aus bma 05/08

von Jens Möller

Benelli Trek Was war das damals für ein Spaß, als wir die Benelli TnT für den Fahrbericht zur Ausgabe Juli 2005 hatten. Äußerst rotziger und druckiger Motor, gerahmt von einem ungewöhnlichen und gut funktionierenden Fahrwerk, und eine Optik, die mutig selbstbewußt polarisierte. So klappt das auch mit dem italienischen Straßenkämpfer. Doch nicht jeder kann sich mit dieser aggressiven Grundhaltung anfreunden. Man wird ja nicht jünger, und die Vernunft nimmt oftmals mit den gewonnenen Lebensjahren zu. Beweisen muß man sich selbst und anderen nichts mehr.
Das wurde wohl auch bei Benelli in Pesaro erkannt, denn die Italiener zimmerten auf dem Grundgerüst der TnT einen neuen Brocken zusammen, Trek genannt. Und obwohl die Trek mit ihrem hohen Lenker, der großflächigen Frontmaske und der überaus aufrechten und bequemen Sitzposition sofort Assoziationen an die Gattung Großenduro weckt, will die Trek nicht als solche verstanden werden. Und erst recht ist sie nicht angetreten, um in Berlin produzierte Klassensieger herauszufordern. Ihr Ziel ist vielmehr die aufrechte Gangart für alle, denen die eingangs erwähnte TnT doch einen Tick zu sportlich ist, die aber nicht auf deren Charakter gänzlich verzichten wollen. Nur eben etwas bequemer soll es sein, „per favore”.

Daß es hier wirklich nicht um eierlegende Wollmilchsäue geht, macht schon der Blick auf die Bereifung der Trek klar. Schlappen im Format 120/70 und 180/55 auf 17-Zöllern stehen auch Sportlern gut zu Gesicht. Und auch wenn der montierte und etwas gröber profilierte Dunlop D 270 anderes suggerieren möchte, bleibt die gut befestigte Teerstraße die erste Wahl für die Trek, will man nicht unliebsame Bekanntschaft mit den 229 Kilo des vollgetankten Mopeds machen.

Benelli Trek Da die Trek schon das Grundgerüst mit der TnT teilt, machte man auch beim Motor nicht viel anders. Nun drücken zwar nur noch 125 PS bei 9000 U/min nach vorne, im Gegensatz zu den 129 PS der TnT, aber die Abstimmung folgt nun noch mehr der Richtung unten/Mitte. Sprich, das maximale Drehmoment liegt jetzt schon bei 5000 Touren an und preßt die Trek mit 112 Nm nach vorne. Das hört sich doch schon mal sehr gut an. Lässiges Leben auf der Drehmomentwoge, die bereits ab 3000 U/min die 100 Nm-Marke passiert und diese bis zum Begrenzer auch nicht wieder verläßt. Drücken soll es also.
Doch es drückt nicht ganz so wie erwartet. Wie jetzt? Da wird zeilenlang über die Leistung des Motors geschrieben, und dann nur ein laues Lüftchen? Nein, werter Leser, so ist es auch nicht. Aber die an sich gute Abstimmung des Motors kann die viel zu lange Gesamtübersetzung des Motorrades nicht kaschieren. 245 km/h Höchstgeschwindigkeit gibt Benelli für die Trek an. Und selbst wenn man den guten Windschutz berücksichtig, bleibt dieser Wert doch nur ein theoretischer, den niemand aufrecht kradelnd auf einem solchen Motorrad lange aushalten will und kann. Nein, da kann zwar nicht mehr von langsam gesprochen werden, und auch ein Durchzug im letzten Gang von 60 auf 140 km/h in sieben Sekunden ist aller Ehren wert. Man erwartet nur eben noch mehr, wird das Gefühl nicht ganz los, daß hier Zurückhaltung geübt wird, daß da mehr ginge, wenn sie nur dürfte. Es fehlt halt einfach der deutliche Faustschlag in der Magengegend, den man bei so einem Motor erwartet. Doch die Jungs von Motorrad Heuser aus Hamburg, die uns die Benelli Trek geliehen hatten, wüßten diesen Eindruck durch eine verkürzte Übersetzung bestimmt zu widerlegen. Denn sonst funktioniert der Motor formidabel, läuft bereits knapp über Standgas rund und nimmt Gasbefehle sauber und ruckfrei an. Zumindest fast immer. Wenn die Drehzahl arg tief in den Keller gesunken ist, braucht der Einspritzrechner manchmal einen Moment mehr als erwartet, um die richtige Spritmenge zu dosieren. Dann passiert kurzfristig wenig, gefolgt vom vollen Programm des sämigen Hochdrehens des Dreizylinders. Und ja, es gibt noch einen Funken Kritik, der nicht ungenannt bleiben darf. Wie schon die TnT genehmigt sich auch die Trek gerne einen Schluck aus der Spritpulle. Ob man jetzt zur Spaß- und Spritverbrauchsreduzierung den Power-Knopf im Cockpit drücken sollte, sei mal dahingestellt. Aber ein Verbrauch von guten sieben Litern im gemäßigten Mischbetrieb erscheint schon ein bißchen zu hoch. Aber die „emozione” hat halt ihren Preis.
Benelli TrekUnd zum Glück macht diese „emozione” nicht vorm Fahrwerk halt. Stabil führt die 50 mm messende Marzocchi Upside down-Gabel mit 150 mm Federweg das Vorderrad. Und zwar so gut, genau so komfortabel und mit exakt der Rückmeldung, die es fürs Kurvenswingen braucht, daß die nicht vorhandenen Einstellmöglichkeiten nicht vermißt werden. Die Hinterhand tut es ihr gleich. Auch hier verwöhnen die 150 mm Federweg des in Zugstufe und Vorspannung, bequem per Handrad, einstellbaren Sachs-Federbeins. Wobei eine sachte Straffung der Hinterhand zu einem noch gesteigerten Kurvenvergnügen führte. Selbst wenn so das geschwungene Teerband mit winterlichen Frostaufbrüchen glänzt und die Geschwindigkeit kurzfristig den erlaubten Landstraßenrahmen übersteigt, die Trek segelt gelassen und zielgenau auch dann noch durch die Radien. Lässig hinter den hohen und breiten Lenker geklemmt, könnte man so stundenlang ausharren, wenn der erwähnte Verbrauch nicht wäre. Denn Feuer im Brennraum sorgt auch für Feuer im Portemonnaie, der 21 Liter fassende Tank mahnt dann schon nach 250 km zur nächsten Befüllung, will man nicht nervös auf Reserve weiterbügeln.
Dabei könnte man doch noch länger, bequem thront es sich 840 mm über dem Boden mit angenehm platzierten Fußrasten, die einen entspannten Kniewinkel zulassen, dennoch eine mehr als ausreichende Schräglagenfreiheit bieten. Da müssen die Reifen schon deutlich über die Kanten gefahren werden, damit die handliche Benelli anfängt mit ihren etwas schmalen Rasten zu kratzen.
Benelli TrekZügigem Vorwärtskommen steht auch die Bremsanlage nicht im Weg. Die Doppelscheibenbremse mit 320 mm großen Scheiben wird von Brembo-4-Kolbenzangen in die Mitte genommen. Da paßt die Verzögerung, die Stahlflexleitungen übertragen genau das gewünschte Maß an Bremsdruck. Zwar nicht per Ein-Finger-Technik, dafür aber stets sehr gut dosierbar und mit einem gleichmäßigen Druckpunkt. Auch hinten geht es fleißig zu bei der Energieumwandlung. Die 240er Scheibe wird bissig in die Mangel genommen, was die Dosierbarkeit zwar etwas erschwert, der guten Bremsleistung aber keinen Abbruch tut. Nur ein ABS fehlt noch zum perfekten Verzögerungsauftritt. Aber da tritt wohl das teutonische Sicherheitsdenken zu stark in den Vordergrund. Denn wir bewegen hier immer noch eine Italienerin, und das bedeutet, die Priorität mehr Richtung Spaß als in Richtung Vernunft zu verschieben. Auch wenn die hochbeinige Trek schon beinah unvernüftig vernünftig für ein italienisches Motorrad daherkommt.
Wie viel Vernunft noch geboten wird, verdeutlichen beispielsweise die langen Inspektionsintervalle von 10000 km. Da ist dann zwischendurch schon der ein oder andere gute rote Tropfen drin. Und auch bei einem Anschaffungspreis von 11990 Euro plus Lieferkosten kann man nicht meckern. Die Konkurrenz, auch wenn sie wie die bajuwarische 12er GS gar keine direkte ist, muß teurer bezahlt werden.
So empfiehlt sich die Benelli Trek all denjenigen, deren Motorrad nicht perfekt bis in letzte Detail sein muß, die aber dennoch auf eine gediegen gute Verarbeitung, ein wohlwollend gelungenes Design und Emotion gesteigerten Wert legen. Denn wenn die Übersetzung erst mal paßt, wird die Trek zum wilden Tier, rockt es richtig, dröhnt der Dreizylinder schaurig-schön in den Gehörgängen. Und das alles bei aufrecht unaufgeregter Gangart, die lange Etappen möglich macht, den kurzen Spaß nach Feierabend aber genau so vermittelt. Auf daß die Italiener um Benelli nie technokratischer werden mögen, ihren Dreizylinder in Beton gießen und ihm ein Denkmal setzen. So klappt es mit dem Vorwärtskommen vom Schotterweg bis zur Autobahn, und das alles mit hochgezogenem Mundwinkel, denn die Benelli Trek macht einfach Spaß. Und mehr kann man wirklich nicht verlangen.