der Maschine unter einem bemerkbar macht. Das Fahrverhalten der nun fast 50 Jahre alten Lady ist zwar etwas wackelig, in Kurven und auf Bodenunebenheiten benimmt sich die Maschine auch etwas anders als moderne Konstruktionen, aber alles ist völlig unspektakulär. So geht es mit manchmal sogar mit schleifenden Fußrasten fröhlich um die Ecken. Die Geradeweg-Federung des Hinterrades hat dabei ihre liebe Mühe, aber wie gesagt, alles völlig unspektakulär…
Geschwindigkeit und Beschleunigung verlieren an Bedeutung. Was zählt, ist das Viertakten an sich. Ansaugen-Verdichten-Krafthuben-Auspuffen. Alles schön langsam und zum Mitzählen. So schraddelt man gemütlich durch die Landschaft mit 60 bis 80 km/h, lässt die Natur auf sich wirken, genießt den Klang des Originalauspuffs und das Ansauggeräusch des Güllepumpenvergasers. Man wird auch plötzlich wieder von Bauern auf dem Feld gegrüßt, weil man nicht mit 200 km/h die Hühner platt fährt und die gegen die R 25/3 noch die Chance haben, davonzuflattern.
Bikerherz, was willst Du mehr? Langsam fahren kann ja sooo schön sein!
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Kommentare
2 Kommentare zu “BMW R 25/3 Chopper”
Moin Jens, ich bin derjenige der Dir damals das Bike veräußert hatte. (Als der kleine rote Tank noch drauf war). Muß 1998 gewesen sein. Hast Du den Hobel noch oder weißt Du wer Ihn jetzt hat? Würde das Teil dann evtl. zurückkaufen,-falls es zum Verkauf steht. Gruß, Frank 😎
Moin Jens,
Sehr schöner Beitrag…einige Dinge kommen mir sehr bekannt vor (-:
Leider kann ich keine Bilder sehen…bin wahrscheinlich zu blöd!? Hast du vorher/nachher Bilder..gibt’s einen Link?
Mache mir auch Gedanken über einen 250er Chopper und
Suche Anregungen.
Danke und Grüße, Marc