aus bma 11/04

von Meicel Hübner

Cappuccino-Pause in Edolo So richtig reich an Kilometern war die Saison nicht und um dem von Wetter und Arbeit geplagten Sommer noch ein gutes Ende zu verschaffen, machten wir uns an die Planung der obligatorischen Abschlußtour für die Woche um den 3. Oktober.
Die Wahl fiel auf die Region Vinschgau in Südtirol, Italien. Alle wichtigen und bekannten Alpenpässe in Schlagnähe, eine fast hundertprozentige Wettersicherheit und als Bonus Pizza und Espresso. Via Internet wurde eine Übernachtungsmöglichkeit gesucht und wir bequemen alten Säcke buchten dann eine bezahlbare Ferienwohnung in Schlanders, einem kleinen Ort an der Straße vom Reschenpass nach Meran.
Am Freitag 28.09. wurde der Anhänger geholt und die Mopeds verladen. Der abfahrbereite Anhänger übernachtete in der Garage und am Samstagmorgen hängte ich mir die Fuhre an den Kombi und holte Frank gegen sechs Uhr ab. Werkzeug und Ersatzteile bevölkerten schon in großer Zahl den Kofferraum, so daß wir unser Gepäck auf die Rückbank schmissen und langsam Richtung Autobahn rollten. Die Fahrt Richtung Süden verlief ereignislos und nach ruhiger und durchweg sonniger Tour über den Fern- und den Reschenpass erreichten wir am frühen Abend unser Domizil in Italien. Auch hier war das Wetter gut und unsere Vermieter verschafften sich sofort einen Superbonus als sie meinten, wir könnten die Mopeds doch auch in deren Garage abstellen und den Anhänger neben dem Haus auf dem Rasen parken.
Der Sonntag machte uns keinen Mut, es regnete beständig, Typ ergiebiger Landregen, und wir beschlossen uns den Ort anzusehen und den Nachmittag mit Formel 1 und Bier zum Abend werden zu lassen.

 

Montagmorgen, Frühnebel mit Aussicht auf Superwetter, aber erst die Arbeit dann das Vergnügen. Der Kombi hatte bei der Einfahrt auf das Grundstück merkwürdige Geräusche von sich gegeben und im Nachhinein waren wir uns nicht mehr sicher, ob wir die nicht auch schon mal auf den Pässen gehört hatten. Egal, wir fanden im Nachbarort eine Vertragswerkstatt und ließen den treuen Freund dort. Nun aber nichts wie rauf auf die Mopeds, das Auto war in guten Händen und wurde erst am Freitag wieder gebraucht, es stand ein strammes Programm an und einen Tag hatten wir schon verloren.
Tags zuvor hatten wir noch mal alles gecheckt, die Tankrucksäcke mit dem üblichen Notfallset (Werkzeug von A-Z, Züge, Schrauben, Sicherungen, Kerzen, Kabel etc.) ausgerüstet und nun ging es ohne weitere Verzögerungen los. Erstes Ziel: Stilfser Joch.
Laverda + Triumph Bonneville Die Anfahrt war Anfangs recht nervig, aber sobald wir die Hauptstrecke Richtung Reschen verlassen hatten, konnten wir es schon mal zügiger angehen lassen. Die bald schon anfangenden Serpentinen bremsten uns dann automatisch und 130 km/h sind auch auf italienischen Landstraßen nicht erlaubt. Die Auffahrt zum Stilfser Joch erwies sich für uns Norddeutsche als recht anspruchsvoll: ständig schalten, den dritten und zweiten zum Teil auch den ersten Gang immer am Limit. Die Mopeds mögen es uns verzeihen. Trotzdem wurde ich von zwei 600er Enduros gnadenlos verblasen, bis zu 80 kg weniger Fahrzeuggewicht (Laverda 240 kg) bei etwa gleicher Leistung machen sich eben doch bemerkbar. Frank scheuchte seine Bonnie (Triumph 190 kg) und schaffte es, an den Geländespezies dranzubleiben. Die Abfahrt auf der anderen Seite war dann deutlich gemäßigter, was unserem Fahrstil entgegen kam. Wir konnten die Mädels in weiten Schwüngen ordentlich fliegen lassen und uns an Wetter und Landschaft erfreuen. Nachmittags machten wir Rast in einem kleinen Ort, wo wir uns einen leckeren Cappuccino gönnten und die doch schon recht müden Glieder in die warme Sonne streckten.
Über schönste italienische Landstraßen in grandioser Landschaft (Passo del Tonale 1883 m und Mendelpass 1363 m) fuhren wir, nur unterbrochen von einem Tankstop zu unserer Wohnung zurück. Die Mopeds wurden in der Garage abgestellt und nach Spuren der Strapazen untersucht, aber sie hatten alles schadlos überstanden (nicht unbedingt selbstverständlich). Sie kühlten nun leise tickend ab und warteten auf den nächsten Streich. Wir spülten den Tag von unseren müden Gliedern und machten uns anschließend zu Fuß auf den Weg zur Dorfpizzeria.
Dienstag, heute stand das Timmelsjoch auf dem Programm und nach einem sehr reichhaltigen Frühstück machten wir uns daran, die Twins zu wecken. Wir hatten den Eindruck, daß sie schon mit scharrenden Hufen in der Garage warteten. Mit einer beeindruckenden Geräuschkulisse fuhren wir die Mädels aus der Kellergarage und schwenkten kurz darauf auf die Landstraße nach Meran ein. Verflucht, was für ein Verkehr. Frank kämpfte mit Schieberuckeln, beim Bummeln verrußten immer seine Kerzen, und ich wünschte mir mal wieder eine leichtere Kupplung. Die Sonne gewann zusehends an Kraft und so näherten wir uns schnell dem Timmelsjoch.
Oben labten wir uns an dem obligatorischen Heißgetränk, kamen mit mehreren anderen Mopedfahrern ins Gespräch und bekamen noch einen guten Tip für den Rückweg. An der Mautstation gab es dann auch den begehrten Aufkleber für den Tankrucksack.
Der weitere Weg führte uns durch Sölden und das Ötztal, hier war schon alles mit den Vorbereitungen für den Skizirkus beschäftigt. Wir konnten uns kaum vorstellen, daß nur wenige Wochen später hier der Apres-Ski-Bär tanzen sollte. Wir durchquerten das Ötztal ganz gemächlich und gendameriekonform, denn im Land der Wegelagerer wollten wir uns keine Ausrutscher erlauben, denn schnell fahren kann in Österreich teuer werden. Nach Verlassen des Ötztals schwenkten wir ins Pitztal ein und fuhren wieder Richtung Süden. Die ursprünglich geplante Route direkt zum Reschenpass hatten wir auf Empfehlung geändert und so fuhren wir Richtung St. Leonhard auf der Suche nach der Pillerhöhe. Als wir schon glaubten den richtigen Weg verpasst zu haben, tauchte der gesuchte Wegweiser vor uns auf und wir wandten uns nach rechts dem Piller zu.
Die Straßen wurden immer schmaler und wir fragten uns schon, ob wir wohl noch richtig seien, als die Beschilderung uns beruhigte und wenig später der Blick von der Anhöhe ins Tal die Richtigkeit unserer Entscheidung diesen Weg zu nehmen eindrucksvoll bestätigte. Wir strebten langsam wieder dem Tal entgegen, wo wir uns wohl oder übel in den Verkehr einreihten. Das konnte es nicht sein und wir konnten uns kaum vorstellen, so bis nach Italien zu fahren. Da kam uns der Abzweig in die Schweiz gerade recht und kurzentschlossen verließen wir Österreich früher als geplant.
Piller-Höhe Plötzlich waren die Straßen leer und der Belag einwandfrei. Die Motoren brüllten vor Freude und wir ließen die Zügel mal etwas lockerer. Unser Vorwärtsdrang wurde aber wieder viel zu früh von der Triumph gezähmt, denn sie verlangte schon wieder nach Brennstoff. Nach einigen Kilometern fanden wir eine Tankstelle. Doch auch mit vollem Tank sollte die Weiterfahrt nur Sekunden dauern: der gerissene Gaszug der Bonni zwang uns erneut zum Halten und mit Fußantrieb ging es zurück zur Tanke. Gegenüber in der Werkstatt konnten wir dann fünf Minuten vor Feierabend den Schaden beheben und nun stand der Weiterfahrt nichts mehr im Wege.
Unser Weg führte uns zum Ofenpass (2149 m). Diesmal war es eine Passstraße nach unserem Geschmack: zwischen 120 und 140 Sachen konnten wir auf der leeren Straße gut fahren und recht schnell war der Gipfel erreicht. Hier gab es dann mal kein Heißgetränk, dafür aber das übliche Foto und den Aufkleber für den Tankrucksack.
Die Abfahrt ließen wir dann etwas entspannter angehen und nicht weit von unserem Domizil stießen wir wieder auf die vom Reschen kommende übervolle Straße.
Mittwoch, der Wagen war fertig und konnte abgeholt werden. Das vermutete Radlager war „nur” eine gelöste Radlagerzentralmutter und der Heimreise stand nun nichts mehr im Wege. Aber heute waren erst einmal die Dolomiten dran, ein dickes Frühstück mit Rührei, Brötchen und landestypischem Aufschnitt stellte die Grundlage für den Tag dar. Wieder hatten wir die grauenvolle Tour bis hinter Meran vor uns, aber leider gibt es keinen anderen Weg.
Hinter Meran hatten wir dann wieder freies Feld und wir räuberten Kilometer was das Zeug hielt. Der Jaufenpass (2099 m) war das erste Etappenziel, nur ließ hier das Wetter sehr zu wünschen übrig. Dichter Nebel machte uns das Leben und Fahren schwer und auf der Passhöhe war die Sicht ins Tal gleich Null. Ein älteres Ehepaar aus Insbruck mit einer sehr schön restaurierten BMW machte uns aber Mut für die Weiterfahrt. Sie waren Morgens bei strahlendem Sonnenschein gestartet. Ermuntert fuhren wir weiter und wurden auf der anderen Seite des Berges mit einem fantastischen Panorama und Superwetter belohnt.
Über Sterzing, Bruneck und Toblach donnerten wir den Dolomiten entgegen und so langsam konnte man dieses einmalige Gebirge aus dem Horizont erwachsen sehen. Eindrucksvolle Formationen, u.a. die Drei Zinnen, säumten unseren Weg.
Faszinierende Alpen Kurz darauf wurde das Wetter wieder schlechter und unseren Cappuccino tranken wir im wolkenverhangenen Cortina d´Ampezzo. Wir beschlossen dann schnell weiterzufahren. Unser Weg zurück nach Schlanders führte uns noch über den Passo di Falzarego (2105 m), das Pordoijoch (2239 m) und den Karerpass (1745 m). Der Platz auf dem Tankrucker wurde langsam eng und die mit ca. 370 km längste Tagesetappe schlauchte doch schon ganz schön. Das letzte Stück von Bolzano aus knallten wir die Schnellstraße zurück. Rechtschaffend müde erreichten wir im Dunkeln unsere Ferienpension Kortscher Hof in Schlanders.
Donnerstag, ergiebiger Landregen, das hatten wir nicht erwartet und als das Wetter auch nach dem Frühstück keine Besserung erwarten ließ, rissen wir den Ford an und gönnten den Mädels die Erholung, auch wenn es unser letzter Tag war. Warm und trocken brachte uns der Kombi nach Livigno, wo wir unsere Vorräte durch zollfreie Zigaretten und Benzin zu Traumpreisen auffüllten. Da wir aber wohl doch nicht den vertrauenserweckensten Eindruck machten, winkten uns die netten italienischen Zöllner mit: „Buongiorno signori.” heraus und stellten den Wagen auf den Kopf. Zum Glück hatten wir uns an unsere Ration gehalten, auch wenn es bei den Preisen schwer fiel. So konnten wir kurze Zeit später unbehelligt weiterfahren. Immerhin war der Tank nun randvoll mit zollfreiem Sprit. Das Wetter hatte sich die ganze Zeit nicht wirklich gebessert und so beendeten wir den Tag damit, daß wir die Ladies schon mal auf dem Anhänger verluden und unser Werkzeug im Kombi verstauten. Die letzte Pizza des Urlaubs versöhnte uns mit dem entgangenen Fahrtag und rückblickend waren es trotzdem gut 1.000 km Pässe und 18.815 Höhenmeter an drei Tagen.
Freitag 05.10., das letzte Frühstück, Sachen packen, Bude bezahlen, für den Superservice bedanken, den Anhänger anspannen und die Gurte nochmals prüfen, alles okay. Dann rollten wir mit unserem Gespann vom Hof. Ein letzter Tankstop vor der Grenze füllte die Mopedtanks mit edlem Super-verbleit und danach hieß es: „Arrivederci Italia”.
Gegen 24 Uhr erreichten wir Kiel, abgesehen von dem auf der Tanke in Hamburg festgestellten gerissenen Spanngurt („Sag mal, bewegt sich die Bonnie?”, „Nein, kann sie nicht, die ist doch verzurrt.”) verlief die Rückfahrt ereignislos und wir verschoben das Abladen auf Samstag.
Bis auf den gerissenen Gaszug an der Triumph und einen blanken Hinterreifen (Mann, wo ist das Profil geblieben?) bei der Laverda gab es nichts Besonderes im Wochenbericht zu erwähnen, außer super Wetter, super Straßen, super Landschaft etc. Ein gelungener Abschluß der Saison, der nach Wiederholung schreit.