aus bma 12/12
von Sascha Lehmenhecker

MZ Diesel Eigenbau

Kennt ihr das: „Fahr ich da jetzt noch hin oder nicht?” Immer öfter stellte ich mir die Frage, was die Fahrt wohl kosten würde. Aber wo bleibt da das Gefühl von Freiheit? Natürlich hängt das Gefühl von Freiheit nicht von den äußeren Umständen, vielmehr von der inneren Einstellung ab. Aber mal ehrlich, wie verhält sich eure innere Einstellung, wenn ihr für das Volltanken des Mopeds euer Mädel zum Essen einladen könntet; und wir reden hier nicht vom Maxi- Spar-Menü! Auch der tägliche Weg zur Arbeit fängt langsam an, weh zu tun. Wo soll das noch hinführen, wenn die Automobilclubs schon 2 Euro pro Liter in den nächsten Jahren prognostizieren? 
Also musste ich mir was einfallen lassen. Ich brauchte ein Motorrad, mit dem ich günstig den täglichen Weg zur Arbeit bestreiten könnte und das mir irgendwie das Gefühl gibt, wieder bezahlbar mobil zu sein.  Klar hätte ich die Möglichkeit gehabt, zu einer Supermarktkette zu gehen und mir für 699 Euro einen Plastik-Roller zu kaufen. Aber ein Gefühl von Freiheit mit einem Plastik-Roller?
MZ Diesel EigenbauAls ambitionierter Bastler wollte ich etwas bauen, das beides erfüllen sollte. Die erste Idee war der Bau eines Elektro-Mopeds auf der Basis einer leichten 125er. „Rolling Chassis” mit USD-Gabeln sind schon für wenig Geld im Auktionshaus oder bei eurem Schrauber um die Ecke zu haben. Auch ist es möglich, Elektromotoren in sämtlichen Größen mit Reglern zu erwerben. Doch die Preise der Akkus hätten mein Budget gesprengt.
Einige Abende später, nachdem ich mich gegen das Elektromoped entschieden hatte, kam eine Reportage über Rudolf Diesel im Fernsehen, danach war alles klar: Es sollte ein Dieselmotorrad mit möglichst wenig Elektronik, welches auf das Minimum beschränkt ist, werden. Der Motor sollte sparsam, einfach und leicht zu reparieren sein. 
Die Wahl fiel auf einen 1-Zylinder mit 406 ccm und wahnsinnigen 10 PS. Dieser verrichtet normalerweise seine Arbeit in Wasserpumpen und Notstromaggregaten. Den Motor bestellte ich direkt aus Fernost. Er kam in einer Holzkiste und kostete mich nicht einmal 400 Euro. Jetzt musste ich noch einen passenden Rahmen finden, der möglichst alt war und genügend Platz für Motor und Getriebe bereitstellt. Die Wahl fiel auf ein Motorrad der Motorradwerke in Zschopau. Ich erwarb eine MZ TS-250 Baujahr 1975, die traurig in einer dunklen Garage auf ihren neuen Besitzer wartete. Zylinder und Kolben fehlten, Kurbelwelle war fest, Tank verrostet und der Rest sah auch nicht wirklich gut aus. 
MZ Diesel EigenbauIch zerlegte den Motor und trennte das Getriebe von dem Kurbelwellengehäuse und versuchte es zu separieren.  Ein paar Lager später, hatte ich nicht nur mehr graue Haare, sondern auch ein Getriebe, das in den Rahmen passte und sich durchschalten ließ. Den Primärantrieb realisierte ich mit einem 25 Millimeter breiten Zahnriemen und zwei Zahnriemenrädern, die ich mit Spannbuchsen auf den Wellen befestigte. 
Der Rest war Kür: USD-Gabel einer KTM, Tank einer Yamaha DT, Flat-Tracker Sitzbank, neues Felgenbett, Edelstahlspeichen und ein paar andere Kleinigkeiten. Der Winter ging zu Ende und das Moped nahm Gestalt an. Pünktlich zum ersten Vogelgesang war sie fertig und ich freute mich riesig auf die erste Probefahrt.
MZ Diesel Eigenbau MotorBenzinhahn auf, Dekompressionshebel arretiert und auf den Knopf gedrückt. „Tock“ machte es und ein wenig Qualm verließ den Auspuff, der einer Royal Enfield weichen musste. Das war es? Auf keinen Fall! Also noch einmal Dekohebel gezogen und erneut den Anlasserknopf gedrückt. Nach einigen qualvollen Umdrehungen des Anlassers entschied sich der Motor dann doch ohne jegliche Hilfe selbständig zu laufen.  Nicht nur Laufkultur und Geräuschkulisse erinnerten an  vergangene  Zeiten. Der Qualm, der pulsweise dem Auspuff entwich und eher wie Rauchzeichen eines überfallenden Indianerstammes aussah, kam doch eher dem eines alten Lanz Bulldog gleich.
Die erste Probefahrt war klasse! Endete jedoch 200 Meter weiter an einer Kreuzung. Hatte ich doch in der Aufregung vergessen, Diesel zu tanken.    
Nachdem wir die Hürden des Dampfkessel-Revisions-Vereins kurz TÜV genommen haben, sind wir jetzt über 3000 km in 2 Monaten zusammen auf Deutschlands Straßen unterwegs. Und was soll ich sagen, es macht richtig Spaß. Klar muss man sich auf die 10 PS einlassen, die Höchstgeschwindigkeit mit Rückenwind und Heimweh beträgt auch nicht viel mehr als 100 km/h. Der Besuch beim Tankwart  gleicht jedoch die fehlenden km/h wieder aus. Der Verbrauch liegt bei 2,2 Ltr. und alles, was unter Druck explodiert, kann getankt werden. Mit dem Ertrag eines 1 ha großen Rapsfeldes könnte man 1½ mal um die Erde fahren. Wenn da nicht das Gefühl von Freiheit aufkommt!
 
<hier> gibt‘s die 10.000 Kilometer-Bilanz…