Biker-Brummi-Hilfe-2013Vom 10. bis 18. Mai steuerte ein LKW-Konvoi des Vereins Biker-Brummi-Hilfe Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in Bosnien und Herzegowina an. Hefer der örtlichen Motorradclubs packten kräftig mit an und die Hilfe wurde dankbar angenommen…

 

 

aus bma 7/13
von Tobias Kortas

Biker-Brummi-Hilfe-2013-GruppenbildVom 10. bis 18. Mai steuerte ein LKW-Konvoi des Vereins Biker-Brummi-Hilfe Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in Bosnien und Herzegowina an. Der von Vereinsgründer Hermann Munzel organisierte Spendentransport versorgt die Krankenhäuser der Städte Livno und Srebrenica mit medizinischen Geräten und Klinik-Equipment. Außerdem belieferten die ehrenamtlichen Helfer um den begeisterten Motorradfahrer Munzel eine Schule im Ort Srebrenica mit Möbeln. Unterstützung kam von den Eurobikern, die als Mutterorganisation der Biker-Brummi-Hilfe, mit von der Partie waren. Außerdem engagierten sich verschiedene einheimische Motorradclubs.

Auch 18 Jahre nach Ende des Balkankonflikts entspricht das bosnische Gesundheitssystem alles andere als den Bedürfnissen der Bevölkerung des Landes. Eine umfangreiche Erneuerung für im Krieg zerstörte Krankenhäuser ist auch in der heutigen Zeit nicht in Sicht. Aus diesem Grund hatte es sich die Biker-Brummi-Hilfe zum Ziel gemacht, dem Balkanstaat bei der medizinischen Versorgung seiner Einwohner unter die Arme zu greifen. Denn Utensilien, die deutsche Kliniken aus den verschiedensten Gründen ausmustern, sind in Bosnien Gold wert.

Mit seiner zehnjährigen Erfahrung, die er sich bei Charity-Transporten quer durch Europa erarbeitet hat, kann Hermann Munzel so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Stets freundlich, aber bestimmt, weist der Motorradfan die Fahrer in ihre Aufgaben ein und kümmert sich gleichzeitig um die organisatorischen Angelegenheiten.

Biker-Brummi-Hilfe 2013 AndachtWährend der Fahrt ist es für alle Beteiligten eine große Herausforderung, die Lastzüge beisammen zu halten. Obwohl die Fahrer über CB-Funk in Kontakt zueinander stehen, fällt es schwer, die Fahrmanöver zu jeder Zeit aufeinander zu koordinieren. Funkprobleme und kleinere Unstimmigkeiten über die Route sorgen für mehrere angespannte Momente, die es zu bewältigen gilt. So zum Beispiel als Horst Seegers mit seinem Mercedes am Rest der Kolonne, der auf einer Raststätte vor Passau wartet, vorbeifuhr. Doch mit genug Geduld und gegenseitiger Rücksichtnahme, können die Fahrer alles richten – Seegers findet wieder zur Kolonne zurück.

Eine wahre Geduldsprobe erwartet den Konvoi dann ausgerechnet beim Grenzübergang von Slowenien nach Kroatien, wollen Muntel und Co. das Land schließlich nur auf dem Weg nach Bosnien durchfahren. Trotzdem: Die Grenzbeamten kontrollieren die mitgebrachten Papiere genau und lassen sich Zeit dabei. Viereinhalb Stunden vergehen, ohne dass der Transport seinem ersten Ziel namens Livno näherkommt. 

Erfordert der Transport der in etwa 1800 Einzelstücke schon einiges an Kraft und Ausdauer, so klingt auch der monetäre Aspekt während der gesamten Tour mit. Über 15.000 Litern an Treibstoff, die die elf Trucks auf ihrer 5000 Kilometer langen Fahrt zusammen verbrauchen, gehen ins Geld. „Mein Truck verbraucht mit seinen 480 PS und 22 Tonnen Gesamtgewicht 25 Liter“, freut sich der pensionierte Bahnbeamte Kurt Kastens, denn der Verbrauch eines 40-Tonners liegt im Durchschnitt bei 30 Litern auf 100 Kilometern. 

Biker-Brummi-HilfeDies führt dazu, dass eine gehörige Summe an Spenden von Firmen und Privatpersonen sowie an Mitgliedsbeiträgen des Vereins Biker-Brummi-Hilfe fällig wird. Doch der Aufwand zahlt sich aus. „Der Gebrauchswert der Spendengüter liegt auf jeden Fall im siebenstelligen Bereich“, weiß Munzel. 

Die wahren Maßstäbe einer groß angelegten Hilfsaktion sind jedoch keine Zahlen, viel mehr sind es die glücklichen Gesichter der beschenkten Menschen, die interkulturellen Begegnungen mit den verschiedensten Charakteren und nicht zuletzt das Gefühl, sich gemeinschaftlich um eine wichtige Sache zu kümmern, die der Bosnien-Fahrt einen unschätzbaren Wert verleihen.

Biker-Brummi-Hilfe am RastplatzGetreu diesem Motto zeichnet sich direkt hinter dem kroatisch-bosnischen Grenzübergang ein rührendes Bild: 50 Eurobiker und „Wölfe“ aus Bosnien, Kroatien, der Schweiz und Deutschland nehmen den Konvoi herzlich in Empfang. Zusammen mit den Truckern genießen sie Augenblicke, die schon fast etwas Heldenhaftes an sich haben – viele winkende Menschen an den Straßen bescheren den vielen Helfern einen prägenden Empfang.

Doch der große Moment kommt erst bei der Spendenübergabe an das Krankenhaus in Livno. Ungefähr 30 Mitglieder des örtlichen Motorradclubs „Die Wölfe“ packen tatkräftig an und entladen die ersten drei 40-Tonner, die Fahrer der Biker-Brummi-Hilfe unterstützen sie dabei.

Wer in das Krankenhaus eintritt, dem wird schnell klar, warum das örtliche Gesundheitssystem eine Charity-Aktion wie diese bitternötig hat – denn es ist kaum zu glauben, dass in den heruntergekommenen Räumlichkeiten tatsächlich Menschen behandelt werden: Der Fußboden blättert ab, an den Wänden fehlt zum Teil der Putz und das Glas am Treppengeländer ist gerissen. Doch immerhin zeigt sich, dass sich die Krankenhaus-Angestellten engagiert um die Materialien kümmern und diese auch in Zukunft hegen und pflegen wollen. Beim Empfang mit dem Chef-Arzt Mihovil Sucic gibt Munzel wegweisende Worte: „Unsere Spenden sind mit der Haltung verbunden, dass es eine Gemeinschaftsaufgabe ist, Krankenhäuser zu erhalten. Ich hoffe, dass die zuständigen Menschen das Resultat unserer Arbeit bestehen lassen.“ Dabei könne man die bosnische Gesundheitspolitik mit einem Kind auf einer Schaukel vergleichen. „Im bildlichen Sinn geben wir Ihnen als Vater Anschwung. Nun liegt es an Ihnen, ob sie in Zukunft selbst Schwung geben oder auf der Schaukel sitzen bleiben“, veranschaulichte der Neurologe. 

Die Motorradfahrer aus Livno werden als Freunde der Eurobiker nun die politischen Vorgänge in der Stadt unter die Lupe nehmen und berichten, was mit den Spendengütern geschieht. Auf diese Weise wollen die Biker-Brummi-Hilfe und die Eurobiker laut Munzel verhindern, dass „das Gesundheitssystem dem wirtschaftlichen Wettbewerb überlassen“ wird.

Einfahrt nach SrebenicaSteuerte der Hilfstransport während der ersten beiden Tage in Bosnien Livno und dessen Krankenhaus an, ging es in den nächsten Tag nach Gracanica, von wo aus die noch beladenen LKWs außerdem die ostbosnische Grenzstadt Srebrenica ansteuerten. Eine Ambulanz in Gracanica sowie eine Schule und das Krankenhaus in Srebrenica standen noch auf der Bedarfsliste.

Sind die Krankenhäuser in Bosnien spärlich eingerichtet und mitunter baufällig, so zeigt sich auf der Fahrt nach Gracanica anhand der Behausungen ein ähnliches Bild: Viele Gebäude sind verlassen und verfallen, ab und an lassen sich sogar Einschusslöcher in den Häusern erspähen. Die Spuren des Krieges sind nicht zu übersehen. Unter Bauruinen mischen sich zahlreiche angefangene, aber nicht fertiggebaute Häuser. Grund dafür ist das Steuersystem, welches für nicht vollständig bebaute Grundstücke geringere Tarife verlangt. Doch das Bild ist ambivalent und unter heruntergekommene Gebäude mischen sich luxuriösere Wohnhäuser. Und auf den Straßen begegnen einem viele hochwertige Autos. Und trotzdem: Viele Menschen sind bettelarm und fahren, kaum zu glauben, zur Bearbeitung der eigenen kleinen Felder mit Pferd und Wagen vor. 

In Gracanica angekommen geht es nach einem Zusammentreffen mit Mitgliedern des Motorradclubs Scorpioni zum Entladen auf dem Gelände der örtlichen Ambulanz. Drei Sattelzüge voll mit Krankenhausbetten, medizinischem Gerät, Krankenhauswäsche und sonstigen Gegenständen fahren heran, um von den Motorradfahrern entleert zu werden. 

Gemeinsam abladenWährend das Personal der Ambulanz die Spendengüter verstaut, machen sich die Angehörigen der Biker-Brummi-Hilfe und die Eurobiker um Vereinspräsident Axel Schnakenberg ein Bild von den dortigen Zuständen. Viele von ihnen fragen sich, ob das zuhauf eingeführte Material überhaupt eine angemessene Verwendung findet. Denn das bosnische Gesundheitssystem verfolgt verstärkt wirtschaftliche Interessen und funktioniert demgemäß weniger nach dem Gedanken des hippokratischen Eides. 

Bei allen Sorgen um den Verbleib der Spenden hat sich bei Munzel ein Gedanke festgesetzt: „Ab dem Zeitpunkt der Übergabe liegen die Gegenstände nicht mehr in unserer Obhut. Dann vertrauen wir darauf, dass alles auch tatsächlich zu seinem angedachten Zweck eingesetzt wird“, erklärt der Neurologe den Bürgermeistern und Chef-Ärzten stets seine Haltung.

Aber dennoch sind Sorgen berechtigt. Aus Srebrenica erhielt Munzel immer wieder verschiedene Angaben bezüglich der gewünschten Spenden. Zwei Tage vor dem geplanten Abladen hat sich die Chefärztin Ljiljana Ivancic immer noch nicht bei Munzel gemeldet. Es herrscht Unklarheit darüber, ob Srebrenica auf das Eintreffen der Güter vorbereitet ist. „Wenn keine Klarheit herrscht, bringen wir auch nichts“, ist der Weyher wütend.

Schließlich kommt aber noch die Nachricht, dass die Verantwortlichen vor Ort informiert seien und die letzten drei 40-Tonner können in Srebrenica vom lokalen Motorradclub Argentum Riders entladen werden. 

Biker-Brummi-Hilfe-2013Dementsprechend zog Munzel ein positives Fazit: „Als ich im November hier war, bin ich mit einem bedrückten Gefühl herausgegangen. Heute bin ich weniger bedrückt, weil nun klare Verhältnisse herrschen“, sagt der Mediziner. Srebrenicas Bürgermeister würdigte Munzel und die Biker-Brummi-Hilfe mit Urkunden. Entsprechende Danksagungen erhielten auch Srecko Boras als Vorsitzender der bosnischen Eurobiker der Argentum Riders Srebrenica.

Dessen Heimatstadt erlangte im Jahr 1995 traurige Berühmtheit: In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli ermordeten serbische Truppen hier im Zuge des Balkankonflikts offiziell 8372 überwiegend muslimische Jungen und Männer. In Srebrenica ereignete sich auf diese Weise ein ähnlicher Genozid wie jene Massenmorde während des Zweiten Weltkrieges.

Heute erinnert eine Gedenkstätte an die Geschehnisse, die Srebrenica zu trauriger Berühmtheit führten. Zwischen unzähligen Gräbern sind Gedenksteine aufgestellt worden.

Und noch immer hat Srebrenica unter den Folgen des Balkankonflikts zu leiden. „Vor den Kämpfen hatten wir etwa 35.000 Einwohner, heute sind es nur noch rund 10.000. Uns fehlen ganze Generationen“, erklärte der Bürgermeister der Stadt. Dies führt dazu, dass die Bewohner der Region um Srebrenica zum Teil Wege von 50 bis 60 Kilometern zum Krankenhaus auf sich nehmen müssen – umso wichtiger ist, dass die betreffende Klinik dann gut ausgestattet ist. 

Aus diesem Grund wird sich Munzel in den nächsten Monaten über den Verbleib der Spenden informieren. Etwa in einem halben Jahr ist der begeisterte Motorradfahrer dann mit der Vorbereitung der nächsten Spendentour beschäftigt. Ein konkretes Ziel steht noch nicht fest. „Doch wir überlegen, eventuell nach Albanien oder nach Mazedonien zu fahren“, klärt Munzel auf.

INFO:

Der Verein „Biker-Brummi-Hilfe e.V.“ (BBH) wurde am 3.4.2011 im südniedersächsischen Uslar gegründet. Er hat seinen Vereinssitz in Weyhe bei Bremen. Der Verein wurde von motorradfahrenden Fuhrunternehmern und ihren Freunden gegründet, er gab sich die Struktur einer selbständigen Sektion im Netzwerk der Eurobiker (www.eurobiker.de). Den Biker-Brummi-Hilfe e.V. findet man online unter www.bb-hilfe.de, telefonisch gibt’s Infos unter 04203-6088.

Einzelspenden sind immer willkommen und wer dem e.V. beitreten möchte, erhält die Mitgliedschaft ab einem Mindestbeitrag von 50 Euro im Jahr. Infos dazu gibt es auch per e-mail bei Dr. Hermann Munzel unter h.munzel@bb-hilfe.de.

Websites der Motorradclubs:
MC Wölfe Livno, www.mc-vukovi.org
MC Scorpioni Gracanica, www.scorpioni.net
MC Argentum Riders Srebrenica: www.facebook.com/mkagriders.srebrenica