aus Kradblatt 6/15
Text: Jogi / penta-media.de
Fotos: Jörg van Senden, Kai Sypniewski, Carsten Scheibe

AJP PR 4 – Endurowandern mit der Leichtenduro an der Ardèche 

AJP PR4 offroadDer Enduro-Virus hat mich voll erwischt. Begeistert von den ersten Trainingseinheiten auf einer Enduro in Mecklenburg Vorpommern mit Endurofun Tours, habe ich mich nur wenige Wochen später auf ein weiteres Enduro-Abenteuer in das im Süd-Osten Frankreichs gelegene Departement Ardèche eingelassen. Die Anreise ist in zwei Tagen locker zu schaffen, wenn man ohne Maut-Strecken zu meiden die schnellste Route wählt. Dafür werden je Weg rund 40 Euro fällig.
Da sich zurzeit leider keine Enduro im kleinen Kradblatt-Fuhrpark befindet, habe ich das Angebot von Crossover Cycles aus Olpe dankend angenommen, für diese Reise eine AJP PR4 240 ausprobieren zu dürfen.

Noch nie von AJP gehört? Die Firma ist Portugals führender Hersteller von Enduro-Motorrädern und produziert seit 1987 extrem leicht zu fahrende Freizeit­enduros mit solider, alltagstauglicher und wartungsarmer Technik. Das von Antonio Pinto gegründete Unternehmen vertreibt seine Motorräder in über 25 Ländern weltweit. Die Modellpalette besteht aus drei Motorrädern, der PR3, PR4 und PR5. Während die PR3 und PR4 Modelle mit luft- und ölgekühlten 125 ccm und 240 ccm 4-Takt-Motoren ausgestattet sind, hat die PR5 einen flüssigkeitsgekühlten Motor mit 250 ccm und Einspritzung. Meine Wahl fiel auf die PR4, da sie in einem besonders attraktiven Preis-Leistungsverhältnis steht und deshalb das Volumenmodell der Marke darstellt. Sie ist für 3990 Euro inklusive MwSt. zuzüglich 180 Euro Frachtkosten zu bestellen. Der Preis ist eine Kampfansage und ich war deshalb alleine schon sehr gespannt, was für ein Bike mich wohl erwarten würde.

AJP PR BMW Sertao VergleichSo ging die Reise zunächst mit dem PKW nach Olpe zu Crossover Cycles, wo eine neue AJP mit gerademal 120 km auf dem Tacho auf einem Anhänger bereit stand. Eigentlich reise ich gewöhnlich lieber auf den eignen zwei Rädern an, aber in Anbetracht dessen, dass auch ein Weingut besucht wurde, kam mir die Variante mit PKW und Anhänger recht gelegen. So war es möglich einige Kisten Wein mit auf den Rückweg nehmen zu können.

Zu erwähnen wäre noch, dass die AJP geringfügig modifiziert wurde. Statt der serienmäßigen Michelin T63, die einen Kompromiss zwischen Straßen- und Gelände-Bereifung darstellen, wurden Michelin Enduro Competition Reifen aufgezogen, die auf optimale Geländeeigenschaften ausgelegt sind. Außerdem wurden ein Kettensatz mit niedrigerer Übersetzung und der als Extra erhältliche Original-AJP-Sportauspuff montiert. Damit war die PR4 gewichtsreduziert, obwohl sie auch ohne Modifikation nur 105 kg wiegt, und bestens für den Geländeeinsatz gerüstet.

Pünktlich trafen alle Teilnehmer der Reise in Joyeuse im Hôtel de l’Europe ein, das unsere Basis für kommende Tages-Exkursionen sein sollte. Das Hotel ist auf Motorradfahrer eingerichtet und bietet neben einer guten Küche auch eine abschließbare Garage für die Motorräder an.

Die Ardèche ist eine Gegend, die dem Enduro-Fahrer praktisch alle möglichen Bodenbeschaffenheiten abseits der Straßen beschert. Über matschige bis staubige Feldwege, Schotter- und Sandpisten, Waldboden und schroffes Gestein, wird keine Herausforderung ausgelassen. Kleine Flüsse und Bäche laden zu Sonderübungen ein. Bergauf- und Bergabfahrten erhöhen den Schwierigkeitsgrad nach Belieben. Durch die Höhenunterschiede werden unterschiedlichste Vegetationszonen durchfahren. Die Temperaturen im Frühling liegen zwischen 27 °C im Tal und können auf den Berggipfeln noch unter dem Gefrierpunkt liegen. Nur noch von Wanderern genutzte Wege und schmale, ehemalige Esel-Pfade durch die Berge führen einen rasch in einsame Landstriche, in denen man sich hervorragend mit der Enduro austoben kann, ohne jemanden zu stören. Ein wie dazu geschaffenes Off-Road-Paradies.
Diese Einsamkeit hat ihre Vor- und Nachteile. Einerseits ist es sehr entspannend in den Pausen die wunderschöne, menschenleere Natur zu genießen, anderseits birgt diese Abgeschiedenheit auch die Gefahr in sich, im Falle eines Falles alleine auf sich gestellt zu sein.

AJP PR4 Bremsscheiben wie am Mountainbike

Ich hatte bereits im Artikel über das Enduro-Fahren in Mecklenburg Vorpommern darauf aufmerksam gemacht, dass Enduro-Fahren ein Team-Sport ist und zu den Risiko-Sportarten gehört. Das möchte ich auch jetzt noch einmal betonen. Sich alleine oder auch zu zweit in der Einsamkeit der Ardèche zu verlieren, ggf. mit technischen Problemen oder einem gesundheitlichen Problem nach einem Sturz, ist lebensgefährlich. Fahrt deshalb bitte immer in einer Gruppe und mit einer ortskundigen und kompetenten Führung, wenn ihr frequentierte Straßen und Wege verlassen wollt. Nur so ist sichergestellt, dass ihr gefunden werdet und Hilfe bekommen könnt, wenn es wirklich einmal nötig sein sollte.

Wenn man sich weiter ins freie Gelände hinein bewegt, sollte man sich bewusst sein, dass es Pisten mit Hindernissen gibt, die das Passieren in nur einer Richtung zulassen, so dass einfaches Umkehren nicht mehr möglich ist. Das können zum Beispiel Steinstufen oder steile Abhänge mit losem Untergrund sein, die man zwar hinab, aber nicht mehr hinauf fahren kann. Deshalb ist eine Führungsperson mit profunden Ortskenntnissen unbedingt empfehlenswert, die diese „Points of no return“ kennt und weiß, was dahinter zu erwarten ist. Es könnte sonst passieren, dass man weder vorwärts noch rückwärts weiter kommen kann.

AJP PR4 spartanisches CockpitLeider gibt es immer wieder Kandidaten, die geführte Touren mit GPS-Geräten aufzeichnen und hinterher glauben, diese alleine nachfahren zu können oder gar in Enduro-Foren der Öffentlichkeit zugänglich machen zu müssen. Abgesehen davon, dass es extrem unsportlich ist, Anbietern von geführten Touren die Strecken zu klauen, die diese selber lange suchen, auskundschaften, erproben und ausarbeiten mussten; es bringt finanziell auch keinen bedeutenden Vorteil, wenn man Unterkunft und Verpflegung privat organisiert. Der geringe Aufpreis sollte einem die Sicherheit und der Service wert sein. Außerdem lernt man auf diesem Wege ähnlich tickende Motorradfahrer kennen, mit denen es Spaß macht sich am Abend bei einem Glas Wein auszutauschen oder Fotos und Videos des erlebten Tages anzuschauen. Was euch möglicher Weise jetzt gerade wie Schleichwerbung für organisierte Motorradreisen erscheinen mag, hat tatsächlich seine Berechtigung, wenn ihr ein wenig darüber nachdenkt.

Wir haben während unserer Exkursionen mehrere Situationen gehabt, in denen ein bis zwei einzelne Enduro-Fahrer alleine ernsthafte Schwierigkeiten gehabt hätten. Technische Defekte treten bei den hohen Belastungen, denen eine Enduro im Gelände ausgesetzt ist, schneller auf, als auf der Straße.

AJP PR4 Ungluecklicher TankverschlussSo versagte die HPN-BMW GS den Dienst mitten im Niemandsland, nachdem Horst mit ihr ambitioniert ein Gewässer durchquert hatte. Alleine im Gehölz wäre das eine ziemlich üble Sache geworden. Im Team konnten wir sie jedoch einige Male wieder anschieben, bis auch das auf Grund der Geländestruktur nicht mehr möglich war. Letztendlich schleppte Jochen die streikende BMW mit seiner alten Yamaha 350 TT, an der Gabelbrücke angeseilt, wieder zurück auf einen Feldweg, wo sie noch einmal wiederbelebt werden konnte. Am nächsten Tag war die eingedrungene Feuchtigkeit anscheinend verdunstet, denn die BMW sprang wieder an, als ob nichts gewesen wäre. Das nennt man spontane Selbstheilung.

In einer anderen Situation lag ein umgestürzter Baum vor uns und blockierte den schmalen Single-Trail. Den Baum über den steilen Abhang zu umfahren oder umzukehren war nicht möglich. Das bedeutete, dass wir jedes Motorrad einzeln und nacheinander über den Baumstamm tragen oder irgendwie rüberwuppen mussten. Mit der schweren GS ein recht schweißtreibender Spaß. Anders mit der leichten AJP. Da sie ab Werk keinen wirksamen Rahmenschutz hat, sondern nur eine Aluplatte zum Schutz des Motors, trugen wir sie mit drei Personen relativ entspannt über das Hindernis hinweg. Egal ob leicht oder schwer, beides funktioniert nur im Team.

Insgesamt hat sich die AJP bei allen Geländeübungen recht gut geschlagen. Durch ihr geringes Gewicht und die griffige Bereifung war sie abseits der Straßen leichter zu manövrieren, als die meisten der anderen Maschinen in unserer Gruppe. Im Gelände ließen sich die 20 PS Motorleistung der AJP prima dosieren und waren in jeder Situation völlig ausreichend. Auf der Straße sind 20 PS jedoch deutlich zu wenig und die Michelin Competition Stollenreifen völlig ungeeignet. Wer im gemischten On-/Off- Road-Betrieb unterwegs sein möchte, sollte besser die Michelin T63 Serienbereifung als sinnvollen Kompromiss belassen.

AJP PR4 etwas verloren auf der LandstrasseEigentlich möchte die AJP sowieso nur im Gelände gefahren werden. Das sagt sie uns bereits mit ihrer knüppelharten Sitzbank. Da im Gelände viel im Stehen gefahren wird, geht dort die fehlende Polsterung in Ordnung. Schließlich spart das Gewicht. Sitzend bei der Fahrt auf normalem Asphalt hätte ich mir manchmal eine Polsterung oder eine Radlerhose gewünscht. Fahrer ab 1,80 Länge haben das zusätzliche Problem, direkt auf dem Tankstöpsel zu sitzen, der sich hinten in der Sitzfläche versenkt befindet. Der Tankverschluss beinhaltet übrigens auch die Tankentlüftung und ist deshalb nicht völlig dicht. Weil der Kunststofftank unter der Sitzbank nur 7 Liter fasst, was sich für eine Range von 150 km + Reserve im Nachhinein als absolut ausreichend erwies, haben wir bei den ersten Betankungen den Tank vorsichtshalber immer bis an die Kante gefüllt. Später haben wir diesen Fehler nicht mehr wiederholt.
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Das Fahrwerk der AJP PR4 schluckte alle Unebenheiten problemlos weg und ging selbst bei harter Belastung nie auf Block. Die Schwinge federte jedoch manchmal so weit ein, dass der Hinterreifen eine etwas zu lange Schraube an der Kennzeichenbefestigung im Innenkotflügel erwischte und dadurch das Blech in das Rad zog. Die Folge war ein deformiertes und am unteren Rand ausgefranstes Nummernschild. Eine kürzere Schraube löste das Problem ganz simpel. Wir hatten alle einige Zeit über das lädierte Nummernschild gerätselt, da wir uns einfach nicht vorstellen konnten, dass die Maschine im gröberen Geländebetrieb tatsächlich hinten soweit einfedern würde.

AJP PR4 von rechtsDie 40 mm Marzocchi Upside-Down-Gabel zeigte sich verwindungssteif und völlig unbeeindruckt von allen Stößen. Zu Beginn der Tour zeigte sie einen leichten „Slip-Stick“, d. h. dass erst eine gewisse Kraft einwirken muss, bis die inneren Reibungswiderstände überwunden sind und die Gabel anspricht. Das mag vermutlich daran gelegen haben, dass ich ein praktisch neues Motorrad von Crossover Cycles bekommen hatte. Am Ende der Tour, knapp 900 km später, war davon nichts mehr zu spüren. Alles bestens.

Die Bremsen der AJP erfüllen sehr gut ihren Zweck, auch wenn sie so zierlich aussehen, als würden sie an ein Mountainbike gehören. Vorne wird mit einer 260 mm Scheibe, hinten mit einer 220 mm Scheibe gebremst. Die Bremsen arbeiten sehr präzise und lassen sich on- sowie offroad feinfühlig bis zum Blockieren der Räder dosieren. Auf der Straße möchte niemand blockierende Räder, im Gelände gibt es jedoch Situationen, bei denen es durchaus erwünscht ist. So filigran die Bremsen auch aussehen, ihre Verzögerung ist in jedem Fall mehr als ausreichend.

Der Gewicht reduzierende und kernig ballernde Sportauspuff vermochte mich nur kurzzeitig zu begeistern, denn er geht, wenn man seinen Lärm den ganzen Tag ertragen muss, ziemlich auf die Ohren und letztendlich auf die Nerven. Weil der luftgekühlte 233 ccm Eintopf ohnehin nicht besonders leise und kultiviert arbeitet, kann man auf die zusätzliche Lärmbelästigung des Sportauspuffs getrost verzichten. Das ist jedoch nur meine subjektive Meinung und muss jeder selber für sich entscheiden.

Die Region des Departements Ardèche hat natürlich noch viel mehr zu bieten, als reizvolle Enduro-Pisten. Ich habe deshalb im Anschluss noch einige Tage eine Straßen-Tour durch die Cevennen gemacht, Weingüter besucht und andere interessante Dinge besichtigt. Weil ich aber schon wieder viel mehr Buchstaben verbraucht habe, als mir die Setzerin im Vorwege zugebilligt hat, berichte ich euch davon erst in einer der nächsten Ausgaben.

Endurofuntours:

Jochen Ehlers

Jochen Ehlers ist 63 Jahre alt und der leitende Kopf hinter Endurofun-Tours.
Er führt seine Enduro-Wanderer in kleinen Gruppen zielsicher und kompetent durch Süd-Frankreich und ist mit dem Gebiet so gut vertraut, dass er zur Orientierung nur noch selten eine Karte oder gar ein Navigationsgerät benötigt.
Er kennt Land und Leute, liebt die französische Küche und erzählt gerne darüber, wenn man nach der Tour noch gemeinsam bei einem Glas Wein den Tag Revue passieren und ausklingen lässt. Er scheint mit einer Enduro auf die Welt gekommen zu sein, so spielerisch fährt er mit seiner alten Yamaha 350 TT auch durch schweres Gelände.

Dabei gibt er wertvolle Tipps, wie die Hindernisse und Pisten am besten zu bewältigen sind oder wie die richtige Linie gefunden werden kann. Wenn es gewünscht wird gibt er auch Hilfestellung, ohne dabei den Schulmeister raus hängen zu lassen. Praktisch kann jeder, der mit ihm unterwegs ist, etwas davon für sich mitnehmen. Sollte wider Erwarten doch einmal ein Problem auftauchen, ist er bestens mental und materiell vorbereitet, so dass der Spaß nie auf der Strecke und Risiken überschaubar bleiben. Das macht den Profi aus.

Die „Ardèche Enduro Days“ finden vom 30. September bis 4. Oktober 2015 statt. Wer Lust hat an drei Fahrtagen mit Jochen Ehlers die Region um Joyeuse kennenzulernen, kann sich bis zum 28. August anmelden.

Weitere Info und Anmeldeunterlagen gibt es unter www.endurofuntours.com. Telefon 04825/1695.

AJP in Deutschland:
Crossover Cycles
Ziegeleistraße 26, 57462 Olpe
Telefon: 02761-66513
www.crossover-cycles.de

Infos für Sportfahrer:
Direkt an die Ardèche grenzt das Departement Lozère an, das ebenfalls reizvolle Landstriche für Enduro-Fahrer bereit hält. Dort ist auch der „Moto Club Lozèrien“ ansässig, der seit 29 Jahren die Enduro-Rallye „Trèfle Lozèrien“ ausrichtet. Das Event zieht jedes Jahr um die 20.000 Enduro-Fans an. Die Startplätze der 500 aktiven Teilnehmer sind nach der Freigabe der Anmeldung über das Internet innerhalb weniger Minuten vergriffen, obwohl für die Teilnahme eine Lizenz erforderlich ist. „Trèfle“ bedeutet „Kleeblatt“. Der Name kommt daher, weil der an drei Tagen zurückzulegende, über 600 km lange Parcours in der Form eines Kleeblattes angelegt ist. Die Route verläuft jedes Jahr anders, damit niemand die Möglichkeit hat vorher gezielt auf der Strecke zu trainieren. Infos gibt es online unter: www.trefle-lozerien-amv.com und www.moto-lozere.comlozere.com.

Touristische Informationen:
www.lozere-tourisme.com
www.cavernnedupontdarc.fr
www.cevennes-tourisme.fr
www.gorgesdelardeche.fr
www.les-vans.com
www.grotte-ardeche.com 

Hotels:
www.logis-de-lozere.com („Logis MOTO“)
www.ardeche-hotel.net
www.hotel-restaurant-family-48-12.com

Wein:
www.lesvinsdardeche.com
www.notredamedecousignac.fr

Käse:
ww.fedou.com