aus bma 03/06

von Norbert Jeurink

Im Februar 2002 schrie es in meiner Garage nach einer Veränderung meines Fuhrparks. Also fuhr ich zum BMW-Händler meines Vertrauens und entledigte mich dort zweier Motorräder. Und wo ich schon mal da war, nahm ich gleich eine R 1100 S mit. Mit meinem neuen Spielzeug hatte ich nämlich einiges vor. Ich wußte nur noch nicht was.
Schönwetterfahrzeug, garagengepflegt hieß es noch im Verkaufsraum. Das Ganze noch mit ABS, Kat, Heizgriffen und Gepäcksystem. Das Zuckerschlecken hatte nun ein abruptes Ende, die erste Ausfahrt ging nämlich bei leichtem Schneetreiben zum Elefantentreffen. Knöcheltiefer Matsch, deftiger Frost, Lagerfeuer, die besten Kumpels und reichlich Alkohol. Hurra, das Leben hat wieder einen Sinn.
Im Spätsommer testete ich erst einmal das Rutschverhalten auf dem Zylinder und das Knieschleifen bei liegendem Motorrad auf der Seite. Schon komisch, wenn nach einem Crash der Fahrer längst wieder auf den Beinen steht und neben ihm die Karre fröhlich Rillen in den Asphalt schleift. Außer ein paar Kampfspuren am Zylinder war die Sache glimpflich verlaufen. Offensichtlich bin ich diese Kurve wohl zu langsam angegangen.

 

Das ganze Jahr über sammelte ich Ideen bis der Oktober kam. Die Ideen nahmen mit Fotomontagen am PC Formen an. Ich wollte loslegen. Ach ja, hatte ich schon erwähnt, daß ich aus meiner S eine GS machen wollte? Quasi eine Reisesupermoto. Der Ort des Geschehens war schnell auserkoren: Die heiligen Werkstatthallen meines BMW-Vertragshändlers. Dort war auch mein BMW-Papst „Pusti”, seines Zeichens Werkstattmeister, fast immer anzutreffen. Er war auch einer der treibenden Kräfte für den Umbau, da er so etwas schon immer vor hatte.
Wir fingen kurz vor Weihnachten mit der Demontage an. Dann begannen die ersten Probleme. Unterhalb der Lampe bestand die „S” fast komplett aus Elektrik. Der Kabelbaum mußte einseitig komplett abgeklemmt werden. Mindestens 250 Kabelbinder später stellten wir fest, daß der halbe Kabelbaum auch schon gut 2,5 Meter lang ist. Der Anbau des vorderen Hilfsrahmens und der Lampe gestaltete sich dagegen relativ problemlos. Beim Wechsel der Standrohre stellten wir verdutzt fest, daß die Standrohre der S länger sind als die der GS. Also blieben die der S drin. Vorne wurde noch das Federbein gewechselt. Es wurde ein GS-Federbein eingebaut, welches noch zusätzlich mit Unterlegscheiben vorgespannt wurde. Irgendwie mußte man den Bock ja hochkriegen, wenn man schon kleinere Räder hat. Bei der Anprobe des GS-Tanks stellten wir fest, daß dieser schief lag. Die Ursache hierfür war recht einfach: Eine S hat einen größeren Ansaugschnorchel als die GS. Deswegen ist bei ihr die Batterie etwas rechts montiert. Diese drückt den Tank, welcher über sie gestülpt ist, auch nach rechts. Also raus mit dem Batteriehalter und rein mit einem von einer GS.
Die meisten Teile bekam ich von jemanden aus England, der Unfall-BMWs aufkauft und schlachtet. Apropos Ansaugschnorchel: Dieser mußte ja aus beiden Modellen bestehen, und so rückten wir meinen Originalteilen mit der Säge ans Leder. Die Verbindung des Vorderteils der GS mit dem Hinterteil der S wurde mittels einer leeren Öldose und Heißkleber in eine Grundform gebracht, welche später mit Kunststoff überbacken wurde. Diese Arbeit wurde durch einen Snowboardbastler durchgeführt. Besten Dank auf diesem Wege. Dieser fräste auch den Instrumententräger glatt und setzte eine Platte ein. In diese Platte flexte ich ein Loch und setzte die Instrumente der S ein. Ein weiteres Problem kam mit dem Ölkühler. Dieser sitzt um 180° verdreht an der GS. Ich wollte schon einen neuen holen, doch Pusti wollte es wissen. Mit einem Metallbohrer, welchen er in den Anschluß steckte, verdrehte er vorsichtig die Anschlüsse einfach in die andere Richtung. Hält bis heute dicht. Der Kühler wurde dann mit Autoscheibenkleber an seine Position geklebt. Die neue Gabelbrücke kam von Fallert, nur den dazugehörigen Lenker einer GS mußte ich neu kaufen. Der Kabelbaum wurde mit etlichen Kabelbindern wieder fixiert. Das Heck wurde durch eine kürzere Paraleverstrebe von einer GS um ca. 5 cm angehoben.
Bei der Sitzbank mußte ich in die Trickkiste greifen. Die Aufnahme mußte auf das Heck der S passen und der Tankabschluß an einen GS-Tank. Von Pusti bekam ich von einer Unfall-GS eine zertrümmerte Sitzbank. Zu Hause überlegte ich, wie ich die Rundung der Sitzbank wieder herstellen könnte. Durch Zufall bemerkte ich, daß Mutters Garteneimer eine ähnliche Rundung hatte. Also Sitzbankreste mit Silikon auf den Eimer geklebt und mit einer Flex ausgeschnitten, fertig. Nun noch den vorderen Teil gerade abflexen und bei der S-Bank die vorderen Flügel gestutzt. Beide Teile vernietete ich mit Montageband aneinander. Fertig war die Unterkonstruktion. Mit diesem Gerippe und den Schaumstoffpolstern machte ich auf zu einem befreundeten Sattler. Einige Tage später war die Sitzbank fertig.
Nun hatte ich ein zu 85 % fertiges Motorrad und war trotzdem beleidigt, denn ich wollte die Jungfernfahrt zum Elefantentreffen 2003 machen. Das war aber durch nichts auf der Welt mehr zu realisieren.
Ein zweirädriger fahrbarer Untersatz war auf die Schnelle nicht zu finden. Also durfte mein Geländewagen herhalten. Wieder zu Hause ging die Maloche an der Kuh weiter. Besser gesagt die Diskussion über die Lackierung. Ich wollte durch und durch schwarz, ohne Aufkleber und Embleme. Doch Pusti meinte, es müsse eine Kontrastfarbe her. Seine Argumente zogen. Ich entschied, das Felgen, Ventildeckel und einige Anbauteile im Gelb der Adventure lackiert werden sollten. Einige Aufkleber wurden dann doch aufgeklebt. Da das Kind schließlich einen Namen brauchte, wurde nach langem überlegen „S 1100 GS” gewählt. Zum Schutz der Aufkleber wurden diese zum Teil überlackiert.
Als die Teile von Picasso wieder da waren, stellten wir bei der Montage des Schnabels fest, daß dieser wegen des steiler gestellten Tanks nicht so recht bündig mit diesem passen wollte. Also wurde die Stoßkante des Schnabels noch etwas mit der Fräse bearbeitet, bis er paßte. Im Übrigen sollte der Schnabel komplett neu erstellt werden. Er sollte aggressiver aussehen und die Blinker der S beinhalten. Doch konstruktiv ließ sich das nicht bewerkstelligen.
Nun kam die Stunde der Wahrheit. Onkel TÜV mußte seinen Segen geben. Nach einem Telefonat erfuhr ich, daß ich alle veränderten Teile auf einem Zettel notiert zur Abnahme mitbringen sollte. Beim TÜV angekommen stellte ich fest, daß an diesem Tage eine TÜV-Party stattfand. „Ist ja mal was ganz anderes”, begann der Prüfer. Nach einer Proberunde über den Platz grinste er über alle Backen und verschwand im Büro. Der Prüfer kam wieder und hatte alles abgesegnet. Den Rest des Wochenendes verbrachte ich fast ausschließlich auf meinem Motorrad.
Dann fingen mich nach ein paar Monaten Klappergeräusche aus Kat und Endschalldämpfer an zu nerven. Es hatten sich Schweißnähte gelöst, und nun klapperten die Innereien fröhlich umher. Nach Gesprächen mit meinem Vertragshändler bekam ich auf Kulanz einen neuen Kat samt Endschalldämpfer. Ich wählte einen von AC Schnitzer und zahlte etwas dazu. Hat nicht jeder und hört sich auch besser an.
Und was hat der Spaß gekostet? Wie gesagt, die meisten Teile waren Gebrauchtteile. Da mehr S-Teile abgebaut als GS-Teile angebaut wurden, und ich die S-Teile dank R1100s.de und ebay relativ gut verkaufen konnte, hielt sich der Preis ziemlich die Waage. Zumal sich ein Sponsor noch an der Lackierung beteiligte. Unterm Strich blieben ca. 50 Euro übrig. Diese wurden aber in Getränke investiert, so ein Ergebnis muß schließlich begossen werden.
Auf diesem Weg möchte ich mich noch bei Pusti, Jöni, Tobi und Karin bedanken, die mir sehr bei der Verwirklichung des Projektes geholfen haben. Ferner geht Dank an: Rotze Design und Sille.