aus bma 02/05

von www.Winni-Scheibe.de

BSA A 65 Star TwinMit der A65 Star Twin begann bei BSA in Birmingham 1962 eine neue Motorradgeneration. Anstelle der traditionell-zerklüfteten Triebwerkskonstruktion präsentierte sich das 650er Topmodell mit einem formschönen und glattflächigem Blockmotor.
Anfang der sechziger Jahre war in England mächtig was los. In den Clubs und Kellerbars brodelte und kochte es. Neumoderne Musik aus den USA brachte Mordsstimmung ins Gebälk, eine ganze Generation steckte im Rock`n`Roll-Fieber. Stunden- und nächtelang, tagein-tagaus wurden die Stücke von Chuck Berry und Little Richard gedudelt. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. Im Oktober 1962 veröffentliche eine junge Band mit dem Namen „The Beatles” ihren ersten Song: „Love Me Do”. Daß die „vier Pilzköpfe” aus Liverpool nur wenig später die gesamte Musikwelt auf den Kopf stellen würden, es in kürzester Zeit zu Weltruhm brächten und als „Top-Four” in die Musikgeschichte eingehen würden, ahnte von den Erwachsenen wohl keiner. Ganz anders die Fans. Die jugendliche Subkultur schrie regelrecht nach dieser Musik. Nicht ohne Folgen. Die etablierte Gesellschaft war geschockt, bezeichnete die Kids als „Halbstarke” und „Rocker”. Aber nicht nur Rock`n`Roll und Beat-Musik war daran schuld, auch das eigenwillige Benehmen, die langen Haare, schwarzen Lederjacken, engen Jeans, Cowboystiefel und vor allem die lauten Motorräder, mit denen sie die Straßen unsicher machten, sorgten allgemein für Empörung und Schlagzeilen in der Presse.

 

Keinerlei Anlass für Rechtfertigungen oder Erklärungen hatte dagegen die englische Motorradindustrie. Sie war weltweit die Nummer Eins, angeführt vom Marktführer BSA (Birmingham Small Arms). Das Werk im Birminghamer Stadtteil Small Heath produzierte jährlich über 75.000 Maschinen, 1961 konnte die Firmenleitung sogar einen Rekordgewinn von dreieinhalb Millionen Pfund verbuchen. Den Haupterlös brachte der Exporthandel mit Amerika. Ganz anders als in England, und überhaupt kein Vergleich zu Deutschland, bestimmte in den USA eine vollkommen neue, motorradverrückte Generation das Geschäft; etwas, wovon die Branche in der „alten Welt” nur träumen konnte. Schon seit einiger Zeit mußte man in Großbritannien einen Verkaufsrücklauf verzeichnen. In Deutschland waren von den einst über 40 Motorradherstellern lediglich noch BMW, NSU, DKW, Maico und Hercules übrig geblieben. Wer Anfang der Sechziger bei uns etwas auf sich hielt, fuhr Auto, Motorradfahrer waren die „armen Schweine”.
BSA A 65 Star TwinDie jungen Motorradfans in den Staaten dagegen hatten längst ihre eigenen Straßenkreuzer oder Pick-ups, genossen das Leben, die Liebe, feierten Parties und waren sowieso immer supergut drauf. Das Bike war für sie Hobby, ein Gefährt für Spaß und Sport. Hoch im Kurs standen leistungsstarke 650er Donnerbolzen mit hervorragenden Sprint- und Top-speed-Eigenschaften, exzellenten Fahrwerken und guten Bremsen. Und hier hatten Norton, Triumph, BSA und Co. einiges zu bieten. Was allerdings kein US-Biker wollte, war ständig mit ölverschmierten Händen an der Maschinerie herumzuwerkeln. Aber genau das kam immer wieder vor. Die „klassisch englische Motorenbaukunst” hatte nämlich ihre Tücken. Mal waren es abvibrierte Auspuffhalterungen, dann die verstellten Vergaser oder Zündanlage, ein anderes Mal eine defekte Dichtung, die die Maschine zur „Ölsardine” machte, auch kein Wunder. Über Jahrzehnte hinweg hatten sich bei den Motorkonstruktionen von der „grünen Insel” nichts geändert. Die kernigen OHV-Parallel-Twins mit separater Magnetzündanlage und Lichtmaschine, eigenem Primärkasten und angeblocktem Getriebe waren ausgesprochen pflege- und wartungsintensiv. Meist war vor der Spritztour erst einmal „Schlossern” angesagt und bevor es dann endlich losging, wurden sicherheitshalber noch schnell einige Ersatzteile und das dafür erforderliche Werkzeug eingepackt.
Triumph, BSA größter Widersacher, reagierte auf die Belange der US-Kundschaft und bot ab 1957 die 350er 3TA, ein Jahr später die 500er 5TA und ab 1961 alle Modelle mit dem neuen Blockmotor an. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah, optisch hatten die Triumph-Techniker die traditionelle Motorbauweise weiterhin beibehalten, im vertikal getrennten Gehäuse waren Kurbelwelle, Primärantrieb, Kupplung, Getriebe, und hinter den Motordeckeln versteckt waren Zündanlage und Lichtmaschine gemeinsam untergebracht. Die Bemühungen sollten sich lohnen, in Windeseile sprach sie die Qualität der neuen Triumphs herum.
Bei BSA konnte man eigentlich mit den Verkaufserfolgen der A10 Modelle zufrieden sein. Seit 1950 waren die 650er im Programm. Zunächst war das 35-Horsepower starke Triebwerk, mit 70mm Bohrung und 84mm Hub, woraus sich 646 ccm ergaben, in einem Einrohrrahmen mit Telegabel und Gradewegfederung eingebaut. Um die Qualität des Bikes unter Beweis zu stellen, beteiligte sich das Werk 1952 bei dem Rekordmeeting auf dem Bonneville-Salzsee in Utah/USA. Die fast serienmäßige, allerdings mit Alkohol-Treibstoff betriebene A10, erreichte damals sensationelle 230,9 Stundenkilometer. Ab 1954 gab es die A10 mit modernem Doppelschleifenrahmen, die Führung des Hinterrades übernahm nun eine Schwinge mit zwei Federbeinen. So beliebt die A10 war, so klangvoll waren auch ihre Namen. Im Laufe der Jahre hieß sie Golden Flash, Super Flash, Road Rocket, Spitfire Scrambler (Exportmodell für die USA), Super Rocket und Rocket Gold Star. Zum Schluß der A10-Modellreihe leistete das mittlerweile auf 9:1 verdichtete BSA-Superbike Rocket Gold Star beachtliche 46 bhp bei 6250 U/min und brachte den Power-Bolzen auf knapp 180 km/h.
CockpitWollte der britische Motorradgigant seine Marktposition weiterhin behalten, mußten sich die Manager etwas einfallen lassen. Aus Kundenbefragungen, aber auch Importeursrückmeldungen wußte man bereits seit längerem, daß eine neue Modellpalette überfällig war. Schon Ende der fünfziger Jahre begann unter der Leitung des Chefkonstrukteurs Bert Perrigo und seinen Mitarbeitern Len Crisp und Bill Johnson die Entwicklung eines neuen Triebwerkes. Für die damalige Zeit war diese Ausführung revolutionär, hatte sie mit der „klassisch englischen Motorenbaukunst” doch nichts mehr gemeinsam. Nach über 30 Jahren verabschiedete sich 1962 das Birminghamer Werk vom zersplitterten Motorbauprinzip, sowie dem eingegossenen BSA-Logo: drei gekreuzte Gewehre im Steuerdeckel. Das neue Triebwerk bestand nun aus einem glattflächigem Block mit poliertem Seitendeckel, in dem Kurbelwelle, Primärantrieb, Kupplung, Vierganggetriebe, Lichtmaschine und Zündanlage in einem eiförmigen Motorgehäuse untergebracht waren. Der Motor war äußerst kompakt, die Herstellung ließ sich vereinfachen und half somit die Produktionskosten zu senken.
Innerhalb des Leichtmetall-Gehäuses hatte sich dagegen kaum etwas verändert. Hinter den blankpolierten Deckeln werkelte weiterhin „altbekannte” Mechanik. Immer noch drehte sich eine geschmiedete einteilige Kurbelwelle, mit ihrem gewaltigen, mittig verschraubten Schwungrad, rechtsseitig in einem Gleitlager und auf der linken Primärseite in einem Kugellager. Die beiden Alu-Kolben, mit zwei Kompressionsringen und einem Ölabstreifring, marschierten im Gleichschritt im Gußzylinder auf und ab. Aus dem neu gewählten, fast quadratischen Bohrung x Hub-Verhältnis 75 x 74 mm ergaben sich genau 654 ccm. Die Steuerung des OHV-Kurzhubers war ebenfalls nichts Neues. Über zwei Stirnräder wurde die hinter dem Zylinderfuß untenliegende Nockenwelle aktiviert. Ebenfalls eine interessante Neuerung war die stabile Triplex-Primärkette, die sich im Hand-umdrehen von außen nachspannen ließ und die Batterie-Spulenzündung mit zwei Unterbrecherkontakten. Auf Kundenwunsch bekam man die A65 sogar mit 12-Volt-Wechselstromgenerator von Lucas. Bei der Ölversorgung vertrauten die BSA-Ingenieure um Bert Perrigo auf die Trockensumpf-Schmierung mit externem 3,4 Liter fassenden Öltank im rechtsseitigen Rahmendreieck. Zwar war das rechtsgeschaltete Vierganggetriebe nun direkt im Motorblock stationiert, die Zahnräder liefen jedoch in einem geschlossenen Gehäuse und wurden von 90er Getriebeöl umspült. Im Falle eines Getriebeschadens ließ sich die Schaltbox, ohne daß der Motor ausgebaut und zerlegt werden mußte, sogar herausnehmen. Den Antrieb zum Hinterrad übernahm eine Rollenkette, gegen Aufpreis gab es einen geschlossenen Kettenkasten. Die Gemischaufbereitung erledigte ein 11/8-Zoll-Amal-Monobloc-Vergaser Typ 389 mit Trockenluftfilter. Kaum gedämpft gelangten die Abgase durch eine 2in2 Auspuffanlage ins Freie.
Eingebaut war der luftgekühlte Viertakt-Twin in das bewährte, aber für die neue Aufgabe modifizierte, Doppelschleifen-Fahrwerk von der A10. Eine Telegabel übernahm die Führung des Vorderrades, hinten sorgte eine Schwinge aus Stahlrohren mit zwei vierfach verstellbaren Girling-Federbeinen für Fahrkomfort und gute Straßenlage. Als Stopper dienten Simplex-Leichtmetall-Vollnaben-Trommelbremsen, im Vorderrad mit 200 mm und hinten mit 180 mm Durchmesser. Für sicheren Kontakt zur Fahrbahn waren vorne ein 3.25 x 18 und hinten ein 3.50 x 18 Pneu zuständig. Die Ausstattung entsprach damaligem Standard. In den Stahlblechtank, mit dem seitlichen charakteristischen BSA-Sternmotiv, passten 18 Liter Sprit, im Lampengehäuse war ein Amperemeter untergebracht, ein großer Tachometer zeigte die Geschwindigkeit an. Gegenüber der A10 war die neue A65 gut 16 Kilogramm leichter, fahrfertig brachte sie rund 185 Kilogramm auf die Waage.
TrommelbremseIm Frühjahr 1962 präsentierte BSA die A65 Star Twin. Doch die Begeisterung der Motorradfahrer war alles andere als euphorisch. Für sie war die Optik zunächst sehr gewöhnungsbedürftig. Ihrer Meinung nach war die A65 kein echtes „englisches” Motorrad mehr. Mit einem so massiven Bruch alter Traditionen hatte schließlich niemand gerechnet. Aber auch von der erhofften Sportlichkeit kam wenig rüber. Die A10 Rocket Gold Star leistete stramme 46 bhp, dagegen kam die neue Tourensportmaschine Star Twin gerade mal auf komode 38 bhp bei 5800 U/min.
Vergessen war die Kritik allerdings nach dem ersten Fahreindruck. Die A65 sah nicht nur wie eine „250er” aus, sie fuhr sich auch so. Sie begeisterte mit einem tadellosem Handling, das Chassis war spurstabil, die Sitzposition ausgesprochen bequem. Ganze Arbeit hatten die BSA-Techniker beim Motor geleistet. Das Triebwerk war ausgereift und verfügte über eine sehr ausgewogene Charakteristik. Nach der üblichen Startzeremonie: Schwimmerkammer des 28er Amal-Monobloc-Vergaser fluten, Lufthebel schließen, Zündung auf „on” schalten, dann ein beherzter Tritt auf den Kickstarter und der Twin lief. Diese Prozedur war allerdings kaum anders vorstellbar. Schließlich baute BSA Motorräder für Männer, für Kunden, die etwas von der Materie verstanden, die wußten, worauf es ankam. Ein Bike mit E-Starter – nie und nimmer!
War die Star Twin dann in Fahrt, beeindruckte sie mit mächtig Dampf aus dem Keller, problemlos war schaltfaules Fahren möglich. Wer dennoch gern im Vierganggetriebe rumrührte, hatte seine helle Freude, die Bedienbarkeit der Schaltbox war vorbildlich, präzise und genau rasteten die Gänge ein. Auch die Sprinteigenschaften und das Topspeed überzeugte. Die Vollnaben-Trommelbremsen ernteten ebenfalls großes Lob. Doch was das Wichtigste war, der Motor blieb selbst nach längerer Heizerei „trocken”. Und das wollte was heißen. Manch hartgesottener Tester schwärmte aber auch von einem „samtweichen” Motorlauf. Im Vergleich zu den bisher bekannten „Schüttelböcken” mag das ja stimmen, doch ganz ohne die obligatorischen Vibrationen ging’s nicht. Spätestens wenn sich die Kurbelwelle über 5000 mal pro Minute drehte, war das bekannte „Kribbeln” in Händen, Füßen und Sitzfleisch deutlich zu spüren. Für viele war das allerdings auch wichtig, denn zu einer echten Männer-Maschine gehörten eben auch anständige Vibrationen.
Bei der A65 Star Twin sollte es nicht bleiben. Bereits im Oktober 1963 erweiterte BSA die 650er-Block-Motor-Modellreihe mit der A65 Rocket. Eine scharfe Nockenwelle, verstärkte Ventilfedern und die Erhöhung der Verdichtung von 7,5:1 auf 9:1 ließen die Leistungsausbeute auf 45 bhp bei 6250 U/min klettern. Ohne wesentliche Modifikationen diente in der A65-Baureihe der Blockmotor bis zur Werksschließung 1973 als Antriebsaggregat. Wieder waren es so klangvolle Namen wie Lightning, Lightning Clubman, Thunderbolt, Hornet, Firebird Scrambler und Spitfire, mit denen man die Modelle bedachte. Doch die Zeichen der Zeit standen gegen die kernigen Parallel-Twins aus Birmingham. 1973 kam für BSA das „Aus”.

Technische Daten BSA A65 Star Twin – 1963

Motor:
Fahrtwindgekühlter Zweizylinder-Viertakt- Reihenmotor, eine untenliegende, über Stirnräder getriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder über Stößel, Stoßstangen und Kipphebel betätigt; Bohrung x Hub 75 x 74 mm; Hubraum 654 ccm; Verdichtung 6,5:1; Leistung 38 bhp bei 5800/min; Trockensumpfschmierung 3,4 Liter Motoröl; ein Amal-Monobloc-Vergaser, Ø 28 mm; Trockenluftfilter; Batterie-Spulen-Zündanlage; auf Wunsch 12-Volt- Wechselstromgenerator von Lucas

Getriebe:
Primärantrieb über Triplex-Kette; Mehrscheibenkupplung im Ölbad; Vierganggetriebe mit eigenem Ölvorrat; Endantrieb über Einfach-Rollenkette

Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen; Telegabel; Stahlrohr-Hinterradschwinge mit zwei hydraulisch gedämpften vierfach verstellbaren Gerling-Federbeinen; vorne Simplex-Vollnaben-Trommelbremse, Ø 200 mm; hinten Simplex-Vollnaben-Trommelbremse, Ø 180 mm; Speichen-Räder mit Stahl-Felgen; Bereifung vorne 3.25 x 18 und hinten 3.50 x 18; Tankinhalt 18 Liter; Gewicht 185 kg.