aus bma 03/04 von Heinz Schäfer

Traum auf H-DMit 35 Jahren hatte ich einen Motorradunfall der mich damals davon überzeugte, das Fahren auf zwei Rädern im gefährliche Verkehrsdschungel Europas lieber an den Nagel zu hängen. Falls ich aber das biblische Alter von 54 Jahren erreichen sollte, wollte ich mit einem richtigen Motorrad auf einer richtigen Straße fahren.
Im März 2002 war es dann soweit. Das richtige Motorrad war eine Harley-Davidson Heritage Softail und die richtige Straße war die Route 66 in den USA.
Mein Begleiter Winni war schnell mit Begeisterung dabei (obwohl man ihn nicht als den H.-D.-Fan bezeichnen kann, entschied er sich aus solidarischem Aspekt für die gleiche Maschine). Wir buchten einen Hin- und Rückflug nach Los Angeles und zwei Harleys für sieben Tage. Der ursprüngliche Plan, die Route 66 von A nach B zu fahren, scheiterte an der Rückholgebühr der Bikes. Wir mussten also wieder dahin zurück, wo wir starten würden. Wir hatten eine grobe Route im Kopf, die uns einen nördlichen Bogen mit einigen markanten Sehenswürdigkeiten ungefähr bei Flagstaff auf die Route 66 stoßen ließ, um dann auf der selbigen zurück nach L.A. zu cruisen.
Am 8.3., abends um 23.30 Uhr waren wir im Hotel. Ziemlich kaputt von dem 12-Stunden-Flug. Im vollbesetzten Jumbo war das für meinen Freund (zwei Meter groß) in den nicht sehr großzügig bemessenen Sitzreihen eine noch größere Qual als für mich mit meiner normalen Größe von 1,74 Metern.

Am nächsten Morgen saßen wir einige Stunden in der Hotelhalle und warteten auf den Transfer zu unseren Motorrädern. Ich erwartete einen PKW. Was aber kam, war ein Bus und drin saßen schon einige Freaks mit den gleichen Interessen. Man sah es ihnen auch an. Leder und Harley-Davidson-Schriftzüge überall und ich glaube ich war nicht einmal der Älteste. Jeder erzählte von seinem allmächtigen Motorrad welches er zu Hause lassen musste. Ganz beiläufig versuchte ich auf die Frage, was ich denn zu Hause fahren würde, zu erklären, dass ich seit fast 20 Jahren aus Angst auf keinem Motorrad saß.
Highway-CruisingAuf dem Hof der Vermietstation war ich der erste, der auf der Maschine saß um ein paar Runden auf dem abgesperrten Gelände zu drehen. Zwei Stunden später verabschiedeten wir die Freaks aus Hamburg und ich klemmte mich an das Rücklicht des erfahrenen Bikers Winni, der uns innerhalb von eineinhalb Stunden auf dem Highway 15 in Richtung Death Valley aus der Stadt brachte. Von der Interstate 15 runter, über die 395 von Adelanto nach Johannisburg waren wir die einsamsten und glücklichsten Biker Amerikas. Aber auch die müssen mal schlafen und dafür wurde es Zeit. Johannisburg hatten wir uns dafür ausgeguckt, aber ein Hotel oder ähnliches gibt es dort nicht. Die Welt hört eigentlich vor dem Ort schon auf. Drei bis vier Holzbaracken, das war’s. Oh je, es dämmerte und je mehr wir uns der Wüste näherten, wurden auch die Orte nicht größer. Ein „Zurück” kennen echte Harley-Davidson-Biker nicht. Es war schon dunkel als wir in Trona den Besitzer des einzigen Motels „Desert Rose” aus dem Bett klingelten.
Am nächsten Tag strahlte der Chrom und die Silbernieten unserer nagelneuen Bikes in der Morgensonne und animierten uns, frühzeitig aufzusitzen und den V-Twin anzuwerfen. Die frische Luft, die gleißende Sonne, der Geruch der Wüste, das Vibrieren der Zweizylinder und der Trittbretter (ab 50 Meilen hat man Mühe, dass die Füße nicht runterrutschen), ließen uns die Dosen Bier vom Abend davor schnell vergessen.
In Panamint Springs musste der leider nur 14 Liter fassende Tank randvoll gemacht werden. Vor uns lag die Wüste, auch im März mit Hitze ohne Ende. Wir fuhren durch das Death Valley zum Badwater (280 Fuß unter dem Meeresspiegel), eine kleine Pfütze mit Wasser. Am Hang eines Berges wurde mit einem Strich weißer Farbe der See-Level kenntlich gemacht. Später blubberten die Harleys im letzten Gang mit 60 Meilen die stetig leicht bergauf, in leichten Kurven führende „190” nach Death Vally Jct. hoch. Ein verlassenes Wüstendorf mit einigen Holzhäusern und einem Theater, in dem in der Woche nur der Staub tanzt. Am Wochenende tritt die New Yorker Tänzerinn Marta Becket pünktlich vor den Vorhang und steppt, damit das „Amargosa Opera House” nicht schließen muss, auch vor nur ganz wenigen Zuschauern.
Traum-Reise15 Meilen später überquerten wir die schnurgerade Grenzlinie nach Nevada und verließen das Land der Nichtraucher. Das erste was wir taten und nun auch endlich wieder durften, ist in der Öffentlichkeit rauchen. Ein Saloon an der 127, wie man ihn aus Bilderbüchern des Wilden Westens kennt, lud uns zu einer solchen Pause ein. An diesem Tag fuhren wir noch bis Las Vegas und früh genug, vom Vorabend gelernt, parkten wir die Bikes direkt vor dem Zimmer eines Motels.
Die Zeit auf den Maschinen verging wie im Flug. Wir sind aus Nevada raus und in Utah durch den „Zion National Park” gefahren, dann nach Kanab, dann über die 89 (2500 Meter hoch) durch Schnee zum Big Water, weil der North Rim des Gran Canyons eben wegen diesem gesperrt war. Über Page in Arizona, den endlos langen Highway 89 nach Cameron. Der Horizont war teilweise mit Schneebergen gesäumt und veränderte sich kaum. Diese endlosen Weiten auf dieser Hochebene begreift man erst, wenn man sie erlebt hat. Von Cameron ging es über die 64 zum Mother Point des Grand Canyon. Es war kalt und es lag Schnee. Der gewaltige Ausblick vom Süd Rim in den allmächtigen Grand Canyon ließ uns schnell die Strapazen der vergangenen Tage vergessen.
Unsere Entscheidung, auf der 64 zu bleiben und nicht in Flagstaff auf die Route 66 zu stoßen, sondern in Williams, war ohne es zu wissen, entscheidend für unseren weiteren Urlaubsverlauf. Flagstaff liegt 3000 Meter hoch und bekam am selben Tag noch 30 cm Neuschnee.
Nun waren wir auf der legendären Route 66. Erst einmal eher langweilig war es auf der jetzigen Interstate 40. Ein gerader Highway mit den amerikanischen Trucks und allem was man so vom Hörensagen kennt. Nach einigen Ausbruchversuchen durch Hinweisschilder an jeder Ausfahrt animiert, die geschichtsträchtige Route 66 doch noch zu befahren, gaben wir mangels Straßenbefestigungen bis Seligmann erst einmal auf und blieben auf der Interstate 40.
Am CanyonDann aber erlebten wir sie, die Straße mit der großen Geschichte, die Route 66. Es war sehr beeindruckend mit diesen Motorrädern auf dieser Straße zu fahren. In dieser weiten Savanne stundenlang geradeaus zu fahren, um dann zwischen zwei Bergen, die man vorher lange beinahe unverändert sehen konnte, hindurch zu fahren, um dann wieder eine endlos scheinende Ebene zu durchqueren war schon ein echtes Erlebnis
Zwischen Kingmann und Essex hatten wir uns verfahren und schipperten das Stück nochmal auf der 40. Das „Muss” eines jeden Abenteurers der die 66 fährt, ist Roys Cafe und Motel in Amboy. Gott sei Dank hat Roy auch eine Zapfsäule, wir tankten die Maschinen und uns auf und beschlossen, dass es das erst mal war, mit der „66”. Wir bogen links ab nach Twentynine Palms auf die 62 Richtung Palm Springs, um dann nach Palm Desert auf einer wunderschönen Passstraße hinauf in die Berge zu fahren. Den Ausblick von oben auf Palm Springs verarbeiteten wir bei einem deftigen Breakfast im Sugar Love Cafe und die holländische Besitzerin wünschte uns eine gute Zeit in Californien.
Bis Aguanga noch einmal Wüste ohne Ende. Rechts und links sahen wir verlassene Hütten mit alten Autos und riesigen Satellitenschüsseln im nicht vorhandenen Vorgarten. Ab Temecula hatte uns die Zivilisation wieder. Der Pazifik kam näher und die Menschen traten wieder in Massen auf. Es war nun auch noch Sonntag und wir mussten uns einen Weg durch sämtliche Peoples Americas an der Küste hoch, von Carlsbad nach Los Angeles bahnen. Irgendwann, ohne es gemerkt zu haben, waren wir in der riesigen Stadt, die um ihr Zentrum herum aussieht wie ganz viele Schrebergärten.
In der letzten Nacht beschlossen wir, dass es unglaublich schön war, das alles erleben zu dürfen.