aus bma 5/11 – Erfahrungsbericht

von Felix Hasselbrink

Am_StrandIn den letzten Jahren war der Winter in unserer Gegend so schneereich und salzgeschwängert, dass an Motorradfahren eigentlich nicht zu denken war. In der Hoffnung auf ein paar schöne Tage blieb die Maschine zwar angemeldet, aber wer will das geliebte Bike schon dem aggressiven Streusalz aussetzen, bloß weil mal für ein paar Stunden die Sonne scheint? Nach dem frühen Wintereinbruch im November war mit langem Zweiradentzug zu rechnen, doch da fiel mir ein, dass ja im letzten Jahr ein schweizer Italo-Händler (Grisoni-Racing) Motorradurlaube in Spanien angeboten hatte. Ob es das auch 2011 wieder geben würde?

Nachdem ich etwas gesucht hatte, wurde ich fündig und das las sich nicht schlecht: Fünf Tage im Januar in Südspanien, zur Auswahl die aktuellen Modelle von Ducati und MV Agusta, so dass man jede Menge unterschiedlicher Motorräder ausprobieren kann. Inklusive Flug, Hotel und Motorradmiete sollte der ganze Spaß knapp 1.500 Schweizer Franken, also etwas mehr als 1.100 Euro, kosten. Soweit so gut. Aber selbstverständlich war das Angebot für schweizer Kunden zurechtgeschnitten, Start- und Zielpunkt der Reise war Zürich. Da muss man ja als Mitteldeutscher erst einmal hin- und zurück kommen. Das kostet nochmal Zeit und Geld. Aber kurze Verhandlungen mit dem Veranstalter lösten das Problem unkompliziert. Ich konnte meine Anreise selbst organisieren, und mir wurden die Flugkosten aus dem Gesamtangebot erlassen. Schnell hatte ich einen passenden Flug von Frankfurt nach Jerez für wenig Geld gefunden und damit stand der frühzeitigen Saisoneröffnung nichts mehr im Weg – also buchen!

KurvenparadiesVier Termine im Januar standen zur Auswahl, die Gruppen sollten aus jeweils höchstens 15 Teilnehmern bestehen. Am 12. Januar, einem Mittwoch, ging es dann endlich los. Die Vorfreude war fast schon unbeschreiblich. Im Frankfurter Regen startete der Airbus bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, und etwa fünf Stunden später, nach einem Zwischenstop in Madrid, empfing mich Jerez mit 18 Grad Celsius und strahlendem Sonnenschein.

Der Veranstalter, Jürg von MaxTravel, war so nett, mich am Flugplatz abzuholen und zum Hotel zu bringen. Die anderen Teilnehmer waren bereits dort. Auf dem Hotelparkplatz stand ein Sattelschlepper mit MV Agusta-Lackierung und großem Vorzelt. Darin warteten knapp 20 italienische Diven darauf, am nächsten Tag ausgeführt zu werden.

Beim gemeinsamen Abendessen in einem netten Restaurant in der nahegelegenen Altstadt von Jerez konnten sich die Teilnehmer näher kennen lernen, wobei viele bereits miteinander bekannt waren. Unsere Gruppe war recht klein und bestand aus lediglich sechs Personen. Drei Deutsche (Reinhard, Horst und Herbert) kamen aus Donau-Eschingen, was ja nicht weit von der Schweizer Grenze entfernt ist. Die zwei Schweizer (Daniela und Elmar) waren bereits mit den Veranstaltern befreundet. Und dazu ich als mitteldeutscher Einzelkämpfer. Jürg organisierte das Event, und die Firma Grisoni-Racing stellte die Motorräder. Der Chef, Christian Monsch genannt Hitsch, der Ducati-, Honda- und MV Agusta-Vertretung aus Landquart zwischen Bodensee und Chur hatte mit Peter und Reto zwei Angestellte mitgebracht. Es wurde ein lustiger Abend. Die Chemie zwischen uns stimmte, ich hatte nur Probleme, die Dialekte zu verstehen, wenn schneller geredet wurde.

DorfAm Donnerstag stand dann Motorradfahren auf dem Programm: 10:30 Uhr ging es los. Wieso so spät? Das ist einfach zu erklären: In Südspanien geht die Sonne gut zwei Stunden später auf als bei uns, dafür scheint sie am Abend entsprechend länger. Außerdem war es früh am Morgen meist noch recht nebelig. Jeder von uns konnte sich frei ein Motorrad aussuchen. Zur Verfügung standen die Ducatis: 848, 1198, 1198 S, Hypermotard 796, Hypermotard 1100 Evo SP, Monster 696, Monster 796, Monster 1100, Monster 1100 S, zweimal Multistrada 1200 S sowie vier MV Agustas: F4, Brutale 910, Brutale 990 R und Brutale 1090 RR. Da fühlte man sich wie im Paradies. Als erstes entschied ich mich für die rote MV Agusta Brutale 990 R.

Hitsch, ein ehemaliger Rennfahrer, fuhr mit seiner Multistrada 620 vorneweg. Als weitere Guides waren Jürg und Reto mit dabei. Peter blieb im Hotel zurück. Er hatte sozusagen Bereitschaftsdienst, falls irgendetwas passieren sollte.

Jerez liegt ungefähr dreißig Kilometer von den hügeligen Motorradparadiesen Andalusiens entfernt, dafür bietet die Stadt aber bei schlechtem Wetter diverse Unterhaltungs- und Besichtigungsmöglichkeiten von der Altstadt über Sherry-Bodegas bis hin zur Königlich-Andalusischen Reitschule. Bis zur Atlantikküste, der Costa de la Luz, sind es ungefähr 30 Kilometer Richtung Westen, und Gibraltar, das Tor nach Afrika, liegt ungefähr 120 Kilometer südöstlich. Früher fand dieser Event als Andalusienrundreise mit Start- und Zielort Málaga statt, da musste man auch bei schlechtem Wetter weiterfahren, um das nächste, gebuchte Hotel zu erreichen. Für 2011 hatte man sich das erste Mal für einen festen Standort entschieden.

BoxencrewAlso galt es, erst mal knapp 15 Minuten auf der Autobahn zu fahren. Da störte der Morgennebel dann auch nicht so sehr. Noch bevor wir die Berge erreicht hatten, klarte das Wetter schlagartig auf, und strahlender Sonnenschein versprach einen schönen Tag. Hitsch legte ein zügiges Tempo vor und führte uns bald über kleinere Straßen durch die spanische Landschaft, die in Andalusien sehr abwechslungsreich ist. Die flache Region rund um Jerez hat nur wenige Bäume. Aber das Hügelland ist teilweise kräftig bewaldet. Sanft geschwungene Hügel wechseln sich ab mit schroffen Felsformationen. Weite Täler, schöne Bergpanoramen, natürliche Seen und auch Stauseen laden zum Verweilen ein – aber wir sind ja zum Motorradfahren hier.

Bei der forschen Gangart galt der Blick mehr der Straße. Starker Re­gen hatte in den letzten Tagen hier und da Dreck auf den Asphalt ge­spült. Außerdem sind die kleineren Straßen nicht immer im besten Zustand, aber trotzdem gut fahrbar. Man darf da halt keinen deutschen Maßstab ansetzen. Und in schattigen Ecken konnte die Straße auch am Nachmittag noch vom Morgennebel feucht sein, so dass man immer etwas aufpassen musste.

Auf dem Rückweg kamen wir an Arcos vorbei. Arcos ist der Hauptort der weißen Dörfer, und vor allem die Altstadt, die auf einem steilen Felsen oberhalb des Flusses Guadalete liegt, ist eine Touristenattraktion. Nach einer Kaffee-Pause ging es von hier wieder zurück nach Jerez.

MotorradtauschAm ersten Tag fuhren wir 280 Kilometer. So ungefähr alle 70 Kilometer legten wir eine Kaffee- bzw. Mittagspause ein. Bei den Stopps wurden teilweise je nach Lust und Laune die Motorräder unterein­ander getauscht. So konnte man die verschiedenen Motorräder direkt miteinander vergleichen. Nach der kleinen Brutale probierte ich mal die Brutale 1090 RR aus. Die fuhr sich doch gleich etwas druckvoller und wirkte irgendwie erwachsener. Beim letzten Tankstopp des Tages wechselte ich auf die Ducati Streetfighter, aber die Strecke zum Hotel war nicht mehr weit. Die Maschine musste ich in den nächsten Tagen nochmal ausprobieren. Der spanische Verkehr ist flüssiger als das Treiben auf deutschen Straßen. Die Fahrer passen besser auf und pochen nicht so auf ihr Recht. Wir haben es oft erlebt, dass Spanier auf ihre Vorfahrt verzichtet haben, um unseren Pulk komplett passieren zu lassen. Selbst im Kreisverkehr wurde angehalten! Auch auf engen Straßen machte man uns oft Platz, damit wir besser überholen konnten. Während die anderen nach der Tour auf ein oder zwei Biere in die dem Hotel gegenüber liegende Bar gingen, zog ich es vor, mir etwas die Altstadt von Jerez anzuschauen. Genauso wie auf dem Land sind auch in der Stadt viele Fenster vergittert, das lässt Zweifel an der Ehrlichkeit der Spanier aufkommen. In den engen Gassen herrschte auch nach Einbruch der Dunkelheit geschäftiges Treiben. Die Läden hatten lange auf, und vor vielen Bodegas konnte man draußen sitzen.

Für den zweiten Tag stand die längste Tour der Reise an, heute sollte es zum Mittelmeer gehen. Marbella, nicht weit entfernt von Málaga, war das Ziel. Das hieß einmal von Westen nach Osten über ein paar Pässe quer durch Andalusien und wieder zurück. Ich sicherte mir erst einmal eine der beiden Multistradas. So ein Teil ist bequem wie ein Lehnstuhl – raufsetzen und sich wohlfühlen. Am Morgen war es nebelfrei aber noch etwas frisch, da waren die serienmäßigen Heizgriffe der Touring-Version nicht zu verachten. Über gut ausgebaute Straßen ging es erst gen Osten nach Ronda, da bogen wir Richtung Süden ab. Kurven über Kurven führten uns nun an Berghängen entlang Richtung Südosten. Hier und da sind für die Touristen gute Fotostopps ausgeschildert, aber bei unserer Tour stand das Motorradfahren im Vordergrund. Wer lieber Städte besichtigen oder in Ruhe Landschaften bewundern will, muss sich einen anderen Reiseveranstalter suchen.

MeerSo gegen 14 Uhr erreichten wir mit einer Kaffee-Pause das Mittelmeer. Das Thermometer im Cockpit zeigte 22 Grad an, aber es kam mir deutlich wärmer vor. Kurze Zeit später saßen wir im T-Shirt im Strandrestaurant, blickten aufs Wasser hinaus, sahen schemenhaft Afrika am Horizont und konnten kaum glauben, dass es Mitte Januar war. Vor ein paar Tagen hatte ich in Deutschland noch Schnee geschippt! Die meisten von uns bestellten Fisch, der direkt am Strand gegrillt wurde. So muss Urlaub sein!

Nach dem Essen hieß es, sich wieder von der Costa del Sol zu verabschieden. Ich wechselte von der großen Multistrada auf die kleine Hypermotard 796. Die Multi ist eine große Reisemaschine mit ordentlich Power und vielen technischen Raffinessen, dagegen wirkt die handliche Hypermotard fast schon wie ein leichtes Moped. Das Tempo wurde nochmal etwas schneller. Mehr als sportlich flott donnerten wir im Formationsflug die Strecken zu zwei Pässen hinauf. Das höchste Schild, an dem wir vorbeikamen, zeigte knapp 1.200 Meter über Meereshöhe an. Es herrschte wenig Verkehr, auf den Geraden hatte ich etwas Mühe, mit den Big Bikes mitzuhalten, aber nach ein paar Kurven war ich wieder dran.

Am dritten Tag ging Daniela lieber in Jerez einkaufen als Motorrad zu fahren. Dafür stieß Birgit, die Frau von Jürg zu uns. Das führte dazu, dass wir etwas langsamer fuhren – nun konnte man auch häufiger mal einen Blick in die Landschaft riskieren. Südspanien ist wirklich schön und sehr abwechslungsreich, hierher muss ich nochmal mit mehr Zeit zurückkommen.

Auf der sehr kurvenreichen Strecke war es in den schattigen Waldpassagen teilweise noch nass, und zahlreiche Bitumenausbesserungen sowie rutschiger Asphalt ließen uns vorsichtig fahren. Unter diesen Bedingungen zeigte sich, dass der Vorderradspritzschutz der Hypermotard absolut unzureichend ist. Der Reifen schleudert den Dreck über den Scheinwerfer hoch bis zum Helmvisier, so dass Motorrad und Fahrer bald recht gesprenkelt aussahen.

Beim Mittagessen in Jimena de la Frontera wies uns ein Spanier darauf hin, dass wir die Helme wegen Diebstahlgefahr lieber nicht auf den Motorrädern liegen lassen sollten.

Am Ende des Tages zeigte der Tacho der Hypermotard 1100 Evo SP, mit der ich unterwegs war, exakt 300 Kilometer mehr an. Laut Aussage eines Multistrada-Fahrers sollen wir sogar 325 Kilometer gefahren sein. Soviel zur Genauigkeit der modernen Digital-Tachos.

An diesem Samstag waren uns schon recht viele Motorradfahrer begegnet. Das sollte sich am Sonntag noch steigern. Am Morgen war der Nebel so stark, dass wir bereits nach etwas mehr als zwanzig Kilometern die erste Pause einlegten, um abzuwarten, dass sich der Nebel lichtet. Als es weiter ging, fuhren wir anfangs noch etwas vorsichtig auf dem kalten und feuchten Asphalt. In dieser Phase überholten uns zwei Gold Wings mit spanischen Kennzeichen. Aber bald wurde es sonnig, und die Straßen trockneten ab. Uns begegneten viele Motorräder, die teilweise in großen Pulks fuhren. Für den Tag stand nur eine kleine Runde von 150 Kilometern nördlich von Jerez auf dem Programm, weil das schon unser Abreisetag war. Bei der obligatorischen Kaffee-Pause konnte Jürg sich eine Frage an unseren Rennfahrer nicht verkneifen: „Hitsch, wann bist Du denn das letzte Mal von einer Gold Wing überholt worden?“

Am frühen Nachmittag waren wir wieder zurück in Jerez. Nach Duschen und Umziehen saßen wir noch eine Weile beim Truck zusammen, dann brachten uns Hitsch und Jürg zum Flugplatz. Nun hieß es Abschied nehmen. Fünf wunderschöne Tage mit netten Menschen, herrlicher Landschaft und tollen Motorrädern gingen jetzt zu Ende.

Kosten:

Mit Einzelzimmerzuschlag hat die Reise inklusive Flug, Hotel und Frühstück 1.034 Euro gekostet. Die restlichen Mahlzeiten und das Benzin waren gesondert zu bezahlen. Hitsch hat immer alle Tankfüllungen bezahlt, und am letzten Tag ausgerechnet, wieviel Benzingeld jeder zu entrichten hatte. Für mich waren das bei 1.130 gefahrenen Kilometern 94 Euro, was ungefähr einem Durchschnittsverbrauch von 6,4 Litern entsprach. Auch beim Essengehen und den Kaffee-Pausen haben wir uns der Einfachheit halber eine Gesamtrechnung geben lassen, und diese durch die Anzahl der beteiligten Personen geteilt. Zu den Reisekosten kamen dann nochmal horrende 32,50 Euro Bankgebühren für die Auslandsüberweisung. Auch der Flugplatz Frankfurt hätte sich sicherlich gerne an mir bereichert, fünf Tage parken kostet dort stattliche 125 Euro Gebühren. Zum Glück gibt es in der Nähe Alternativen mit Shuttle Service, so musste ich nur 27 Euro für einen guten Parkplatz zahlen.

Andalusien:

Andalusien ist die südlichste und größte von 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens (ähnlich unseren Bundesländern) mit Sevilla als Hauptstadt. Von den acht dortigen Provinzen haben wir hauptsächlich Cádiz und Málaga bereist. Im Hochsommer ist es dort im Binnenland teilweise bis zu 40 Grad Celsius heiß, daher bieten sich Frühjahr und Herbst als ideale Reisezeiten an. Tendenziell ist das Wetter an der Atlantikküste etwas kälter und regnerischer als im Mittelmeerbereich und Inland.

Ausblick auf 2012:

Auch 2012 wollen Grisoni-Racing und MaxTravel wieder vier fünftägige Motorradreisen zwischen dem 5. und 24. Ja­nuar in geführten Gruppen nach bewährtem Muster von Jerez aus anbieten. Außerdem kann man im Zeitraum vom 25. Januar bis 5. Februar erstmals die Ducatis und MV Agustas individuell mieten, um auf eigene Faust Andalusien zu er­kunden. Infos: www.MaxTravel.ch.