Dem Himmel so nah …
aus Kradblatt 9/24 von Guido Schmidt, www.bmm-magazin.de
Als Alpenhauptkamm wird eine gedachte Linie entlang der Alpen bezeichnet, die von West nach Ost verläuft und die zentralen Gipfel der Alpen verbindet. Der Alpenhauptkamm erstreckt sich vom Ligurischen Meer bis zum Wiener Becken und hat eine Länge von rund 1.600 Kilometern. Das Timmelsjoch, Ausgangspunkt der hier beschriebenen Alpenhauptkamm-Tour, gehört mit seinen 2.474 Metern Passhöhe zum Alpenhauptkamm und ist landschaftlich eine der reizvollsten Passhöhen.
Anfang Juli, die Passstraßen der Alpen sind in mühsamer Arbeit vom Schnee des letzten Winters befreit und haben in der Regel alle geöffnet. Was zu dieser Zeit meist auf den Pässen noch zu sehen ist, sind mächtige Schneemauern, die langsam aber stetig abtauen. So auch auf dem Timmelsjoch (auf italienisch Passo del Rombo) auf 2.474 Metern. Das Timmelsjoch ist ein Grenzpass zwischen Italien (Südtirol) und Österreich (Tirol) und punktet mit herrlichen Ausblicken, unzähligen Kurven und 18 durchaus erfrischenden, kurzen Tunnels.
Das MoHo-Partnerhotel Laurin in Hochgurgl, in dem ich für zwei Nächte untergebracht bin, fahre ich über die italienische Seite an. Die Auffahrt zum Timmelsjoch über die Südseite, also über Südtirol, ist die landschaftlich beeindruckendere. In St. Leonhard in Passeier (ital. San Leonardo in Passiria) zweigt links die Timmelsjochstraße ab – geradeaus würde ich zum Jaufenpass kommen. Der steht aber erst am Folgetag auf dem Programm.
Nach längerem, genussvollem Kurvenräubern erreiche ich die Passhöhe. Dort oben befindet sich ein kleines Passmuseum, das die Historie der Hochalpenstraße eindrücklich beschreibt. Der Eintritt für das Museum ist frei. Es ist sehr windig hier oben und die Temperatur liegt bei 14 Grad. Im Tal waren es angenehme 25 Grad. Direkt an der italienisch-österreichischen Grenze schaut ein aus Stein gehauener Adler Richtung Österreich. Diese Skulptur steht für die Freundschaft zwischen Südtirol-Italien und Tirol-Österreich. „Was Freundschaft verbindet, kann Politik nicht trennen“ ist auf dem Sockel der Skulptur zu lesen. Dieser Aussage kann nicht nur ich vollumfänglich zustimmen.
Von der Passhöhe fahre ich weiter bis zur Mautstation in sieben Kilometern Entfernung. Ich löse ein Ticket für Hin- und Rückfahrt, da ich am nächsten Tag das Timmelsjoch wieder herunterfahren möchte. Die einfache Überquerung des Passes kostet 17 €. Hin und zurück kostet es 23 €. Ein Infofaltblatt und einen Aufkleber fürs Motorrad gibt es gratis dazu.
Die Mautstation wird vom neu aufgebauten „Top Mountain Motorcycle Museum“ überspannt. Das Museum wurde im Januar 2021 fast vollständig mit allen darin befindlichen Exponaten durch einen Brand zerstört. Nur zehn Monate später konnte der Neubau wieder eröffnet werden – noch spektakulärer, informations- und erlebnisreicher. Selbst die Räumlichkeiten der Museumsgastronomie sind eine Augenweide für Motorradfans. Der über den Abgrund ragende Steg des relativ neu installierten Bauwerks mit dem Namen „Die Erfahrung“ unweit der Mautstation gibt einen atemberaubenden Panoramablick auf die 3000er-Gipfel frei. Am Ende des Aussichtssteges befindet sich ein kapitaler Kristall namens „Ajuna“. Er steht hier als Symbol für den Frieden in der Welt und soll auch jedem Vorbeifahrenden positive Energie mit auf den Weg geben. Der weltweit bekannte Schamane und Feng Shui-Berater Heinrich Zak hat den riesigen Kristall hierher gebracht und eingeweiht. Hier oben auf 2.171 Metern genieße ich noch einen „Verlängerten“ (österreichischer Kaffee) auf der Sonnenterrasse der Museumsgastronomie, bevor ich das Hotel Laurin in Hochgurgl nach ein paar Kurven erreiche.
Tags darauf starte ich die Alpenhauptkammtour, die mich zuerst auf den Jaufenpass führt. Mit meinem Rückfahrtticket komme ich schnell durch die Mautstation und fahre die Timmelsjochstraße herunter durch das Passeiertal in Richtung Südtirol. In dem ein oder anderen der vielen Tunnels sorgen Wasserfontänen von der Tunneldecke für eine ungewollte Dusche und zu nassem Straßenbelag. Hier sollte man vorsichtig durchfahren, denn selbst zu dieser Jahreszeit kann dort plötzlich Straßenglätte auftreten.
In Moos halte ich an, mein Motorrad verlangt nach Kraftstoff. Zwischen Moos in Südtirol und Sölden in Tirol gibt es keine einzige Tankstelle.
In der Kleinstadt St. Leonhard in Passeier biege ich links ab und es geht sogleich durch geschwungene Kurven bergauf. Leider lässt an diesem Tag das Wetter zu wünschen übrig. Die Sonne zeigt sich nur sporadisch. Auf dem Jaufenpass, auf 2.094 Metern, herrschen nur knapp acht Grad und die Passhöhe ist in Nebel gehüllt. Ein schöner Blick ins Tal bleibt mir verwehrt, deshalb lege ich hier oben nur einen kurzen Fotostopp ein und hoffe auf etwas besseres Wetter in Sterzing nach der Abfahrt. Im und vor der Edelweißhütte, einer Gaststätte, sind an diesem Tag doch einige Motorradfahrer – man kann sich das Wetter halt nicht aussuchen. Eine ganze Horde Porschefahrer aus England legt hier oben auch einen kurzen Stopp ein, um sich wieder zu sammeln. Ich frage einen Fahrer, wie es denn ist, mit rechtsgelenkten Autos Alpenpässe auf der rechten Seite zu fahren. Man gewöhne sich relativ schnell daran, trotzdem sei besondere Vorsicht geboten, antwortet er mir. Mir ist es jetzt dann aber entschieden zu frisch auf der Jaufenpasshöhe und ich breche zur Weiterfahrt auf.
Die Abfahrt nach Sterzing lässt wegen großzügiger Kurvenradien ein flüssiges Fahren zu. Die Temperaturanzeige nähert sich langsam aber sicher wieder dem zweistelligen Bereich.
Sterzing empfängt mich mit Nieselregen. Na super! Also gleich ohne Stopp weiter Richtung Brenner über die SS12/L182. Alternativ könnte ich den unspektakulären Brennerpass auch via Autobahn überqueren. Die Landstraße bietet allerdings einiges mehr an Fahrvergnügen, zudem ist auf der Brennerautobahn oft Stau (wie auch an diesem Tag).
Kurz vor dem Grenzübergang in Brenner befindet sich ein gigantisches Outletcenter. Für uns Motorradfahrer interessant, denn es gibt auch ein großes Dainese-Outlet. Wer etwas Zeit mitbringt und noch ein paar Motorrad-Utensilien braucht, sollte sich das nicht entgehen lassen.
Inzwischen zeigt sich auch die Sonne wieder etwas. Ein Blick auf den Regenradar von Il Meteo (eine für die Region empfehlenswerte Wetter-App) verrät mir aber, die nächste Regenfront ist im Anmarsch.
Ich bleibe bis kurz vor Innsbruck auf der L182. In Schönberg geht es links ab ins Stubaital. Sogleich habe ich Wolfgang Ambros’ Schifoan im Ohr: „Weil durt auf die Berg ob’m ham’s immer an leiwaund‘n Schnee.“ Das Stubaital lasse ich aber links liegen und biege einige Kilometer weiter bei Mutters auf die L304 ab.
Ich erreiche das Sellraintal. Das Sellraintal führt durch eine sehr schöne Landschaftskulisse: kleine, schmucke Dörfer, jedes Dorf mit einer tiroltypischen Kirche. Schneebedeckte Gipfel in der Ferne krönen die Postkartenidylle. Die beiden Flüsse Melach und später der Zimbach sparen nicht mit schlammfarbenem Wasser, einem Relikt der vergangenen regenreichen Wochen, und begleiten mich fast bis zum Erreichen des Kühtailsattels auf 2.017 Metern über NN, der letzten Passhöhe des Tages.
Kühtai gehört genauso wie der Stubaier Gletscher und Hoch- und Obergurgl zu den stark frequentierten Skigebieten Österreichs. Die Orte sind im Sommer nicht so gut besucht. Wanderer und Radfahrer haben ihre Quartiere eher im belebteren, südlicheren Vinschgau. Viele hochgelegene Hotels haben im Sommer gar komplett geschlossen. So auch in Kühtai – der Ort wirkt wie ausgestorben, was nicht nur am Wetter liegt, denn es nieselt schon wieder vor sich hin. Eine mystische Stimmung. Was auf dem Kühtaisattel aber meist geöffnet hat, ist der auch bei Motorradfahrern beliebte Kühtaier Dorfstadl. Ein uriges Gasthaus in dem man unbedingt die Tiroler Küche ausprobieren sollte. Der Kühtaier Dorfstadl ist nicht zu übersehen: eine bunte, in die Ferne blickende Kunststoffkuh weist den Weg. Eine weitere steht auf dem Dach des Gebäudes. Im Dorfstadl wärme ich mich erst mal bei Johannisbeerspritzer und Schlutzkrapfen auf. Schlutzkrapfen sind Teigtaschen, ähnlich den bekannteren Ravioli und eine Südtiroler Spezialität. Sie werden mit Butter und Parmesan gereicht. Unbedingt probieren.
Der Regenradar zeigt mir, dass es bald aufhört zu regnen. Zumindest bis Oetz, meinem nächsten Etappenziel, soll es trocken bleiben.
Ich mache mich zügig zur Weiterfahrt bereit. Vorbei am Speichersee Längental erreiche ich nach rund 20 Kilometern Oetz. Der Speichersee Längental dient zusammen mit dem Speichersee Finstertal in unmittelbarer Nähe zur Stromgewinnung. Das Pumpspeicherkraftwerk dort ist eines der leistungsstärksten Europas.
Neben der Fahrstraße nach Oetz fließt die Ötztaler Ache, ein Nebenfluss des Inns. Der Fluss führt reichlich Wasser, kein Wunder nach den ausgiebigen Regenfällen der letzten Zeit.
Von Oetz fahre ich schließlich dem Ende der Alpenhauptkammtour entgegen. Die L186 (Ötztalstraße) führt mich durch Sölden (einem weiteren riesigen Skigebiet) direkt nach Hochgurgl zum Hotel Laurin.
Ein letzter Stopp in Sölden. Für James-Bond-Fans fährt von Sölden aus eine Seilbahn auf den Gaislachkogl auf 3.048 Meter. Auf dem Gipfel des Gaislachkogls kann dann in die James-Bond-Welt eingetaucht werden. Hier oben stand Daniel Craig für den 007-Streifen SPECTRE vor der Kamera. Der Eintritt kostet inkl. Berg- und Talfahrt 59 €. Mit einer Gästekarte, die es bei Buchung im Hotel kostenlos gibt, ist der Eintritt zur James-Bond-Exposition frei. Übrigens sind auch Eintritte in das Motorradmuseum auf dem Timmelsjoch und viele Seilbahnen mit der Gästekarte kostenlos!
Wieder im Hotel Laurin angekommen, parke ich mein Motorrad in der hoteleigenen Garage. Der nächste Tag soll wettertechnisch schön sein – ich hoffe es.
Weitere erlebnisreiche Tourvorschläge von Hochgurgl inkl. GPX-Daten fürs Navi/Handy gibt’s direkt bei Roland & Sandra Schöpf, den Inhabern des Hotel Laurin. Die hier gefahrene Alpenhauptkammtour kann so je nach Lust und Zeit auch erweitert werden. Ein Abstecher zum Stubaier Gletscher (rund 30 Kilometer von Schönberg aus), zum Finstertaler-Dammdenkmal (rund vier Kilometer von Kühtai aus) oder nach Innsbruck zum Goldenen Dachl sind zu empfehlen.
Tour-Infos
- Länge: 230 Kilometer
- Kalkulierte Fahrtzeit ohne Pausen und Besichtigungen: 4 Stunden
- Calimoto-Kurvenlevel: 117
- Tankstellen-Infrastruktur: Gut; zwischen Moos und Sölden keine Tankstelle
- Kioske und Wirtshäuser:
- Edelweißhütte auf dem Jaufenpass, Dorfstadl in Kühtai, Restaurants oder Wirtshäuser in den meisten belebten Orten in den Tälern
- Empfohlene Reisezeit: Anfang Juli bis Ende September
Hotel-Empfehlung
Alpen-Hotel Laurin • Timmelsjochstraße 6 • 6456 Hochgurgl
- Inhabergeführtes Motorradhotel direkt an der Timmelsjochstraße mit erstklassigem Angebot für Motorradfahrer.
MoHo-klassifiziert mit 4 Helmen. - Übernachtung mit reichhaltigem Frühstücksbuffet und optionaler Halbpension mit hervorragender Tiroler Küche (Halbpension ist auf jeden Fall zu empfehlen, da es in der näheren Umgebung keine Möglichkeit gibt, außerhalb des Hotel zu Abend zu essen)
- Modern eingerichtete Zimmer mit Balkon und herrlichem Ausblick auf die Berglandschaft – bester Ausblick aus den Zimmern 402–406 im vierten Stock
- Wellness-Pool und Sauna zum Entspannen nach der Tour
- Parkplatz für Motorräder in der hoteleigenen Garage
- Trockenraum für nasse Motorradklamotten
- Helmvisierreinigungsstation
- Ötztal-Gästekarte kostenlos mit vielen inkludierten Freizeitangeboten (z.B. kostenloser Eintritt ins Motorradmuseum)
- Die Inhaberfamilie Roland & Sandra Schöpf gibt gerne wertvolle Tourentipps
- MoHo-Tourenkarte inklusive Merchandising gibt es bei Buchung über MoHo.
Infolinks: laurin.at • moho.info
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