Opa & Enkel auf Tour …
aus Kradblatt 11/25 von Günter Stüsser, www.onlinemotor.de
Der ACT, also der „AdventureCountryTracks e.V.“ ist ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, legal befahrbare Offroad Strecken innerhalb Europas zu erkunden und zu unterhalten.

Knapp 1.000 km von der Halbinsel Istriens, und dem Hinterland der Adria folgend in Richtung Süden und mit einer Fährverbindung von Split zur Insel Hvar mit einem recht hohen Schotteranteil liegen vor uns.
Die Anreise aus unserer Heimat des Bergischen Landes beträgt etwas mehr als 1.200 km. Dank zahlreicher Baustellen und Verzögerungen summierten die sich auf 16 Stunden Reisezeit. Ziel ist das Kap Kamenjak und dieses befindet sich an der südlichsten Spitze der Region Istrien, die auch oft als „Punta“ bezeichnet wird. Das unter Naturschutz stehende Gebiet liegt unterhalb vom romantischen Ferienort Premantura, nur 10 bzw. 16 km von den beliebten Urlaubsorten Pula und Medulin entfernt. Auch motorisierten Besuchern wird gegen einen geringen Obolus die Einfahrt gewährt, so dass auch wir den offiziellen Startort, die Safari Bar, ansteuern können.
Die Safari Bar ist eine bezaubernde, außergewöhnliche, urig eingerichtete Strandbar mit Grill am südlichsten Punkt des Kap Kamenjaks, mitten im Naturpark Premantura, ca. 50 Meter oberhalb des Meeres und des Strandes Mala Kolombarica, mit wunderschöner Aussicht auf die blaue, glitzernde Adria.

Nach dem obligatorischen Startfoto setzen wir uns gemütlich in Bewegung. 220 Kilometer mit einem Offroad-Anteil von 55% aber als „leicht“ gekennzeichnet liegen als Tagesetappe vor uns.
Zunächst geht es an der Uferpromenade der Adria entlang bevor wir auf unbefestigte landwirtschaftlich genutzte Wege abzweigen. Die Landschaft hier ist weitestgehend eben, so dass die fahrerischen Anforderungen überschaubar sind. Die Schotterwege bestehen aus hartem Untergrund, die vorhandenen Wasserpfützen sind aufgrund der vorangegangenen trockenen Tage problemlos durchfahrbar bzw. bieten ausreichend Platz zur Umfahrung.
Von der östlichen Uferseite der Landzunge führt unser Track in Richtung Westen, in Richtung Pula und von dort in nördliche Richtung.
Ein malerisch gelegener Ort, im Track auch als ViewPoint gekennzeichnet, lädt uns auf knapp der Hälfte der Tagesetappe zu einer Eispause ein.

Das östliche Ende des Lim-Kanals (auch Lim-Fjord) liegt als schmaler Zipfel aus geografischer Sicht in den Dörfern Bubani und Jural. Von dort aus zieht sich das Gewässer knapp zehn Kilometer in westliche Richtung und erreicht eine Tiefe von 30 Meter, ehe es zwischen den Städten Vrsar und Rovinj in den Golf von Venedig, den nördlichen Teil des Adriatischen Meeres, mündet. Direkt gegenüber unseres Stopps, einem kleinen privaten Hafen für Freizeitskipper folgen wir dem Track auf weiteren Feldwegen. Die 1. Etappe endet in Opatija und wir finden eine Bleibe mit sehr umfangreichem Frühstück im benachbarten Lovran.
Heute ist Sonntag und gestärkt starten wir zur 2. Etappe, die uns 185 km mit 65% Offroad im leichten Niveau verspricht. Durch Rijeka geht’s bei sehr überschaubaren Verkehrsverhältnissen noch asphaltiert. Die unmittelbare Vorbeifahrt am Yachthafen erinnert an die Côte d’Azur.
Bei Mali Dol geht es von der Landstraße ab in die küstennahen Gebirgszüge die überwiegend knapp 1.000 Meter hoch hinauf ragen. Wir passieren Baustellenschilder und bevor wir um Erlaubnis fragen können, ob wir ausnahmsweise …, sind wir bereits durch. Oben angekommen bietet sich die Aussicht auf die Bucht von Rijeka.
Kurz innegehalten mutmaßen wir zwei in Frage kommende Wegführungen. Die erste sieht einfach aus, stellt sich aber mit Blick auf das Navi als falsch heraus. Ohne weiteren Abgleich gehe ich die steilere und mit groben sowie teilweise losen Geröllresten versehende Alternative an. Der erste Abschnitt gelingt ganz gut und nach der ersten Kuppe folgt die Überraschung mit einer weiteren steileren Auffahrt.

Hier beißen wir uns im ersten vielleicht zu verhaltenem Anlauf die Zähne aus und bringen den Aufstieg mit Schiebehilfe des Flügelmanns zum Abschluss. Oben angekommen dann die Überraschung, dass wir auf den von links kommenden Track stoßen, der in diesem Segment sogar befestigt ist. Wer aufmerksam ist, ist ganz klar im Vorteil und wir haken das Intermezzo als morgendliche Trainingseinheit ab.
Die küstennahe Berglandschaft führt uns abwechselnd durch bewaldete Bereiche, Hochebenen und sehr felsige, teilweise sogar zerklüftete Abschnitte in Richtung Süden. Wir erreichen Höhen von mehr als 1130 Meter und nehmen hierbei Kontakt zu den tiefhängenden Wolken auf.
Im Verlauf des recht einfach zu fahrenden Tracks passieren wir ein rotes Hinweisschild dessen Bedeutung sich wegen fehlender Sprachkenntnisse erst gegen Ende aufklärt, weil wir am Wegesrand positionierte Waidmänner sehen, die unseren Gruß freudig und unaufgeregt erwidern.
Nach dem Ende des Tracks folgen wir mit dem Sonnenuntergang der kurvenreichen D25 zur Küste hin abfallend mit Ziel Karlobag.

Karlobag ist ein kleiner Küstenort, der im Sommer als Badeort populär ist. Jetzt, Mitte Oktober, wirkt der Ort relativ leer. Wir fragen in einem strandnahen Restaurant und bekommen einen Übernachtungstipp in fußläufiger Entfernung, perfekt.
Gestärkt von dem leicht fleischlastigen Abendessen genügt ein Kaffee to go zum Start am Morgen zur 3. Etappe.
Heute warten wieder 185 km mit 55% Offroad Anteil der Kategorie mittelschwer auf uns. Der Austausch in der Community konkretisiert den Schwierigkeitsgrad dahingehend, dass die Schlüsselstelle im „Winnetou-Land“ ein recht langer Anstieg ist, dessen weicher, nachgebender Untergrund den Vortrieb entscheidend negativ beeinflussen kann.
Wir sind gespannt und folgen zunächst der kurvenreichen D25, um unsere Beta-Bikes auf Betriebstemperatur zu bringen. Die Beta Alp 4.0 ist mit der Reifenerstausstattung bestückt und überzeugt sowohl im losen Geläuf als auch bei der flüssigen Fahrweise auf Asphalt gleichermaßen.
Abseits der befestigten Straße führt uns der Track durch eine faszinierende Formation von Kalkstein Felsen, das Bodenmaterial dieser Umgebung. Wegen dieser grandiosen Landschaftsformen wurden die 11 Winnetou Filme in den Jahren 1962–1968 in dieser und weiteren Drehorten in Kroatien verfilmt.
Glücklicherweise liegen bereits zwei Trainingsetappen hinter uns, so dass wir an der Schlüsselstelle, dem steilen Anstieg sofort die richtige Gangwahl, so wenig Gas wie möglich aber so viel Gas wie nötig geben und stehend in einem Rutsch die langgezogene Steigung meistern. Gleichermaßen griffige und gegenüber spitzen Steinen widerstandsfähige Bereifung ist in diesem Teilabschnitt das Maß der Dinge.
In über 1.000 Höhenmetern angekommen erwartet uns kurze Zeit später eine massive hölzerne Sitzmöglichkeit mit Tisch für eine kleine sonnige Pause mit Fernsicht über die zahlreichen vorgelagerten Inseln Kroatiens. Das anspruchsvolle Terrain und die Anfahrtswege zum Track lassen uns in unserem heutigen Ziel, der Stadt Knin mit aufblinkender Reserveleuchte ankommen. Da wir aber kaum 8,5 Liter nachtanken können, wären also noch beruhigende Reserven vorhanden gewesen. (lt. Bordbuch 3.0 Liter Reserve)
In Knin finden wir eine Frühstückspension in Sichtweite zum Track. Wir stärken uns mit Bedacht, weil heute mit nur 130 km eine kurze aber mit 70% Offroadanteil und als „Hart“ beschriebe Etappe auf uns wartet.
Auf der Landstraße bringen wir uns und unsere Bikes wieder auf Betriebstemperatur. Vorbei am Krčić-Wasserfall bis Koljane geht es auf überschaubar anspruchsvollem Terrain in Richtung Süden.

Ab diesem Abzweig geht es für uns über eine Distanz von 20 km in mehreren Anstiegen immer aufwärts. Gespickt mit zahlreichen engen Kehren gibt sich der Untergrund hart aber auch von seiner großkalibrigen Seite. Durch das überwiegende Fahren im Stehen und das permanente Ausgleichen von Fahrwerksbewegungen waren meine Laktatwerte trotz dreier trainierender Vortage bereits bei einem Viertel des Weges im Grenzbereich. Meine Oberschenkelmuskulatur brannte.
Unsere kleinen 350er zeigten hierbei wesentlich mehr Durchhaltevermögen. Mit ausreichend viel Drehmoment haben wir die Motoren meist in der ersten Hälfte des Drehzahlbereiches bemüht. Dank 133 kg Fahrzeuggewicht (trocken) war dies eine deutliche Ersparnis gegenüber meiner eigenen Großenduro.
An der Schutzhütte (Vjetar s Dinare) angekommen zeigt unser Garmin eine Höhe von 1.330 Meter an.
Zeit, unsere Betriebstemperatur zu normalisieren, Flüssigkeit und ein paar Schokoriegel zu verdrücken und sich in der Sonne zu entspannen.
Eigentlich habe ich mehr Respekt vor den talwärts führenden Passagen als vor den Aufstiegen. Die Beta Alp 4.0 ist nicht nur relativ leicht, auch lässt sich durch Verlagerung der eigenen Körperschwerkraft bzw. überschaubares Gepäckgewicht das Gewicht auf das Vorderrad deutlich entlasten, so dass auch die abwärts führenden Offroad Bereiche ihren Schrecken verlieren. Zumindest fast, denn die Pfützen der Vortage entwickeln sich in diesem Streckenbereich zu ansehnlichen zähbraunen Suhlen, die auch schon mal 15–20 Meter lang ausfallen können. Mitverursacher können auch die zahlreichen Allrad- und Kettenfahrzeuge der Räumkommandos sein, die die problematischen Minenreste der vor über drei Jahrzehnten begonnenen Balkankriege suchen und vernichten. Den zahlreichen Hinweisschildern, die uns am 3. und 4. Fahrtag begleiteten, sollte zwingend Folge geleistet werden und Wege sollten auf keinen Fall verlassen werden!

Nach dem Abstieg aus der Höhe folgen wir dem Track relativ flott und geradewegs in Richtung Split, wo wir uns im Hafen nach den Fährmöglichkeiten zur Insel Hvar erkundigen.
Die Tickets sind schnell und unproblematisch direkt am Hafen gekauft und die Zwischenzeit nutzen wir um die Bikes und uns bei Kräften zu halten. Dieser 4. Fahrtag war der einzige, an dem ich meinen Trinkrucksack komplett geleert und weitere ergänzende Flüssigkeiten in nennenswerter Größenordnung (>5ltr./Kopf) nachgeführt habe.
Wir nehmen die Abendfähre (Winterfahrplan ab 20:30 Uhr) und erreichen Hvar gegen 22:00 Uhr. Da wir über ein Buchungsportal unsere Unterkunft gebucht hatten, war das Einchecken in Kürze erledigt.
Track-Tag 5 hatte für uns mit 115 km, 70% Offroad, in mäßig schwerem Niveau eher wieder ein leichtes Ausrollen im Portfolio. Überwiegend schlängelten sich die Wege durch Obst- und Oliven-Plantagen. Sveti Nikola, der höchste Gipfel von Hvar bis knapp 600 Höhenmeter, ließ uns eine Fernsicht auf die Adria genießen. Eine kurze Mittagsrast genossen wir direkt am Strand in einer der zahlreichen Buchten.
Es wäre nicht der ACT, hätte der Track nicht kurz vor dem Erreichen der „Zielflagge“ noch eine Überraschung für uns in petto. Mehrere hundert Meter Steigung ließen uns mit fester Gashand und bockendem Hinterrad emporklimmen, bis wir auf befestigtem Weg den Leuchtturm Sucuraj an der Ostspitze Hvars erreichten.
Für die Rückfahrt zu unserem Ausgangspunkt hatten wir zwei Etappen überwiegend auf der Küstenstraße geplant. Eine Übernachtung in Karlobag teilte die Rückreisestrecke in etwa paritätisch.
In Kamenjak blicken wir auf eine erlebnisreiche Motorradreise zurück und sinnieren auf weitere Ziele aus dem ACT-Portfolio, welches mittlerweile europaweit über 8 dieser knapp 1.000 Kilometer langen Adventurestrecken verfügt. Infos gibt’s online unter www.adventurecountrytracks.com.

Unsere Bikes:
Wir waren mit zwei identischen Beta Alp 4.0 in Serienzustand unterwegs. Fahrfertig bringt die Beta Alp laut Zulassung 148 kg auf die Waage, so dass die Führerschein A2 Leistungsgrenze nicht vollkommen ausgeschöpft wird. In der Erstausstattung ist die Beta Alp 4.0 mit einer grobstolligen Bereifung der Marke VEE Rubber vorn in der Dimension 90/90-21 M/C 54R und hinten 140/80-18 M/C 70R ausgerüstet. Ich bin die Tour mit einem Luftdruck von etwa zwei Bar gefahren, um ein Durchschlagen des felsigen Untergrunds und damit als Folge Reifenschäden oder einen Schaden des Felgenhorns zu verhindern. Dies hat auch funktioniert. Wir hatten keinen Reifenschaden und auch keine sonstigen Ausfälle.
Unterkünfte:
An den Start und Zielpunkten der Tracks beziehungsweise der Tagesetappen waren auch außerhalb der Saison Unterkünfte in Form von Apartments oder Ferienwohnungen alternativ auch Hotels in ausreichender Auswahl vorhanden. Wir haben immer erst gegen Ende des Tracks eine Buchungsplattform online kontaktiert oder haben direkt entsprechende Angebote angefahren.
Mobilnetzabdeckung:
In den sehr abgelegenen Winkeln ist natürlich nicht immer eine sehr komfortable Mobilnetzabdeckung gewährleistet. Insbesondere am 4. Tag führt der Track sehr nahe an der bosnischen Grenze entlang. Falls sich ein Handy selbständig in eine bosnische Funkzelle einloggt, ist dies mit nicht unbeträchtlichen Kosten verknüpft, die durch Einschalten des Flugmodus verhindert werden.

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