aus Kradblatt 5/14
von Thomas Franck

 

Enfield-Diesel-Tour 4Im Jahr 2013 wollte ich eine Tour durch Ex-Jugoslawien machen, mich interessierten die Veränderungen, denn Ende der 90er und Anfang 2000 war ich dort mehrfach beruflich unterwegs. Als Begleitung bot sich Rudi an, er hat das aktuelle Modell der Sommer Diesel, ich meine Sommer Enfield Diesel 462, mit der ich auch schon in Frankreich und Marokko war. Da wir noch nie eine wirklich lange Tour miteinander machten, plante ich keine feste Strecke ein. Klar war, er gibt Tempo und Pausen vor, als Diabetiker muss er da etwas aufpassen. Treffpunkt war die Shell Tanke Nähe Herborn.
Am ersten Tag wollten wir nach St. Ulrich (Österreich) zum Pillersee, dort findet jährlich ein kleines, aber feines und privates Enfield Treffen statt. Es ist eine illustre Truppe sehr unterschiedlicher Charaktere und Motorräder. Wir hatten Glück, und fuhren die knapp 640 Kilometer ohne Regen.
Unser nächstes Tagesziel lag an der Soca. Rudi war dort schon mehrfach, allerdings zum Fliegenfischen. Tolle Strecke – an der Katschberghöhe mussten wir auch mal den 1. Gang benutzen. Am Filzensattel trafen wir eine Gruppe mit alten Puch Motorrädern. Die waren auch auf einer Pässetour unterwegs und machen das 1 x jährlich für ein Puch-Magazin. Sehr stilechte Bekleidung. Das Getriebe von Rudi quittierte die Steigungen mit Ölflecken auf der Piste. Ist schon interessant, 5000 Kilometer „normale“ Strecken im Westerwald sind kein Problem, aber Pässe mit über 15 % erhitzen das Pre Unit Getriebe offenbar richtig.

Enfield-Diesel-TourDer unbesetzte Grenzübergang war neben den verlassenen Gebäuden nur noch durch ein Schild erkennbar. Nach 326 Kilometern hatten wir den Campingplatz erreicht.
Nachts schüttete es aus Eimern, die Zelte blieben glücklicherweise dicht. Wir entschlossen uns, einen Tag an der Soca zu bleiben, kümmerten uns zuerst um das undichte Getriebe. Den eigentlichen Schaden – Überdruck im Getriebe mangels Entlüftung – konnten wir mit dem Werkzeug vor Ort nicht beheben. Die Regenkombis sind auch (bedingt) wandertauglich.
Über den PC in der Anmeldung studierten wir den Wetterbericht für die Berge. Er war eher mäßig, daher fuhren wir dann Richtung Adria. Endlich Sonne, Blick aufs Meer, Touristen ohne Ende. Nach längerer Suche fanden wir Platz in einem Camping in Funtera. Da braucht’s schon ein Navi um den Ausgang zu finden! Bestimmt 2000 Wohnmobile, Zelte… Immerhin, Klamotten und Zelte blitzartig trocken. 256 Kilometer maß die Etappe. Abends bei 30 °C schwimmen im Meer hat auch was. Aber der Massentourismus hat uns nicht so wirklich begeistert, wobei wir ehrlicherweise ja auch ein Teil desselben waren.

So beschlossen wir, uns Richtung Slowenien zu bewegen. Direkt nach der Grenze liegt der Campingplatz „Kamp Kulpa“; 8 Euro, perfekt. Tagesetappe 245 Kilometer. Bemerkenswert sind die sanitären Einrichtungen, sehr sauber und im Fred Feuerstein Stil gebaut.
Ein Österreicher, mit VW Bulli unterwegs, kroch beinahe durch die Motoren, war von den Diesel Aggregaten völlig aus dem Häuschen. Am nächsten morgen erst mal mit Koffein Doping gestärkt, Rudi war angepisst, hätte auch gerne eine Tasse mit seinem Namen gehabt.

Enfield-Diesel-TourGrobe Richtung Mostar führte uns der Weg, bei Sinj übernachteten wir mangels Camping Platz nach 320 Kilometern im Hotel. An einer Nebenstraße fand ich ein Minen-Schild – also besser nicht in die Büsche springen! Abends, nach langer Suche haben wir endlich was zum Essen gefunden. Anscheinend gibt es in der Stadt 1000 Bars & Cafés aber so gut wie kein Restaurant. Immerhin, Bier, Pizza und Salat für 8,50 Euro, da hat auch der Schwabe in mir nichts zu meckern.
Tags darauf, Zwischenstopp in Mostar. Das letzte Mal war ich 1999 hier, allerdings 4-rädrig und beruflich. Die Brücke fanden wir dank Beschilderung und etwas Erinnerung meinerseits problemlos, für 5 Euro konnten wir die Mopeds parken und die Ausrüstung in einer Bar/Restaurant ablegen. Seit Ende der 1990er hat sich hier viel getan, Tourismus bis zum Abwinken. In den Ecken, wo der Standard-Touri nicht hinkommt, sind die Spuren des Krieges und der leider obligatorische Müll immer noch präsent.

Nach der Tour durch Mostar, entschlossen wir uns, Sarajevo nicht anzufahren. Bepackte Motorräder und Ausrüstung müssen bewacht werden, bei sommerlichen Temperaturen in Mopedhose spazieren zu gehen hat nur begrenzten Charme. Wir orientierten uns Richtung Banja Luka, früher ein HotSpot, heute eher friedlich. An der Tankstelle wollten sie uns keinen Diesel geben, erst nach längerer Diskussion und Begutachtung der Technik durch diverse „Fachleute“ wurde die Kraftstoffwahl akzeptiert.

Enfield-Diesel Öl-LeckIn einer langgezogenen Linkskurve, rechts neben der Straße ein Schotterplatz mit Schrott-Pkw, bog Rudi urplötzlich ab. Ich dachte, er fährt noch 10 Meter bis in den Schatten, aber er langte voll in die Bremse, schmiss sich samt Motorrad blitzartig mit blockierendem Vorderrad vor mein Motorrad, ich hatte „leichte“ Probleme, ihn nicht zu überfahren, es fehlten gerade mal 2 Zentimeter. Da er sich heldenhaft unter sein Motorrad geworfen hat (Kratzer im Körper heilen, die im Moped bleiben), gab es außer einer verbogenen Raste und kleinen Macken in der G&G Alubox keine Defekte. Die zwei gebrochenen Rippen von Rudi lassen wir außen vor. Naja, er musste erst den Schock verdauen, ich holte mir in der Schrottwerkstatt ein langes Rohr und richtete die Fußraste. Der indische „Edelstahl“ lässt mehrfaches Biegen zu.

Rudi wollte am See campen, gab entsprechende „Befehle“ in sein Garmin Navi ein, ich folgte ihm. Die Straße wurde schmaler, noch schmaler, irgendwann ging der Teer aus, eine solide Schotterpiste mit interessantem Gefälle. Ich verbuchte das als Sturztherapie (gleich wieder rein in den Schotter). Die Piste wurde sicher noch nie von zwei Diesel-Motorrädern befahren. Als wir am Ziel Nähe Jablanica (Koordinaten N43 41.631 E17 49.185) waren, sahen wir alles mögliche, allerdings keinen Zeltplatz. In Bosnien ticken die Uhren anders, schnell wurden wir in den „Platz“ eingewiesen. Exklusiv für uns, mit Bootsanleger, perfekt. Gut, die Schlepperei mit der Treppe…
Der Sohn des Hauses ist jetzt auch Sommer-Fan, die einspurige Metallbrücke zum nächsten Supermarkt hatte auch was. Das war eine 244 Kilometer-Etappe.

Enfield-Diesel-ReparaturWir entschlossen uns weiter Richtung Ungarn zu fahren. Nach Banja Luka ging es einen Pass hoch, blitzartig wurde es recht frostig und heftiger Regen setzte ein. Übernachtung nach 368 Kilometern in Virovitica, das Navi führte uns zu einer privaten Pension. Es ist immer höchst interessant, was das Garmin Navi da so anbietet. Haus mit Pool, üppiges Frühstück serviert im Wohnzimmer von einer sehr üppigen und ausgesprochen durchsichtig bekleideten Dame, dass relativiert den eher unverschämten Preis von 25 Euro pro Nase. Rudi sprang „unverständlicher Weise“ nicht auf die Annäherungsversuche an. Das Abendessen in der Stadt in noblem Ambiente, üppige Cevapcici mit Bier + Nachspeise für 7,50 Euro versöhnte dann wieder.

Sonntag an der ungarischen Grenze. Extrem arroganter Zöllner ließen uns erst mal 15 Minuten warten. Nach der Ausweiskontrolle kam dann der nächste, wollte dann noch das Gepäck kontrollieren. Ich öffnete den Tankrucksack, kurzer Blick auf die Nikon, dann „durfte“ ich rein ins Land.

Enfield-Diesel-Tour Der folgende Streckenabschnitt war unter aller Sau, da waren selbst die marokkanischen Pisten besser. Rudi mit seinen gebrochenen Rippen und ohne den komfortablen Schwingsattel litt wie ein Hund. An der Nordseite des Balaton fanden wir einen Campingplatz für 8 Euro direkt am See: Zala Camping, Nähe Keszthely. Tagesetappe 155 Kilometer.
Den nächsten Tag legten wir eine Pause ein. Abends blieb auf Grund der biologischen Kampf­flieger nur die Flucht ins Zelt. Der Blick zum See blieb uns durch den Schilfgürtel verwehrt, nur an einer „Badestelle“ war dieser möglich.
Wir fuhren dann weiter über Sopram Richtung Austria, hatten genug von den langweiligen Straßen. Endlich wieder Steigungen, Berge. In Miesenbach fanden wir nach 257 Kilometern eine absolute Nobelunterkunft (www.paunger.at) wo wir, trotz unseres eher abenteuerlichen Outfits, sehr freundlich empfangen wurden. Nagelneue Zimmer, 35 Euro mit Frühstück, das Übernachtungs-Highlight der Tour!

Enfield-Diesel-Tour Hatz-BierRudis Getriebe markierte überall seinen Standort, daher bog ich am nächsten Tag bei einer KTM Werkstatt ab. Der Chef schraubte an einer 2-Zylinder Duke. Auf meine Frage, ob er eine Ständerbohrmaschine hätte, kam „habe ich, aber die ist vom Großvater, keine Ahnung wie die funktioniert!“ Dass wussten wir zum Glück selber und verpassten der Einfüllschraube eine Entlüftungsbohrung. Damit hatte sich die Sauerei nach den Passfahrten erledigt. Kleine Ursache, große Wirkung. Eine klasse Strecke führte uns an der Salza entlang. Übernachtet wurde in einem Gasthof außerhalb, denn in den Städten sind die Preise eher hoch – also etwas suchen lohnt sich, günstiger und meist persönlicher. 249 Kilometer mehr stehen auf dem Tacho. Der Rückweg führte uns über die Nockalm, den Großglockner und Teile der Schwarzwaldhochstraße, leider letztere bei sehr schlechtem Wetter und bescheidener Sicht.
Letzte Übernachtung in Bermersbach. Sehr empfehlenswertes Lokal, gutes Essen, faire Preise. Es gab Hatz-Bier, als Hatz-Diesel-Fahrer natürlich ein Muss!

Resümee:

4328 Kilometer, 93 Liter Diesel, macht 2,15 Liter / 100 km. Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Ungarn.Defekte: keine, die Entlüftungsbohrung werte ich nicht als Problem, muss man halt wissen.
Ungläubige Blicke von der 100plusX-PS-Fraktion auf den Pässen, „Was, 11 PS…?“ Klar, ab und zu musste es der 1. Gang sein, aber meist ging es im 2. oder 3. 

Bergab sind die Sommer, vor allem das aktuelle Modell mit dem eigenen Rahmen, ausgesprochen flott zu bewegen. Die schmale Bereifung erfordert deutlich weniger Schräglage und macht die Kisten sehr handlich. Das führte des öfteren zu sehr ungläubigen Blicken von Fahrern aktueller Big Bikes und leistungsstarker Tourer. Da sich wirklich so gut wie keine Werkstatt an den seltenen Geräten auskennt, sollte der Fahrer zumindest Grundkenntnisse der Mechanik beherrschen.

In Kroatien, Bosnien etc. geht auf den Nebenstrecken oft nur ein 30er Schnitt. Klar, man könnte auch auf den breiten Straßen fahren, aber wozu? Wir hatten uns nicht durch feste Ziele unter Druck gesetzt, wollten die Landschaft genießen, auch ohne Stress einen Cappu trinken. Man sieht auch was von der Strecke, auf den kleineren Straßen sind Geschwindigkeiten oberhalb von 80 km/h meist eh nicht anzuraten, vielerorts sind nur 90 km/h erlaubt, mit der Diesel also kein Problem. An jeder Tankstelle, bei jeder Pause werden die Mopeds von Interessierten umringt. Rudi hat inzwischen den Lehrgang „Pressesprecher der Fa. Sommer“ mit Auszeichnung bestanden. Hat Spaß gemacht!