aus bma 07/03

von Matthias Schnicke

1Bereits kurz nach meinem 15. Geburtstag machte ich meine ersten Erfahrungen mit einer Einzylindermaschine. Es war eine Zündapp KS 25, welche mich über Jahre hinweg, Sommer wie Winter, äußerst zuverlässig überall hin befördert hatte. Seit dieser Zeit im Herbst 1974 hat meine Begeisterung für Motorräder nicht mehr nachgelassen. Im Verlauf der Jahre konnte ich mit diversen Modellen verschiedener Hersteller Erfahrungen sammeln. Eines hatten Sie bis heute alle gemeinsam: Sie waren Einzylinder.
Im Frühjahr 2001 übernahm ich in der BMW-Niederlassung Bremen meine neue Maschine. In diversen Zeitschriften hatte ich zuvor gelesen, dass mit diesem Modell ein neuer Stern am Einzylinderhimmel aufgegangen sein soll. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen gesteckt, besonders nachdem der Schmerz über das geplünderte Sparbuch noch spürbar war.
Ein Faktor für den Kauf war auf jeden Fall das Design. Wenn eine Maschine in Enduro-Optik überhaupt gut aussehen kann, so ist es hier wohl gelungen. Doch ausschlaggebend war letztlich sicher die Neugier auf den so hoch gelobten Motor. Hier findet man alles was sich in ein modernes Triebwerk einbauen lässt. Angefangen mit der Vier-Ventiltechnik, über die Wasserkühlung, zwei obenliegende Nockenwellen, digitales Motormanagement sowie geregelte Katalysatortechnik. Wenn daraus dann auch noch 50 PS bei 62 Nm Drehmoment entstehen, werden auch hohe Ansprüche erfüllt. Die Beschleunigungswerte stehen dem in nichts nach. Bereits nach gut 5 Sek. erreicht man 100 km/h und wer möchte, lässt sich dann weiter bis zur Spitze von etwa 170 km/h tragen. 

BMW F 650 DakarDie vorgesehene Einfahrstrecke von 1.000 km bot sich an, um sich mit den Einzelheiten vertraut zu machen. Die Dakar ist gegenüber der Serie um 40 mm höher gelegt, was zur Folge hat, dass die Sitzbank 870 mm hoch ist und erst mal erklommen sein will. Personen unter 1,80 m Körpergröße werden hier Probleme bekommen. Auf Menschen, welche dieses Maß mitbringen, wartet dann allerdings eine ausgezeichnete Sitzposition mit gutem Knieschluss und angenehm entspannter Haltung der Arme. Das gegenüber der Serie ebenfalls erhöhte Windschild bietet erstaunlich viel Schutz, sowohl gegen Fahrtwind wie auch bei starkem Regen als Abweiser, gleiches gilt für die bereits ab Werk montierten Handprotektoren. Ein Hauptständer ist nicht lieferbar. Daher fällt es um so mehr auf, dass der Seitenständer zu kurz ausgefallen ist. Es fällt schwer die Maschine, besonders im beladenen Zustand aufzurichten. Da ist noch Änderungsbedarf.
Endlich war die Einfahrzeit vorüber und die Nadel im Drehzahlmesser konnte ihren Tanz beginnen, welcher durch den Begrenzer bei 7500 U/min beendet wird. Die ersten längeren Fahrten führten durch das Weserbergland und den Solling. Es wurden die werkseitig angebotenen Koffer montiert, welche sich nie störend bemerkbar machten, auch wenn die empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 km/h deutlich überschritten wurde. Besonders praktisch ist auch die Möglichkeit das Volumen durch ein- bzw. ausziehen zu variieren. Selbst nach tagelangen Regenfahrten waren beide Koffer absolut dicht.
Sollte der Fahrer mal nicht seinen besten Tag haben, so besteht wenig Gefahr, denn selbst grobe Fahrfehler werden durch das Fahrwerk ausgeglichen. Trotz des steilen Lenkkopfwinkels ist der Geradeauslauf garantiert. Lediglich bei böigem Wind kann es mal zu Unruhe kommen. Dieses gute bis sehr gute Fahrverhalten ändert sich bei korrekter Federeinstellung auch kein bisschen im Zweipersonenbetrieb mit Gepäck. Allerdings sollte dann auf Schnellstarts verzichtet werden, da sonst das Vorderrad abhebt. Dieser Beladungszustand führt dann allerdings die Bremsen an Ihre Leistungsgrenze. Bei unfreiwilligen Vollbremsungen muss dann alle Fingerkraft aufgebracht werden, um die dann mit voller Zuladung 390 kg schwere Maschine zum Stehen zu bekommen. Im Einzelbetrieb ist dies allerdings nie ein Thema. Inzwischen wird auch für die Dakarversion ein ABS-Bremssystem angeboten, welches 2001 noch nicht lieferbar war. Aber auf Grund der guten Dosierbarkeit in Verbindung mit den besonders bei Nässe sehr überzeugenden Michelin Reifen, Typ Sirac, gab es bisher keine unangenehmen Überraschungen. Lediglich Spurrillen oder Absätze in Fahrtrichtung machten sich negativ bemerkbar.
F 650 Dakar BremseDie Idee der Ingenieure, den Tank unter die Sitzbank zu legen, hat nur Vorteile. Zu keiner Zeit empfindet man die Maschine, trotz der imposanten Höhe, als kopflastig. Obwohl die äußere Erscheinung den Gedanken auf einen Ausflug ins Gelände aufkommen lässt, sofern denn noch geeignete Flächen erreichbar sind, werden diese Phantasien von rund 195 kg gebremst. Doch in Gesprächen mit anderen Besitzern habe ich des öfteren gehört, dass mit entsprechender Stollenbereifung auch grobes Gelände gemeistert wurde. Langsamer Stadtverkehr sowie Stop and Go auf der Autobahn, vielleicht auch noch zu zweit, sind auch nicht nach dem Geschmack der Dakar. Hier lässt sich am deutlichsten spüren, dass die Konstrukteure an andere Einsatzgebiete gedacht haben.
Noch ein paar Sätze zu den Unterhaltskosten. Das größte Sparpotential bietet sicher der sehr geringe Spritverbrauch. Während die erste Serie noch Superbenzin benötigt, laufen die Modelle ab 2002 mit Normalbenzin. Wie immer hat es jeder selbst in der Hand wie viel durch die Einspritzanlage strömt. In meiner bisherigen Fahrpraxis kann ich alle Werksangaben bestätigen, selbst die 3,3 ltr. auf 100 km sind zu erreichen. Bei 90 km/h über Landstraßen zu reisen macht noch mehr Spaß wenn es auch noch günstig ist. Anders sieht es da schon mit den Inspektionskosten aus. Nach jetzt fast 25.000 km waren inzwischen drei davon nötig, die 1.000 km mitgerechnet. Hier waren Beträge fällig, für die auch so mancher Mittelklassewagen gewartet wird. Doch der Vorher-Nachher Effekt ist dementsprechend groß und die aufwändige Technik lässt sich eben nicht mehr in der Bastlergarage bezwingen.
Alles in allem bietet diese Maschine eine hochwertige Verarbeitung, was sich u. a. auch in dem reichhaltigen Bordwerkzeug zeigt. Inzwischen haben sich diverse Anbieter mit speziellem Zubehör auf dieses Modell eingestellt. So lassen sich auch ausgefallene Wünsche leicht erfüllen, wobei ich als nächstes an den Kauf eines sorgfältig angepassten Kühlerschutzgitters denke. Nach den 18 Monaten Fahrpraxis, die nun im Ganzjahresbetrieb hinter mir liegen, hat mich die Vielseitigkeit der Maschine überzeugt. Die faszinierende Leistungsentfaltung des Motors in allen Drehzahlbereichen hat mich immer neu die Freude am Fahren erleben lassen.